Kommentar: Zuckerberg, lass Oculus in Ruhe!

Die Idealisten von Oculus in den Fängen der Facebook-Kapitalisten: Das tut weh. Aber wirkt sich der Milliardenkonzern im Hintergrund vielleicht sogar positiv auf die Virtual-Reality-Zukunft aus?

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Von
  • Jan-Keno Janssen

Januar 2013: Ein handgestrickter Rift-Prototyp aus Klebeband.

(Bild: jkj / heise online)

Ich gebe es zu: Ich bin ein Oculus-Fanboy – und zwar seit der Sekunde, in der ich den Rift-Prototypen im Januar 2013 zum ersten Mal auf der Nase hatte. Es hat wahrscheinlich ziemlich bescheuert ausgesehen, wie ich mit offenem Mund die virtuelle Welt bestaunt habe, die sich da vor mir auftat. Aber ich war auch wirklich begeistert: Als hätte man mich irgendwo hingebeamt. Irgendwohin zwar, wo die Welt aus ziemlich großen Pixeln besteht, aber das Eintauch-Gefühl war so intensiv wie noch bei keiner anderen Virtual-Reality-Brille zuvor.

Und dann war da ja auch noch das sympathische Drumherum: Die vor allem von Klebeband zusammengehaltene Wundermaschine kam nicht aus der Forschungsabteilung eines Großkonzerns, sondern aus der Hand eines Freaks. Nach meinen Begegnungen mit dem Rift-Erfinder Palmer Luckey bin ich fest davon überzeugt: Der Mann will nicht reich werden, sondern die Welt verändern. Und das könnte sogar klappen: Zumindest, wenn er es bis zur Markteinführung wirklich hinbekommt, das größte Virtual-Reality-Problem in den Griff zu bekommen: die Simulator-Krankheit. Ohne Übelkeit könnte die Rift tatsächlich die Art und Weise, wie wir mit Computern interagieren, grundlegend verändern.

Ein Kommentar von Jan-Keno Janssen

Jan-Keno Janssen schreibt seit 2007 über Technik bei c't und heise online, seit 2016 als leitender Redakteur im Ressort Internet & Mobiles. Zuvor arbeitete er nach einem Studium der Medienwissenschaften und der Amerikanistik bei Tageszeitungen. Er schraubt schon seit frühester Kindheit an Computern herum. Bei heise online und c't beschäftigt er sich vor allem mit Virtual Reality, Datenbrillen und Gadgets.

Und nun kommt auf einmal Mark Zuckerberg ins Spiel. Der Facebook-CEO ist aus einem ganz anderen Holz geschnitzt als der Idealist Palmer Luckey. Zuckerberg hat keine Skrupel, mit seinem sozialen Netzwerk erst die halbe Welt anzufixen, und dann die Daumenschrauben anzuziehen. Ein Beispiel: Wenn ich will, dass alle Freunde von mir einen Facebook-Post sehen, muss ich Geld bezahlen – meine Definition eines "sozialen" Netzwerks sieht anders aus.

Aber: Obwohl mir Zuckerbergs Geschäftsgebaren gehörig gegen den Strich geht, kann ich Palmer Luckey verstehen. Das Virtual-Reality-Wettrennen fängt gerade erst an – und darin als kleines Unternehmen gegen Riesen wie Sony zu bestehen, dürfte schwierig werden. Vor allem, weil Luckeys Produkt einfach zu kopieren ist: Die Rift ist nicht viel mehr als ein Display mit zwei Lupen davor plus ein paar Smartphone-Sensoren für den Headtracker. Wie bei jedem Wettrennen geht es jetzt um Geschwindigkeit – und dafür braucht man Geld, viel Geld. Das hat Facebook. Mit den unerschöpflichen Facebook-Ressourcen im Hintergrund kann Oculus jetzt Gas geben, kann Risiken eingehen.

Die Frage ist nur: Lässt Zuckerberg Palmer Luckey freie Hand? Wenn ja, könnte sich die Übernahme sogar positiv auswirken. Klar, Facebook wird mit Virtual-Reality-Software für sein soziales Netzwerk herumexperimentieren – aber sollen sie doch ruhig irgendwelche Second-Life-Spielereien programmieren. Solange Zuckerberg die Oculus-Macher in Ruhe lässt und ihnen nicht seine Geschäfts-Philosophie aufzwingt, kann Palmer Luckey die Welt vielleicht noch viel schneller verändern, als er sich das erträumt hat.

Ich finde es zwar ausgesprochen ärgerlich, dass sich Zuckerberg jetzt die Idee des Idealisten Luckey aneignet. Aber noch ärgerlicher wäre es, wenn Oculus im Rennen um die Virtual-Reality-Revolution unter die Räder käme. Mit Facebook im Rücken haben sie jetzt zumindest die gleichen Chancen wie die Sonys dieser Welt. Darüber hinaus gilt für Zuckerberg: Hände weg von Oculus. (jkj)