Netflix kommt nach Deutschland: Dann zeig mal was, Netflix!

Der US-amerikanische Video-on-Demand-Pionier soll im September endlich auch in Deutschland starten. c't-Redakteur Nico Jurran ist verhalten optimistisch.

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Von
  • Nico Jurran

Ganz egal, womit deutsche Video-on-Demand-Dienste in den vergangenen Jahren zu glänzen versuchten: Praktisch zu jeder Meldung fanden sich Forenkommentare, in denen Nutzer bedauerten, dass der US-Dienst Netflix hierzulande nicht verfügbar ist -- und die den deutschen Diensten eine finstere Zukunft voraussagten, wenn es einmal soweit sein sollte. Tatsächlich begann Netflix bereits 2011 mit der Expansion außerhalb Nordamerikas und ist mittlerweile schon in Großbritannien, Irland sowie Finnland, Dänemark, Schweden und Norwegen mit eigenen Ablegern vertreten.

Nun scheint die Zeit für den Deutschlandstart aber tatsächlich gekommen zu sein: Das Online-Magazin Curved will "von mehreren mit dem Prozess vertrauten Personen" erfahren haben, dass der hiesige Ableger im September startet -- einschließlich einer "großangelegten Werbekampagne in deutschen Großstädten" parallel zum Marktstart.

Ein Kommentar von Nico Jurran

Nico Jurran schreibt seit 2000 über Technik bei c't und heise online. Er kann sich seit seiner frühen Jugend für Computer und Heimkinotechnik begeistern. Nach dem Jurastudium arbeitete er zunächst als Rechtsanwalt und freier Fachautor. Bei heise online und c't beschäftigt er sich vor allem mit (HD)TV/VoD, Hard- und Software für Musiker, Smartwatches und Sportuhren.

Das freut mich erst einmal, schließlich belebt Konkurrenz bekanntlich das Geschäft. Euphorischen "Her damit!"-Ausrufen kann ich mich aber nicht anschließen. Ich habe den US-Dienst im vergangenen Jahr – im Rahmen eines Artikels über den Zugriff auf ausländische Videoangebote von Deutschland aus – einige Zeit genutzt.

Letztlich kam ich zu dem Fazit, dass Netflix eine Reihe interessanter US-Serien bietet, die man in Deutschland nicht oder nur über ausgewählte Kanäle (legal) zu sehen bekommt – was nicht nur dem angeblichen deutschen Durchschnittsgeschmack geschuldet sein dürfte, an dem sich die großen Sender gerne halten, sondern auch oft absurden Verwertungsketten und Vereinbarungen. Alles in allem empfand ich das Angebot aber als recht abgehangen, weshalb ich das Abo wieder kündigte. Bei einigen Kommentaren frage ich mich seither, ob die betroffenen Nutzer den Dienst tatsächlich selbst einmal ausprobiert haben – oder ob sie sich einfach vorstellen, welche wunderbaren Dinge sich da wohl hinter der verschlossenen Tür befinden.

Vor einigen Jahren sagte mir der Manager eines deutschen VoD-Dienst einmal unter vier Augen, dass Netflix mit dem Start in Deutschland zögere, weil dies ein so schwieriger Markt sei. Schwierig deshalb, weil es hierzulande immer noch ein gutes Free-TV-Angebot gebe und weil sich kleinere Pay-TV-Pakete wesentlich preiswerter zum Digital-TV-Abo hinzubuchen ließen als in den USA. Wichtiger ist meiner Meinung nach inzwischen, dass die Pionierzeit bei Video on Demand auch in Deutschland definitiv vorbei ist: VoD im Einzelabruf und als Flatrate-Angebot, Wiedergabe auf TVs, Unterhaltungselektronik und Mobilgeräte -- alles nichts Neues mehr. Und Amazon hat rechtzeitig vor einem möglichen Netzflix-Start mit "Prime Instant Video" noch einmal kräftig an der Preisschraube gedreht.

Natürlich kann man fast immer alles besser machen. Dass die Lösung im 4K-Streaming mit 3840 × 2160 Pixeln liegt, die Netflix in den USA und Großbritannien nach britischen Medienberichten anbietet, glaube ich erst, wenn der Dienst den nötigen Ultra-HD-Fernseher als Leihgerät gleich mitliefert. Für die nötige Internetverbindung mit einem konstanten Downstream von rund 16 MBit/s sorge ich dann auch selbst. Auch die selbstproduzierte Serie "House Of Cards", die jetzt in jeder Meldung über den Netflix-Start abgefeiert wird, ist meiner Meinung nach nur eine Randnotiz. Würde ich mich wegen einer Serie bei einem Videodienst verpflichten? Sicher nicht! Glaube ich, dass Netflix künftig eine Knallerserie nach der nächsten gelingt? Wohl kaum.

Entscheidend ist für mich, dass das ganze Sortiment stimmt – bei einem guten Preis. Vielleicht punktet Netflix als US-Dienst hier mit besseren Kontakten zu Hollywood als Watchever & Co. Aber eben auch das "Drumherum" muss stimmen. Dazu zählen für mich englische Originalfassungen in Dolby-Digital-Qualität -- und zwar mit zuschaltbaren Untertiteln, wenn mal wieder ein Darsteller seine Dialoge wegnuschelt. Und natürlich die Wiedergabe auf allen möglichen Geräten, wenn technisch möglich auch offline. Und schließlich ist mir eine sehr gute HD-Qualität wichtiger als eine 4K-Version.

Wenn das alles stimmt, kommen wir vielleicht wirklich ins Geschäft. Vorher gibt es von mir keine Jubelschreie. Auch der US-Dienst ist in der Bringschuld. Also zeig mal was, Netflix! (nij)