Jugendschutzexperten sehen Verbot von Gangster- und Pornorap skeptisch

Die Kommission für Jugendmedienschutz hatte sich von einer Expertenanhörung Hilfestellung bei der Einordnung der Texte im System der Altersklassifizierung erhofft. Doch in der Diskussion ging es dann vorrangig um den Sinn von Verboten.

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Von
  • Monika Ermert

Den bei jugendlichen Nutzern beliebten aggressiven und sexistischen Gangster- und Pornorap zu verbieten bringt nach Ansicht von Medienpädagogen und Soziologen wenig. Das wurde auf einer Expertenrunde der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) zum Thema "Liebeslieder waren gestern" deutlich. Die Experten rieten vielmehr zur direkten Auseinandersetzungen mit der Szene und den Nutzern selbst.

Es gehe nicht darum, Kindern und Jugendlichen etwas zu verbieten, sagte Verena Weigand, Leiterin der KJM-Stabsstelle. Stattdessen müsse verhindert werden, dass Erwachsene mit den extremen Texten Kasse machten. Die KJM habe von der Expertenrunde Hilfestellung bei der Einordnung der teilweise von Vergewaltigungsfantasien geprägten Texte im System der Altersklassifizierung erwartet. Zum Auftakt der Veranstaltung wurden Clips von Rappern wie Lady Bitch Ray, Sido und Kaas gezeigt – "nicht zur öffentlichen Aufführung" wie die Moderatorin vorab unterstrich.

Klaus Farin, Mitbegründer des "Archivs der Jugendkulturen", vermutet, nach einer Indizierung würden mehr Jugendliche als bisher mit den Inhalten in Kontakt kommen. Eine wichtige Voraussetzung für einen glaubwürdigen Jugendschutz sei eine echte Auseinandersetzung mit der "Szene" und den Inhalten der Raps. Als Beispiel zeigte Farin einen Video-Clip, der ein Schulmassaker thematisiert. In dem Clip werde nicht nur über die eigentliche Amokfantasie gerapt, sondern auch über die Wut und Verzweiflung des potenziellen Täters.

Farin empfahl "die Abwicklung von Einrichtungen wie der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien" (BPjM). Der Schutz von Kindern sei zwar notwendig, spezielle Regeln für 14- bis 18-Jährige lehne er aber ab. Die durch die Verbotsarbeit gebundene Kompetenz solle in die Recherche, Aufklärung und Förderung positiver Entwicklungen gesteckt werden. Ähnlich äußerten sich der Vizepräsident des deutschen Psychologenverbandes (BDP), Laszlo Pota, und der Bielefelder Medienpädagoge Uwe Sander.

Weigang argumentierte, die KJM sei nun einmal gesetzlich mit dem "repressiven Jugendschutz" betraut. Sander entgegnete, niemand hindere die KJM, Verbote auszusprechen, doch werde das Problem nicht gelöst. Eine "Entwicklungsbeeinträchtigung" – gesetzliche Grundlage für einen Eingriff – könne sicherlich entstehen, wenn Kinder und Jugendliche keine alternativen "Liebessemantiken" mehr kennenlernten, sondern nur die Verknüpfung von Sex und Gewalt. Es gebe aber keine harten wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, ab wann Pornorap-Fans Schaden nehmen.

Auch die Münchner Soziologin Paula-Irene Villa meint, der Pornorap sei auch als eine Reaktion auf den Trend anzusehen, schnellen Reichtum als Inbegriff des gesellschaftlichen Erfolges zu definieren. In der Verknüpfung von Gewalt und Sexualität im Pornorap sieht die Geschlechterforscherin eine Fortsetzung klassischer Formen von Sexismus, die jederzeit auch im Alltag präsent seien. "Jetzt so zu tun als hätten nur neunjährige Jungs ein Problem mit ihrer geschlechtsspezifischen Entwicklung, finde ich bigott." (Monika Ermert) / (anw)