Drohnen auf den Feldern

Drohnen könnten zu einem wichtigen Werkzeug für eine Landwirtschaft werden, die eine wachsende Weltbevölkerung umweltfreundlich ernährt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 3 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Chris Anderson

Drohnen könnten zu einem wichtigen Werkzeug für eine Landwirtschaft werden, die eine wachsende Weltbevölkerung umweltfreundlich ernährt.

Wer die malerischen Weinberge von Ryan Kunde im Sonoma Valley, nördlich von San Francisco, sieht, denkt an Tradition, an einen guten Tropfen. Doch Kunde ist mehr als ein Winzer – er ist auch ein Drohnen-Operator. Und gehört damit zu einer Avantgarde von Weinbauern, die begonnen haben, die umstrittene Militärtechnologie einzusetzen, um einen noch besseren Tropfen zu erzielen.

Für Kunde und seine Zunftkollegen sind die Drohnen schlicht eine kostengünstige fliegende Kamera-Plattform, die ihm helfen, das Wachstum der Reben und die Reifung der Trauben zu verfolgen. Dabei setzen die Farmer unterschiedliche Modelle ein: Flugzeug-artige Drohnen mit starren Tragflächen, Quadrocopter und andere Helikopter-artige Varianten mit mehreren Propellern. Sie alle sind mit einem Autopiloten ausgestattet, der mit Hilfe von GPS-Daten navigiert und eine gewöhnliche Kamera steuert. Am Boden werden die Luftaufnahmen per Software in eine hochauflösende Karte der Landschaft eingebaut.

Anders als bei herkömmlichen ferngesteuerten Fluggeräten muss Kunde den Flug nicht selbst steuern. Das erledigt der Autopilot der Drohne alleine, vom Start bis zur Landung. Die Bordsoftware plant die Flugroute so, dass die Kamera möglichst alle Weinberge erfasst. Sie sorgt bei den Aufnahmen auch dafür, dass die Bilder sich anschließend optimal auswerten lassen.

Die Flughöhe variiert dabei zwischen einigen und 120 Metern – der maximal zulässigen Flughöhe für unbemannte Fluggeräte in den USA. So bekommen Kunde und andere Winzer eine ganz neue Perspektive auf ihr Anbaugebiet. Die ist deutlich billiger als Satellitenaufnahmen und ermöglicht auch eine höhere Auflösung. Weil die Drohnen unterhalb der Wolkendecken fliegen, ist auch bei bedecktem Himmel die Sicht auf die Reben ungetrübt. Die Drohnen schlagen selbst Überflüge mit einem Sportflugzeug deutlich: Während die 1000 Dollar pro Stunde kosten, kann man für diesen Preis schon ganze einsatzfähige Drohnen bekommen.

Dass die inzwischen so klein, billig und leicht zu nutzen sind, ist einigen bemerkenswerten technischen Entwicklungen zu verdanken: winzigen Sensoren aus mikro-elektromechanischen Systemen (MEMS), die als Beschleunigungsmesser, Gyroskope, Magnetometer oder Drucksensoren dienen, sowie kleinen GPS-Modulen, mächtigen Prozessoren und einer Reihe von Funktechnik-Bauteilen. All diese Komponenten werden in rasantem Tempo besser und günstiger, denn dank ihrer Verwendung in Smartphones werden sie nun in Massenproduktion hergestellt. Der Autopilot wiederum läuft mit Open-Source-Software, die aus der Szene der DIY-Drohnen-Entwicklung stammt, statt mit teuren Programmen aus der Luftfahrtindustrie.

Eine PrecisionHawk-Drohne im Einsatz. Die fliegenden Agrarhelfer liefern auch Infrarot-Aufnahmen vom Anbau (unteres Bild).

Die neuen Agrardrohnen liefern den Winzern und Bauern kostengünstig drei Arten von Detailaufnahmen. Aus der Luft lässt sich zum einen schnell erkennen, an welchen Stellen es Probleme mit der Bewässerung oder mit dem Boden gibt. Sogar Schädlingsbefall, der mit bloßem Auge nicht zu sehen wäre, wird auf einmal erkennbar. Zum anderen können die luftgestützten Kameras auch Multispektralaufnahmen machen, die bis ins Infrarot hineinreichen. Dadurch werden Unterschiede zwischen gesunden und gestressten Pflanzen sichtbar, die dem Auge ebenfalls verborgen blieben. Und drittens können Drohnen wöchentlich, täglich, ja stündlich im Einsatz sein – und so Zeitreihen von Bildern kreieren, die Veränderungen in den Pflanzen hervorheben. So gewappnet, können die Landwirte ihren Anbau verbessern.

Die Agrardrohnen sind damit ein weiterer Schritt hin zu einer datenintensiven Landwirtschaft. Farmen sind längst eine Ansammlung von Objekten der Ingenieurskunst geworden, die durch Jahre der Automatisierung und anderer Innovationen immer mehr Ertrag bei immer weniger Arbeitsaufwand bringen.

Traktoren etwa setzen selbstständig die Saat im Abstand von wenigen Zentimetern in den Boden, und mit derselben Präzision ernten GPS-gesteuerte Erntemaschinen die reifen Pflanzen. Drahtlose Netze übertragen Daten zum Wassergehalt des Bodens und zu anderen Umweltparametern an die Rechner der Landwirte, die sie dann auswerten.

Die Möglichkeiten, die Drohnen dieser Automatisierung bei Bewässerung und Schädlingsbekämpfung hinzufügen, können in ihrer Bedeutung kaum überschätzt werden. Im Jahr 2050 wird die Weltbevölkerung voraussichtlich 9,6 Milliarden Menschen umfassen. Sie alle müssen dann ernährt werden. Wenn wir Landwirtschaft als Input-Output-Problem begreifen, also den Input – Wasser und Pestizide – reduzieren bei gleichem Output, können wir diese Herausforderung bewältigen.

Agrardrohnen werden mehr und mehr zu einem normalen Werkzeug, und wir fangen an zu überlegen, was wir mit ihnen machen können. Ryan Kunde will seine Weinberge sparsamer bewässern, weniger Pestizide einsetzen und einen besseren Wein produzieren. Mit mehr und besseren Daten ist das möglich. Was als Militärtechnologie begann, könnte so als Green-Tech-Werkzeug Karriere machen, und unsere Kinder werden damit aufwachsen, dass fliegende Roboter über den Feldern herumschwirren – Miniaturausgaben der Sprühflugzeuge von einst.

Chris Anderson, ehemaliger Chefredakteur von Wired, ist Mitgründer und CEO von 3D Robotics und Gründer von DIY Drones. (nbo)