Die Zukunft von Perl

Perl scheint etwas aus der Mode gekommen zu sein. Die Entwicklung der Skriptsprache steht jedoch keineswegs still: Sowohl an dem aktuellen Perl 5 als auch an dem neuen Perl 6 wird stetig gearbeitet.

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Lesezeit: 13 Min.
Von
  • Susanne Schmidt
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Perls aktueller Ruf ist vergleichbar mit ein paar umgehängten Mammutfellen der frühen Bronzezeit: Egal, wie praktisch und kuschelig warm diese Mode auch gewesen sein mag, wirklich hip sieht Perl zurzeit nicht aus und auf einer Ruby-Party ist damit definitiv kein Blumentopf zu gewinnen. Auch aus den Schlagzeilen ist Perl weitgehend verschwunden, obwohl weiterhin viele Firmen Perl still und heimlich einsetzen und weiter pflegen und nicht im Traum daran denken, ihr System zu tauschen.

Larry Wall erfand Perl seinerzeit als "glue language for Unix", wie er es selbst ausdrückt. Mit der Zeit wurde Perl jedoch auf nahezu alle Betriebssysteme portiert und mehr und mehr zu einer universellen Programmiersprache fortentwickelt: Vor einem Jahrzehnt stand das P in LAMP noch für in Perl 5 geschriebene CGI-Skripte. Diese Veränderungen haben der Sprache neben einigen Kuriositäten eine Syntax beschert, die "The Register" dazu veranlasste, sie als die Sprache zu bezeichnen, in der man nur mit Satzzeichen programmieren kann. Allerdings steckt auch eine unglaublich flexible – wenn auch vielleicht nicht wunderschöne – Programmiersprache darin.

Der Perl-Entwickler Piers Cawley spricht in seinem aktuellen Artikel Healthcheck: Perl von zwei Seelen, die in der Brust von Perl schlagen: Da ist der schnelle Einweg-Einzeiler zur Systemadministration (was Perl mit einigen handlichen Kommandozeilen-Optionen wie beispielsweise -n fördert), und dann gibt es da das "gehobenere" Perl, das man verwendet, um Code zu schreiben, der hinterher auch wartbar bleibt.

Cawley glaubt, dass es genau diese gespaltene Persönlichkeit von Perl ist, die die Programmierer vor der Sprache zurückschrecken lässt. Die meisten sehen nur das Zeilenrauschen der Einzeiler-Fraktion, die Spielchen des Obfuscated Perl Contest (den es allerdings für viele Sprachen gibt), oder aber den grausamen CGI-Code, der während der Dotcom-Blase fabriziert wurde.

Dabei, so Cawley, gibt es noch eine andere Facette von Perl: Das Perl, mit dem seit Jahr und Tag die Internet Movie Database läuft, mit dem heise online betrieben wird, Slashdot dem Leser-Ansturm standhält und die BBC Nachrichten liefert. Das Perl, in dem ISPs ihre Domain-Robots schreiben oder das Perl, das Tag für Tag und Jahr für Jahr Logfiles parst. Es gibt die Perl-Community, die es Anfängern und Einsteigern wirklich erlaubt, Anfänger und Einsteiger zu sein und eigene Erfahrungen zu sammeln, und es gibt eine Perl-Kultur, die reihenweise Workshops und Konferenzen und Cafehaus-Treffen veranstaltet und in der der Wegwerf-Einzeiler genauso erlaubt und gewollt ist wie das gehobenere, bessere Perl.

In den letzten Jahren ist es leider auch um spannende Perlbücher – einst an jeder Ecke schon an Kleinkinder vertickt und von jedem Verlag publiziert – stiller geworden. Exzellente und herausragend gut geschriebene Bücher sind eine der Stärken der Perl-Kultur und der Perl-Szene. Mark Jason Dominus' "Higher Order Perl" (jetzt auch online zum Herunterladen bei http://hop.perl.plover.com/book/) gibt beispielsweise inspirierende Einblicke in die funktionalen Fähigkeiten von Perl. Viele Perl-Bücher wie Damian Conways Handbuch zu OO-Perl sind genauso ein Muss wie "Extending and Embedding Perl" von Jenness/Cozens. Jeffrey Friedls grossartiges Handbuch über Reguläre Ausdrücke ("Mastering Regular Expressions" – inzwischen in der 3. Auflage) war seinerzeit die optimale Ergänzung zu der Vorreiterrolle, die Perl beim Vorantreiben von Regex-Features in viele Programmiersprachen eingenommen hat.

Auch "perldoc" und "perldoc -f" gehören zu den wirklich handlichen Dingen von Perl und alles, was in den mitgelieferten Manpages von Perl steht, lässt an Umfang und Beispielcode beinahe nichts zu wünschen übrig. Es sieht bisher nicht so aus, als würde diese Kultur, ebensowenig wie das Comprehensive Perl Archive Network CPAN, mit Perl 6 über Bord geworfen werden.

Auch wenn Perl 6 noch nicht offiziell erschienen ist, hat Perl 5 nicht stillgestanden. Von der Weiterentwicklung des Unicode-Supports bis zur Implementierung einiger Features von Perl 6 wie das Zuckerguss-print "say", das gleich einen Zeilenumbruch anhängt, oder dem Switch-Statement "given - when" wird auch Perl 5 weiter verbessert und auch verschnellert. Dabei ist Perl nie eine langsame Scriptsprache gewesen. Dass Perl ein Geschwindigkeitsproblem hätte, ist das letzte Mal durch Red Hats Paketfehler in die Schlagzeilen geraten, weil das Distributionspaket einen "bless"-Fehler enthielt und damit auf nicht gerade selten eingesetzten Red-Hat-Systemen gewaltig lahmte.

Was auch immer man von eher esoterischen Regex-Features halten mag, Textprocessing ist seit jeher eine Stärke von Perl. Somit ist es mehr als legitim, genau dort Verbesserungen und Ergänzungen vorzunehmen. (Die Regular Expressions von Perl 6 sind im Übrigen sogar noch üppiger und umfangreicher und dazu noch mit "Grammatiken" veredelt.) Kurz vor Weihnachten sind außerdem über 20 Jahre Perl-Sourcecode in GIT gewandert und haben das alte Versionierungssystem abgelöst. Auch Perl für Windows hat einige Verbesserungen und Fortschritte gesehen.

Der Luxus, den CPAN bietet, ist es denn auch, was viele Leute weiterhin an Perl schätzen, weil damit der Erweiterbarkeit der Sprache kaum Grenzen gesetzt sind. Lästerzungen, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben, bemängeln gern, dass Perl selbst für das Web heute nicht mehr Sprache der Wahl sei – weil CGI.pm so hoffnungslos veraltet erscheint. Dass in zunehmend unsicheren Web-Zeiten der Perl-Schalter "-T" eine sehr bequeme Sache zur Selbstdisziplinierung in der Webprogrammierung ist oder dass es inzwischen diverse Perl-Frameworks im MVC-Stil, mit RoR-Geschmack, in klein, groß, mit Dependencies und ohne gibt, scheinen einige Kritiker geflissentlich zu ignorieren. (Und so umfangreich muss Otto Normalunternehmers Webpräsenz erstmal werden, dass ihm nicht mehr reicht, was der Internet Movie Database genügt.)

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