LTE Summit 2015: Fernsehen und Updates über LTE-Broadcasts

Eine spannende Frage, die Betreiber und Zulieferer zuletzt aufgeworfen hatten, war, wie das LTE-Broadcasting funktioniert, also die Video-Ausbreitung per Mobilfunk. Der LTE Summit lieferte dazu Antworten und zeigte unerwartete Einsatzmöglichkeiten auf.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Friederike Maier
  • Dusan Zivadinovic
Inhaltsverzeichnis

Einen großen Teil der Funkkapazität belegen Mobilfunknutzer, indem sie Videos abrufen. Deshalb ist das Interesse an Techniken, die die Übertragung effizienter gestalten, groß. So gab es auf dem in Amsterdam abgehaltenen 10. LTE World Summit einen eigenen Track zum Thema Video über LTE.

LTE, Long Term Evolution, setzt bei der Übertragung der Signale auf die Modulationstechnik OFDM (Orthogonal Frequency Division Multiplexing). Diese verteilt die Daten auf viele nebeneinanderliegende Unterträger, und genau dieses Merkmal kann man dafür nutzen, um im Versorgungsbereich einer Basisstation einen Teil der Träger mit einem einzelnen Dienst zu belegen – also etwa mit einem Download oder mit einem OS-Update oder – aktuell besonders unter Entwicklern beliebt – mit einem Video-Signal.

Wenn sie darauf einrasten, empfangen den Dienst alle von einer solchen Basisstation versorgten Endgeräte gleichzeitig. Das funktioniert auch in einem Verbund aus mehreren Basisstationen. Synchronisiert man sie miteinander, bilden sie ein Gleichwellennetz, eine Technik, die auch beim digitalen Fernsehen und Radio verwendet wird. Das erklärt, warum das LTE-Broadcast bisher nur anhand der Übertragung von Video-Signalen getestet wird und warum es enhanced Multimedia Broadcast Multicast Service genannt wird (eMBMS).

Sehr vorteilhaft daran ist aber auch, dass der Empfänger die synchron von mehreren Basisstationen ausgestrahlten Signale kombiniert und so den Signal-Rauschabstand deutlich verbessert – dieser Gewinn lässt sich beispielsweise nutzen, um eine größere Distanz zu überbrücken.

Wenn viele Nutzer dieselben Inhalte ansehen wollen, spart die Technik aber auch erheblich an Bandbreite. Damit erscheint sie zunächst für die Nachrichtentechniker attraktiv, welche die LTE-Netze konzipieren: Bereits ab drei Nutzern, die dasselbe HD-Video sehen wollen, lohnt sich laut Louis Plissonneau vom französischen Provider Orange die Ausbreitung per eMBMS.

Orange hat eMBMS erstmals im Mai und Juni bei dem 15-tägigen Tennisturnier French Open in Paris in Zusammenarbeit mit France Télévisions getestet. Da der Tennis-Cup in mehreren Stadien parallel stattfand, wurden jeweils die Matches, die in den anderen Stadien stattfanden, per Mobilfunk zu den Zuschauern in den anderen Stadien übertragen.

Unicast-Übertragung sind durch Punkt-zu-Punkt-Kommunikation gekennzeichnet. Jeder Nutzer sendet und empfängt individuelle Daten. Anwendungsbeispiele sind Video-on-Demand, E-Mail, Surfen, SSH-Sitzungen oder auch Media-Downloads.

Die Betreiber setzten dafür das bei LTE-Hotspots häufig eingesetzte 2,6-GHz-Band ein, um über einen 6-MHz-Downlink-Kanal vier Video-Streams parallel zu übertragen. Jedes hatte eine Datenrate von 2,5 MBit/s und lieferte Videos von 750p-Auflösung mit 25 Bildern pro Sekunde aus. Betreiber, die die Technik ebenfalls ausprobieren wollen, dürften von Plissonneaus Ausführungen mitnehmen, dass sie für die Synchronisation all der Geräte einer Sendekette mehr Aufwand einplanen sollten; diese bereitete Orange anfänglich Schwierigkeiten.

Australiens größter Provider Telstra hat eMBMS ebenfalls schon in einem Feldtest erprobt, nämlich bei einem Cricket-Spiel. Dabei wurden jedoch nur die Treffer über eMBMS als Wiederholung gesendet. Anders als Orange, folgert Telstra aus seinem Test, dass der Aufwand für die Netzbetreiber recht gering ist. Auch die Änderungen an den Endgeräten seien nicht sonderlich groß, meinte Hugh Bradlow, CTO von Telstra. Erste Chips, zum Beispiel von Qualcomm, sind bereits für eMBMS ausgelegt. Trotzdem ist sich Telstra über den Erfolg der eMBMS-Technik nicht sicher. Das würden, so Bradlow, die nächsten 5 Jahre zeigen.

Broadcast- oder Multicast-Übertragungen sind durch Punkt-zu-Multipunkt-Kommunikation gekennzeichnet. Sie gilt als effizienter und kostengünstiger für die Ausbreitung von gemeinsamen Inhalten. Zu den Anwendungsbeispielen zählen Live-Video- und Audio-Streaming, Push-Media-Übertragungen, e-Publication, Download von Anwendungen oder auch das Einspielen von OS-Updates.

Die Grundlagen sind nun erarbeitet, jetzt kommt es darauf an, Ideen für die Vermarktung zu entwickeln. Hauptszenario bisher sind große Sportveranstaltungen. Als Sender kommen im Prinzip konventionelle Broadcaster oder Netzbetreiber in Frage. Für die konventionellen Broadcaster sprach Peter MacAvock von der European Broadcasting Union, dem europäischen Verband der Public Broadcaster, auf dem LTE Summit.

MacAvock sieht bisher mehr Hürden als Horizonte oder kurz: Für die Verbreitung von hochauflösendem Video eignet sich eMBMS derzeit nicht. Die Broadcaster müssen in der Regel ein großes Verbreitungsgebiet abdecken, viele davon ihrem Auftrag gemäß Free-to-Air, also ohne Zugangsbeschränkungen. Unter diesen Voraussetzungen kommt die Technik kaum in Frage.

Beispielsweise sind schon die Netzplanungen zu verschieden. Der Mobilfunk arbeitet überwiegend nach dem Best-Effort-Prinzip, verschickt also die Daten mit den besten Wünschen und kümmert sich nicht weiter, ob und innerhalb welcher Fristen sie ankommen, ob mit oder ohne Ruckler. Die TV-Ausbreitung hingegen sieht einen einzigen Dienst vor und setzt dafür auf eine feste Servicequalität, die unter normalen Bedingungen gewährleistet, dass das Signal umgehend beim Empfänger ankommt.

Erste Erfahrungen mit LTE-Broadcasting hat der französische Betreiber Orange während des Tennis-Turniers French Open in Paris gesammelt. Zuschauer in einem Stadion konnten auf ihren Smartphones auf den Verlauf der parallel in anderen Stadien ausgetragenen Duelle schielen. Telstra hatte sich hingegen in einem eigenen Test lediglich die Wiederholung von Treffen bei einem Cricket-Spiel als Ziel gesetzt.

Für Netzbetreiber wird die Videoübertragung über eMBMS dann sinnvoll, wenn das Mobilfunknetz durch massenhafte Video-Übertragungen überlastet wird. Typische Szenarien sind große Sportveranstaltungen, bei denen tausende Menschen auf kleinem Raum die gleichen Inhalte (noch einmal) betrachten wollen. Sportfans sind wohl auch bereit, für solche Dienste etwas zu zahlen. Und Bezahldienste sehen Netzbetreiber zurzeit als Voraussetzung für eMBMS an, denn die Bandbreite dafür muss ja vom konventionellen LTE-Netz abgezwackt werden. Die nächsten konkreten Erfahrungen mit eMBMS will nun der US-amerikanische Provider Verizon bei der Übertragung des Superbowl 2014 sammeln.

Neben Sportveranstaltungen gab es noch Ideen, eMagazine oder überhaupt größere Datenmengen an Geräte außerhalb von Stoßzeiten über eMBMS zu verschicken. Vorstellbar ist beispielsweise das automatisierte parallele Auslieferern eines Betriebssystem-Updates an viele Teilnehmergeräte gleichzeitig. Vor allem bei fortgeschrittenen Nutzern, die sich die Update-Verwaltung ihres privaten Geräts aus Prinzip nicht aus der Hand nehmen lassen wollen, dürfte das aber auf wenig Gegenliebe stoßen. (dz)