Selbstgemacht: Belichtung manuell messen

Auch die raffinierteste Automatik fällt manchmal auf die Nase, wenn die Lichtsituation vom Üblichen abweicht. Dann hilft nur der manuelle Eingriff mit dem Belichtungsmesser – der, weil eingebaut, bei Spiegelreflexkameras kostenlos mitgeliefert wird.

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Lesezeit: 20 Min.
Von
  • Johannes Leckebusch
Inhaltsverzeichnis

Hand-Belichtungsmesser auf einer Graukarte

Das Grundwissen über die korrekte Belichtung können Sie – zumindest teilweise – auch beim Umgang mit voll- oder halbautomatischen Belichtungsprogrammen nutzen. Die Themen der drei ersten Kapitel – Wechselspiel: Zeit und Blende, Von Brennweiten und Formaten sowie Belichtungshelfer: Histogramme richtig anwenden – betrafen ausschließlich die Aufnahmetechnik, an den entsprechenden Einflüssen auf das Foto läßt sich im Nachhinein nichts Grundsätzliches mehr ändern. Auch wenn man durch selektives Schärfen oder das Wegrechnen von Bewegungsunschärfe noch ein wenig daran manipulieren kann, von Montagen aus mehreren Fotos einmal abgesehen.

Mit der Belichtung betreten wir einen Zwischenbereich. Sie bestimmt durch die korrekte Kombination von Parametern wie Zeit, Blende und eingestellter Empfindlichkeit bei der Aufnahme, dass ein Foto nicht zu hell und nicht zu dunkel ausfällt, und dass insbesondere in den Lichtern und Schatten ausreichend Zeichnung vorhanden ist, soweit diese Bereiche "bildwichtig" sind. Der Bildeindruck, insbesondere der Mitteltöne, kann aber in relativ großem Umfang noch bei der Nachbearbeitung beeinflusst werden. Es kann zum Beispiel sein, dass eine Belichtung, die zu einer schönen Durchzeichnung des Himmels führt, die Landschaft im Vordergrund zu düster wiedergibt, was sich meistens gut nach der Aufnahme korrigieren läßt. Diese und die nächste Folge (Lieber RAW – Rohkost für Feinschmecker) handeln also von "Belichtung und Entwicklung" – oder, um es etwas "digitalgerechter" zu formulieren, von "Belichtung und Ausarbeitung" eines Fotos.

Ganz zu Anfang des Zeitalters der Fotografie war die richtige Belichtung eine Sache von Versuch, Irrtum und Erfahrung. Später gab es "Belichtungsmesser", also Geräte, mit denen man die Beleuchtungssituation eines Motivs messen und in die für die Belichtung in der Kamera erforderlichen Parameter umrechnen konnte. Siehe den Lunasix-Belichtungsmesser von Gossen im Hintergrund der Grafik. Dazu musste man den gemessenen Wert (Zeigerausschlag 17 im Bild, entsprechend 11.000 Lux) auf zueinander verstellbaren Skalen zusammen mit der Empfindlichkeit des eingelegten Filmes (DIN oder ASA, letzteres entspricht zahlenmäßig den heutigen ISO-Angaben) einstellen. Dann konnte man eine Anzahl von zueinander passenden Zeit- und Blendenkombinationen ablesen und eine davon an der Kamera einstellen. Im Bild bei ISO 100 beispielsweise Blende 8 bei 1/60 oder Blende 5,6 bei 1/125.

Früher war nicht alles besser: Der Tageslichtfilm hat im Kerzenlicht trotz Filterung nur braun-rötliche Farbtöne übrigbehalten. Die Belichtungsmessung erfolgte damals mit einem Handbelichtungsmesser und richtete sich nach dem Gesicht.

Mit Belichtungsmessern kann man entweder das aus Richtung der Aufnahme (also von da, wo die Kamera steht) einfallende Licht messen: Für die sogenannte Lichtmessung ist die weiße Messkalotte (Halbkugel) zuständig, die Sie links im obigen Bild in der Mitte der Vorderfront des Belichtungsmessers sehen. Man misst dabei vom Motiv aus in Richtung Kamera. Um eine Objektmessung auszuführen, schiebt man die Kalotte beiseite und misst von der Kamera aus in Richtung Motiv – eventuell auch ganz aus der Nähe gezielt auf verschiedene Motivteile, um deren Helligkeit im einzelnen zu erfassen. Der Lichtmessung entspricht es auch, wenn man eine Graukarte anmisst, die man vorübergehend im Motivbereich platziert – das geht auch mit dem Belichtungsmesser in der Kamera. Als theoretisches und praktisches Hilfsmittel zur Bewältigung der belichtungstechnischen Probleme ist besonders das Zonensystem (meist mit Ansel Adams in Verbindung gebracht) bekannt.

Schließlich wurden Belichtungsmesser in die Kameras eingebaut: Zunächst musste man den Ausschlag eines Zeigers mit einer Kelle zur Deckung bringen, indem man an verschiedenen Einstellern die Filmempfinglichkeit (an der Kamera), die Zeit (wiederum an der Kamera) und die Blende (am Objektiv) über entsprechende Drehringe einstellte. Im Laufe der Zeit lernten die Kameras dann immer mehr, automatisch die "richtige" Belichtung zu ermitteln und sich selbst entsprechend einzustellen. Heute sind die in einer digitalen Spiegelreflexkamera vorhandenen Werkzeuge zur "Belichtungsmessung durch das Objektiv" (TTL-Messung oder through the lens) nahezu perfekt. Besonders präzise ist die Spotmessung (siehe weiter unten) und das auf dem Kameradisplay neben der erfolgten Aufnahme angezeigte Histogramm: Es gibt Luminanzhistogramme, die nur die Helligkeit wiedergeben, Farbhistogramme, welche die Intensität der drei Farbkomponenten R(ot), G(rün) und B(lau) darstellen, und kanalweise Histogramme, die nur die Werteverteilung in einem Kanal anzeigen. Einige Kameras zeigen sogar schon vor der Aufnahme bei eingeschalteter Livebildvorschau ein eingeblendetes Histogramm, so ähnlich wie in den Fotomontagen in diesem Artikel. Dazu kommt eine simple Skala, die Unter- oder Überbelichtung in Blendenstufen anzeigt.

Die Beispiele in Histogramme richtig deuten veranschaulichen, was die Histogramme aussagen, die moderne Kameras wahlweise nach der Aufnahme anzeigen. Manche DSLRs stellen sogar schon vor der Aufnahme ein Histogramm dar, das in die Live-Preview eingeblendet wird – also in die Vorschau vor der eigentlichen Aufnahme. Experimentieren Sie mit den Histogrammen! Versetzte, aber in der Form gleichartige Rot-, Grün- und Blau-Zacken in RGB-Histogrammen deuten auf farbige Flächen hin – wie beispielsweise bei dem blassblauen Himmel in den Aufnahmen vom Tegernsee zu Beginn des letzten Beitrags oder auf einen nicht neutralen Weißabgleich wie in den Nebelaufnahmen. Nutzen Sie bei der Aufnahme vor allem den rechten Bereich des Histogramms (also die Lichter) gut aus, möglichst aber ohne "Anschneiden" der Werte. Links, in den Schatten, dürfen sie eher Luft lassen (freie Bereiche) oder auch ein Anschneiden der "Histogrammhügel" in Kauf nehmen.