Wikimania: Die Wikipedia als soziale Maschine

Bei der Jahreskonferenz der Wikipedia-Community geht es um die Frage: Wie kann die Online-Enzyklopädie fit gemacht werden für das nächste Jahrzehnt?

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Von
  • Torsten Kleinz
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Auf der jährlichen Wikipedia-Konferenz in London debattieren rund 2000 Wikipedianer über die Zukunft ihrer Bewegung. Die steht einmal wieder an einem Wendepunkt: Bei sinkenden Autorenzahlen und einer stagnierenden Leserschaft muss sich das Projekt mit der eigenen Zukunft beschäftigen. Große Hoffnungen weckt die Wissens-Datenbank Wikidata – aber auch der Umbau der Wikipedia für das mobile Internet.

Lila Tretikov, Wikipedia-Chefin seit Mai 2014: "Wie schaffen wir es, dass die Arbeit in Wikipedia jedem Spaß macht?"

(Bild: Lane Hartwell, Wikimedia Foundation (CC BY-SA 3.0))

Die Konferenz ist auch der erste große Auftritt von Lila Tretikov, die die Wikimedia Foundation seit Juni führt. Sie sieht vor allem die englische Wikipedia an einem Wendepunkt, da sie bereits den Markt für enzyklopädisches Wissen beherrsche: "Wenn man Erfolg hat, ist das größte Risiko nichts zu tun." Die größte Herausforderung für sie ist der Wandel des Internets zu mobilen Angeboten. So prognostizierte sie ein Sterben der klassischen Webseiten.

Gerade in Entwicklungsländern überspringen viele Nutzer den klassischen PC und lernen das Internet mit Hilfe mobiler Geräte kennen. Diese neuen Nutzer will Tretikov verstärkt einbinden – nicht nur als Leser, sondern auch als Autoren. Mit technischen Weiterentwicklungen sei es jedoch nicht getan: "Die Frage ist auch: Wie schaffen wir es, dass die Arbeit in Wikipedia jedem Spaß macht?"

So erfolgreich die Wikipedia-Community in der Vergangenheit auch gewesen sei, sie sei nicht unschlagbar. Tretikov plädiert für eine radikale Vereinfachung der Bedienoberfläche und der Wikipedia zu Grunde liegenden Technik. Dies ist eine Herkulesaufgabe: So entwickelten Wikimedia-Entwickler über Jahre an den Unzulänglichkeiten der von Wikipedia verwendeten Auszeichnungssprache Wikitext vorbei.

Nigel Shadbolt, Professor für Künstliche Intelligenz an der Universität Southampton, sieht Nachrufe für Wikipedia als Community verfrüht. Eine Analyse der Diskussionsaktivitäten und der Vernetzung innerhalb der verschiedenen Projekte habe gezeigt: "Dies ist keine Community auf dem absteigenden Ast".

Wichtig für den Erfolg der Wikipedia sei auch die Koexistenz mit anderen Projekten. In einem gemeinsamen Forschungsprojekt untersuchen Wissenschaftler mehrerer britischer Universitäten die Funktionsweise von solchen "sozialen Maschinen" wie Wikipedia, Twitter oder auch 4chan, um zu analysieren, wie solche Projekte wachsen und was die Mitglieder motiviert. Von den Ergebnissen dieser Forschungen könnte auch Wikipedia profitieren.

Unterdessen versucht die Wikimedia Foundation unter anderem mit dem Projekt Wikipedia Zero den kostenlosen Zugang in Entwicklungsländern zu fördern. Bereits heute haben Mobilfunk-Provider in 29 Ländern den Zugang zur Online-Enzyklopädie ohne Datenübertragungskosten freigeschaltet. Potenziell können so 350 Millionen Menschen kostenfrei auf die Wikipedia zugreifen. Hinzu kommen noch die Nutzer in der Initiative internet.org, die ebenfalls Wikipedia in das eigene Kostenlos- Angebot integriert.

Kritik, dass Wikipedia Zero der Netzneutralität widerspreche, weist die Wikimedia Foundation zurück. Auf der Wikimania sagte Patricio Lorente, Mitglied des Boards der Foundation: "Wir sehen den Zugang zu Informationen als grundlegendes Menschenrecht. Wenn die Netzneutralität uns daran hindert, Menschenrechte zu unterstützen, muss man das Konzept von Netzneutralität ändern." Im eigenen Blog hat die Wikimedia Foundation zum Dialog zum Thema aufgerufen. (ola)