OLG Köln: Provider nicht zu Netzsperren gegen widerrechtliche Angebote verpflichtet

Unternehmen der Musikindustrie wollten vor dem OLG Köln erreichen, dass ein Provider den Abruf von Musikalben über eine Website mit eDonkey-Links unterbindet. Das Gericht folgte ihnen nicht.

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Von
  • Joerg Heidrich
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Access-Provider sind nicht dazu verpflichtet, Netzsperren für Angebote einzurichten, die Links auf widerrechtlich angebotene Musikalben enthalten. Dies entschied das OLG Köln mit einem heise online vorliegendem Urteil vom 18. Juni 2014 (Az. 6 U 192/11).

Geklagt hatten vier Unternehmen der Musikindustrie. Diese wollten einem Access-Provider durch verschiedene Anträge verbieten lassen, Kunden den Abruf von sechs Musikalben über eine Website mit eDonkey-Links zu ermöglichen. Wie schon das Landgericht Köln in der Vorinstanz entschied auch das OLG Köln in einem ausführlich begründeten 92-seitigen Urteil gegen die Musikindustrie und wies die Berufung zurück.

Grundsätzlich ist es nach Ansicht des OLG Köln zwar möglich, dass auch reine Zugangsvermittler wie die Beklagte nach den Grundsätzen der Störerhaftung in Anspruch genommen werden. Dies habe auch der Europäische Gerichtshof in einer Entscheidung bestätigt. Eine Haftung des Anbieters als eigentlicher Täter oder Teilnehmer einer Urheberrechtsverletzung scheide hier zwar aus. Da die Leistung der Beklagten mitursächlich dafür sei, die Rechte der Kläger zu verletzen, wäre eine Inanspruchnahme des Zugangsdiensteanbieters jedoch denkbar.

Von entscheidender Bedeutung für eine Haftung des Providers sei dabei die Frage, ob dieser überhaupt irgendeine Technik besitzt, deren Einsatz ihm zumutbar ist. Auszuschließen seien dabei grundsätzlich Vorkehrungen, die den Zugangsdiensteanbieter dazu zwingen, den gesamten Datenverkehr seiner Kunden aktiv zu überwachen, um künftigen Rechtsverletzungen vorzubeugen. So habe der EuGH in einem Urteil aus dem Jahr 2012 festgestellt, dass es europarechtlich unzulässig ist, auf Provider-Ebene ein Filtersystem anzuordnen, mit dem Urheberrechtsverletzungen unterbunden werden.

Bei den möglichen technischen Vorkehrungen müsse zudem zwischen dem Recht am geistigen Eigentum einerseits und den unternehmerischen Freiheiten der Provider sowie der Informationsfreiheit der Internetnutzer auf der anderen Seite abgewogen werden. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die von der Musikindustrie benannten Webseiten ausschließlich Links enthalten, nicht aber die Inhalte selbst anbieten.

Weiterhin sei es erheblich, dass die Beklagte als Access-Provider ein legitimes und für die Gesellschaft wichtiges Geschäftsmodell betreibe. Die Gerichtsverhandlung habe ergeben, dass "DNS-Sperren, IP-Adressen-Sperren sowie die Blockade einzelner URL beziehungsweise Links" die einzigen Möglichkeiten seien, mit denen der Provider die beanstandeten Rechtsverletzungen unterbinden kann. Die Klägerinnen hätten aber nicht darlegen können, dass gerade diese Maßnahmen für die Beklagte zumutbar sind. So würde die von der Musikindustrie präferierte DNS- und IP-Adressen-Sperre zu einem Overblocking führen. Zwar würde der Zugriff auf die sechs benannten Musikalben gesperrt, aber darüber hinaus auch der Zugriff auf 100.000 andere Dateien, einem Meinungsforum und Werbung von Drittanbietern verwehrt.

Zudem seien diese Techniken nur wenig effektiv und leicht zu umgehen. Dies ergebe sich auch aus den Erfahrungen aus anderen europäischen Staaten. Abzuwägen seien auch die wirtschaftlichen Belange des Providers, in dessen unternehmerische Freiheit der Betrieb von Sperrsystemen eingreife. Die dabei entstehenden finanziellen und technischen Belastungen dienten nicht dem Gemeinwohl, sondern ausschließlich dem Nutzen der Musikindustrie.

Mit vergleichsweise geringeren Belastungen sei eine DNS-Sperre verbunden, eine IP-Adressen-Sperre dagegen mit erheblichem Aufwand. Dagegen hätten die Klägerinnen nicht dargelegt, welche konkreten wirtschaftlichen Vorteile sie durch die Sperren erzielen würden und in welchem Verhältnis diese zu den Nachteilen des Providers stünden.

Rechtsanwältin Britta Heymann, die mit ihren Kollegen den Provider vertreten hatte, begrüßte gegenüber heise online das Urteil. Das Gericht habe erfreulich deutlich bestätigt, dass kein Anspruch gegen einen Access-Provider besteht, Sperren für Drittseiten einzurichten. Dies gelte umso mehr, als gerade der österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) in einem vergleichbaren Verfahren derartige Websperren angeordnet hatte. Im Gegensatz dazu hätte das Gericht in Köln vor allem den überaus wichtigen Aspekt des Overblocking ebenso berücksichtigt wie eine Kosten-Nutzen-Betrachtung zwischen Provider und Musikindustrie.

Voraussichtlich wird diese Sache noch den Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigen. Im Hinblick auf die vom BGH noch nicht entschiedenen Fragen nach der Haftung eines Access-Providers ließ das OLG Köln die Revision zum BGH zu. (anw)