Gamescom: Mehr Spieleentwickler braucht das Land

Nicht nur die Standorte konkurrieren um Spiele-Entwickler, auch neue Branchen wollen das Know-How der Fachkräfte. Ein Kreditprogramm soll Entwickler in den Westen locken.

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Von
  • Torsten Kleinz
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War der Gamescom-Congress in den vergangenen Jahren von der Frage geprägt, inwieweit Spiele Kulturtechnik oder schädlich seien, wurde er in diesem Jahr vom Konkurrenzkampf um die Firmen bestimmt. Nicht nur die derzeit wieder steigenden Gewinne wecken Begehrlichkeiten, auch das Know-how der Spiele-Entwickler.

NRW-Medienministerin Angelica Schwall-Düren (SPD) hob die Bedeutung der Branche gerade für die mittelständische Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen hervor. "Vieles spricht dafür, dass Games sich in vielen Bereich wiederfinden werden", sagte die Ministerin. So seien Lernprogramme zur betrieblichen Weiterbildung gefragt und auch die Gesundheitswirtschaft versuche durch Gamifizierung neue Therapien zu entwickeln.

Die gesamtwirtschaftlichen Effekte der Spieleindustrie gehen laut Bruno Gransche weit über die Anzahl der Arbeitsplätze hinaus.

(Bild: Torsten Kleinz/heise online)

Doch eine eigenständige Spiele-Industrie nutze der einheimischen Wirtschaft auf vielen Wegen, wie Bruno Gransche vom Fraunhofer Institut für System- und Informationsforschung betonte, der im Auftrag der Bundesregierung die gesamtgesellschaftlichen Effekte der Kultur- und Kreativwirtschaft untersucht. Sein etwas enthusiastisches Fazit: "Games sind Mana für die Gesellschaft." Die Spieleentwickler sorgten nicht nur in der eigenen Branche für Arbeitsplätze, sondern führten neue Techniken ein, die dann auch in anderen Bereichen neue Anwendungen finden.

Spieleentwickler werden zum Beispiel gebraucht, um neue Bedienoberflächen für durchautomatisierte Fertigungsmaschinen zu entwickeln. "Viele unserer Kunden kommen aus dem klassischen Industriebereich", schilderte Jörg Niesenhaus vom Saarbrücker Spezialisten Centrigade. So habe sein Unternehmen für einen Fertigungsbereich ein System entwickelt, bei dem Aufseher entweder sofort eine Pause einlegen können oder den Computer einen geeigneteren Zeitpunkt vorschlagen lassen können. Wer flexibler ist, wird mit einer längeren Pause belohnt, während die Auslastung der Maschinen steigt.

Doch Entwickler und Unternehmer fallen nicht vom Himmel. So versuchen viele Staaten wie Kanada durch Steuernachlässe die lukrativen Firmen anzulocken – mit gemischten Ergebnissen, wie Jason Della Rocca, Mitgründer des kanadischen Spiele-Entwickler-Clusters Execution Labs betonte. "Als das Programm gestartet wurde, gab es schlicht kaum Firmen, die die Steuererleichterungen beantragen konnten." Wenn Branchenschwergewichte wie Ubisoft einen Standort eröffneten, gewinne der jeweilige Standort zwar begehrte Arbeitsplätze – die Gewinne und das Eigentum an den Spielideen wanderten jedoch ins Ausland.

Trotz der Gamescom und einem zunehmend auf Spieleentwickler spezialisiertes Förderprogramm hat es der Standort am Rhein nicht einfach, Spieleentwickler anzusiedeln und zu halten. So berichtete Thomas Friedmann, Geschäftsführer des Oberhausener Spiele-Entwicklers Funatics, dass er schon mehrere Mitarbeiter an den Standort Berlin verloren habe. Zudem werde der Marktzugang wieder schwerer. Zwar haben auch kleine Entwickler Chancen, ohne große Investitionen in Top Ten der App-Stores zu kommen und so Geld zu verdienen. "Aber das wird immer seltener." Zudem sei die Grafikqualität der Tablets und Smartphones so angestiegen, dass die Entwicklungskosten für ein konkurrenzfähiges Spiel stark anstiegen.

Das Ergebnis einer solchen Entwicklung sehen manche düster: "Spieleentwickler sind moderne Sklaven der Publisher", schilderte Werner Kindsmüller von der NRW Bank das Problem drastisch. So seien viele Entwicklerstudios auf einen Publisher angewiesen, der seine Zahlungen von heute auf morgen stoppen könne. Deshalb will die nordrhein-westfälische Förderbank im Oktober ein neues Kreditprogramm auflegen, das erteilte Aufträge in der Spielebranche auch ohne klassische Sicherheiten vorfinanziert. "Intellectual Property ist normalerweise kein Geschäftsmodell für Banken", sagte Kindsmüller. Stattdessen verlangten diese Sicherheiten wie Immobilien oder auf Jahre gefüllte Auftragsbücher. Bei einem neu gegründeten Spieleentwickler sei das jedoch unrealistisch. "Wir sind uns bewusst, dass damit hohe Risiken verbunden sind – eine private Bank würde das eher nicht machen", sagte Kindsmüller. (anw)