Interview über Konfliktmetalle: Gold ist das Hauptproblem

Die Elektronikindustrie verbannt Konfliktmetalle aus Afrika aus ihren Lieferketten. Das wird den Krieg im Kongo aber nicht beenden, denn der Goldschmuggel lässt sich kaum verhindern, erklärt die Rohstoffexpertin Gudrun Franken.

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Gudrun Franken leitet den Bereich "Bergbau und Nachhaltigkeit" bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Die promovierte Geoökologin berät Entwicklungsländer bei der Zertifizierung von Rohstoff-Lieferketten und der Verbesserung von sozialen und ökologischen Bedingungen.

c't: Frau Franken, wie viele Minen gibt es in der Konfliktregion im Ostkongo und in Ruanda überhaupt?

Gudrun Franken: In Ruanda gibt es rund 250 Abbaue, im Osten des Kongo sprechen wir da schon von über tausend.

c't: Sie waren mehr als ein Dutzend Mal in Ruanda. Wie müssen wir uns die Bedingungen in den Minen vorstellen?

Franken: Sehr unterschiedlich. Es gibt relativ gut organisierte Betriebe mit mehreren tausend Kleinbergleuten. Einige arbeiten mit Baggern, Aufbereitungsanlagen und professionellen Sprengungen. Es gibt aber auch weniger gut organisierte Gruppen und Kooperativen, die mit Spitzhacke und Schaufel arbeiten. Im Osten des Kongo gibt es besonders viele dieser Schürfer.

c't: Wie gefährlich ist die Arbeit?

Franken: Gefährdet sind die Arbeiter vor allem durch Steinfall unter Tage und Einsturz von Teilen des Grubengebäudes sowie durch schlechte Luftzufuhr, die zu Sauerstoffmangel führt, aber auch durch ungesicherte Schächte.

Über Tage sind bei der Aufbereitung auch teilweise Kinder tätig, die ihre Familien so mit versorgen. Eine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen muss daher, neben der ganzen Diskussion um die Konfliktfinanzierung, auch ein Ziel der Bemühungen um verantwortungsvolle Rohstoffgewinnung sein.

Arbeiter in einer kongolesischen Zinn-Mine, die als konfliktfrei zertifiziert ist.

(Bild: Fairphone, CC BY-NC-SA)

c't: Konfliktfinanzierung heißt, dass bewaffnete Milizen die Gewinne der Minen abgreifen. Haben Sie einen Überblick, bei wie vielen Minen das passiert?

Franken: Das IPIS-Institut hat in seinem diesjährigen Bericht fast 800 Abbaue in den Ostprovinzen des Kongo referenziert. Nach diesen Angaben werden 410 Abbaue von bewaffneten Milizen oder der kongolesische Armee (FARDC) illegal besteuert. Der Einfluss ist in den jeweiligen Provinzen unterschiedlich und kann sich sehr schnell ändern. Generell sind die Milizen in den Provinzen Nord- und Südkivu konzentriert, die illegale Besteuerung der FARDC findet demgegenüber insbesondere auch in Katanga statt, während die Provinz Maniema fast frei ist.

c't: Nun werben Hersteller wie Intel und Fairphone mit "Konfliktfreiheit". Heißt das, die Firmen beziehen ihre Metalle jetzt vorsichtshalber gar nicht mehr aus dem Kongo und Ruanda?

Franken: In der Region werden weiterhin die Erze der Konfliktminerale Zinn, Tantal, Wolfram und Gold abgebaut und auch exportiert. Unternehmensinitiativen haben inzwischen Systeme zur Überprüfung und Nachverfolgbarkeit der Lieferketten in Ruanda, Burundi und einigen Provinzen der DR Kongo gemeinsam mit den staatlichen Stellen eingeführt. Aus diesen zertifizierten Minen stammen auch das Zinn und das Tantal im Fairphone.

Eine interaktive Karte des IPIS-Institutes zeigt Minen im Ostkongo.

(Bild: IPIS )

c't: Nutzen außer Fairphone auch große Hersteller noch Zinn und Tantal aus der Region?

Franken: Das von der Initiative des Zinnverbands gekennzeichnete Zinn der Region wird zum Beispiel nach Malaysia exportiert. So gelangt es in die weltweiten Lieferketten. Da es zusammen mit Zinn aus anderen Regionen zu Zinnbarren verarbeitet wird, kann das Zinn der Region als solches physisch nicht mehr bis zum Endprodukthersteller nachverfolgt werden.

c't: Wie vertrauenswürdig sind solche Zertifikate für konfliktfreie Rohstoffe?

Franken: Die Lage vor Ort ist sehr differenziert. Während es auf der einen Seite auch gut kontrollierte und geführte Betriebe gibt, die eine Nachverfolgbarkeit und die Einhaltung von Standards gut belegen können, gibt es auf der anderen Seite auch Zertifikate für Exporte aus der DR Kongo, die Fragen in der Dokumentation ihrer Lieferkette offen lassen.

c't: In welcher dieser beiden Gruppen sehen Sie die Fairphone-Minen?

Franken: Das Zinn im Fairphone stammte aus Nyabibwe (Süd-Kivu) und das Tantal aus Mayi Baridi (Katanga). Beide Abbaue sind intensiv durch Audits geprüft und es liegen umfangreiche Dokumentationen zur Nachverfolgbarkeit und der Prüfung von Standards vor.

c't: Wer hat die Zertifizierung organisiert und wer überwacht den Ablauf?

Franken: Die jeweiligen Länder überwachen die Betriebe und stellen die Zertifikate aus. Die überregionale Organisation ICGRL in Burundi soll die Zertifikaterstellung durch die Länder kontrollieren. Dieser Überwachungsmechanismus ist aber noch nicht aufgebaut. Zusätzlich haben die Teilnehmer an der iTSCi-Initiative ihre eigenen Kontrollen.

Förderung von Wolframerzen im handwerklichen Bergbau.

(Bild: BGR)

c't: Und wer bezahlt den Extra-Aufwand?

Franken: Die zusätzlichen Kosten tragen derzeit die Produzenten in der Region, meist kleine Betriebe oder auch Kooperativen. Die Länder stellen Inspekteure ein, die die Säcke mit den Erzen versiegeln. Nach einer Studie der BGR macht dieser Mehraufwand beispielsweise für den Export von Zinn aus Ruanda rund 4 Prozent des Marktpreises aus. Das klingt erst einmal wenig, ist aber sehr viel, wenn es von den lokalen Produzenten und Behörden getragen wird. Wir sprechen hier schließlich von Entwicklungsländern.

c't: Welche Rolle spielt die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe?

Franken: Die BGR hilft den Behörden in der DR Kongo, in Ruanda und Burundi, die Regulierung des Bergbausektors aufzubauen. Dazu gehört Ausbildung zu Fragen des Bergbaus, wie Inspektionen durchgeführt werden oder welche Anforderungen für eine Zertifizierung gelten.

In der DR Kongo beraten wir auch zu der Frage, wie Kooperativen einen Geschäftsplan aufstellen können, damit sie Geld zur Verbesserung ihrer Bergbaupraxis von Investoren erhalten können. Dies ist ja eine wesentliche Voraussetzung für Sicherheitsmaßnahmen, zum Beispiel Sauerstoffmessgeräte für die Arbeit unter Tage. Die Überprüfung von Umwelt- und Sozialstandards ist immer Teil der Inspektionen und Audits, die die BGR unterstützt.

c't: Welche Motivation steckt dahinter? Entwicklungszusammenarbeit oder auch die Rohstoffsicherheit für die deutsche Industrie?

Franken: Die Projekte sind aus der Entwicklungszusammenarbeit finanziert. Das Ziel ist, die Entwicklung der Länder zu fördern. Es gibt nur sehr wenige deutsche Unternehmen, die im Bergbau tätig sind oder direkt diese Rohstoffe beziehen. Der Großteil wird erst einmal nach Asien exportiert.

Weiter hinten in der Lieferkette verlangen aber vor allem westliche Firmen Nachweise für Konfliktfreiheit. Deshalb stellt der Aufbau dieser Systeme sicher, dass die lokalen Produzenten an den Weltmarkt liefern können. Das kommt dann indirekt der deutschen verarbeitenden Industrie zugute.

Minenarbeiter in der kongolesischen Provinz Katanga.

(Bild: Fairphone, CC BY-NC-SA)

c't: Neben Zinn und Tantal gelten auch Wolfram und Gold als Konfliktmineralien. Wie ist die Lage bei diesen?

Franken: Wolfram aus Zentralafrika spielt fast keine Rolle für den Weltmarkt. Nur rund 1 Prozent der weltweiten Produktion kommt von dort. Der Markt ist von China dominiert. Insofern war es nicht verwunderlich, dass die Abnehmer von Wolfram die Region zunächst komplett gemieden haben. Langsam findet hier derzeit ein Umdenken statt.

Gold aus der Region ist für den weltweiten Handel ebenfalls unbedeutend. Für die Finanzierung der bewaffneten Gruppen ist es aber von den vier Rohstoffen der mit Abstand wichtigste. Gold hat einen hohen Wert und lässt sich leicht schmuggeln. Die UN-Expertengruppe für den Kongo geht davon aus, dass rund 98 Prozent des im Kleinbergbau produzierten Goldes in der DR Kongo außer Landes geschmuggelt werden. Es gibt noch kein Nachverfolgungssystem.

c't: Warum lassen sich die Wege des Goldes so schwer nachvollziehen?

Franken: Die Erze von Zinn, Tantal und Wolfram werden in großen Mengen in Containern exportiert. Gold nur in geringen Mengen, die leicht versteckt werden können. Es kann auch leicht eingeschmolzen und getarnt als Schmuck exportiert werden. Die anderen Erze können auch aufgrund ihrer chemischen und mineralogischen Beschaffenheit hinsichtlich ihrer Herkunft unterschieden werden. Das ist bei Gold nicht machbar.

Arbeiter waschen Zinnerz.

(Bild: Fairphone, CC BY-NC-SA)

c't: Heißt das, in Schmuck, Elektronikprodukten und so weiter kann geschmuggeltes Gold aus dem Kongo stecken, obwohl die Hersteller mit Konfliktfreiheit werben?

Franken: Natürlich können Unternehmen, die Gold ankaufen, die Plausibilität von Angaben prüfen, entsprechende Managementsysteme können Lieferketten transparenter machen und Risiken erkennen. Eine hundertprozentige Sicherheit ist jedoch aus den genannten Gründen kaum möglich.

c't: Die Umweltorganisation Friends of the Earth konzentriert sich zurzeit auf den Zinnabbau in Indonesien und attackiert heftig die Elektronikindustrie. Zurecht?

Franken: Die Probleme in Indonesien sind anders gelagert als im Kongo. Hier gibt es keinen bewaffneten Konflikt, der mit Rohstoffen finanziert wird, sondern hier ist das Problem vor allem die Umweltzerstörung durch den Kleinbergbau und die fehlende Renaturierung der zerstörten Flächen. Korruption und Illegalität, die auch in der DR Kongo ein Problem sind, kommen hinzu. (cwo)