Citizenfour: Edward Snowden ehrt Leipziger Montagsdemonstranten

Auf dem Leipziger Dokumentarfilm-Festival erhielt Laura Poitras für ihren Film über Edward Snowden, Glenn Greenwald & Co Standing Ovations. Noch beeindruckender war indes die Videoansprache von Snowden – extra zum Jubiläum des Mauerfalls.

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Edward Snowden ehrt Leipziger Montagsdemonstranten
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Laura Poitras (links) in Leipzig

(Bild: Detlef Borchers/heise online)

Vor dem allgemeinen Deutschlandstart am 6. November hatte Cititizenfour, der Dokumentarfilm über Edward Snowden seinen Auftritt auf dem Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm. Eigens für den Leipziger Auftritt gab es einen besonderen Einspieler: Mit einer eindringlichen Rede erinnerte Edward Snowden an die Montagsdemonstrationen von 1989, die in Leipzig ihren Anfang genommen hatten.

Im Film "Citizenfour" ist er ein schmaler, bleicher junger Mann, der nüchtern die Möglichkeiten der technischen Überwachung bilanziert und seine Mitstreiter schon mal neckt, wenn sie SD-Karten mit NSA-Dokumenten im Laptop vergessen. Gegenüber dem übergroßen Ego von Glenn Greenwald, das jeden Moment vor Stolz zu platzen droht, beharrt Snowden auf einer realistischen Sicht der Dinge: "Auch mediokre Typen werden euch erwischen, nicht nur die cleveren. Es ist alles eine Frage der Zeit." Umso beeindruckender geriet die Ansprache eines gereiften Edward Snowden vor dem Start des Snowden-Films im ausverkauften Kino. Er würdigte Leipzig und die friedliche Revolution:

"Die Ereignisse in Leipzig erinnern uns daran, dass Mauern nicht von Panzern und Armeen niedergerissen werden, sondern von ganz gewöhnlichen Menschen. Ganz gewöhnliche Menschen mit ganz gewöhnlichen Kräften sind jeden Montag aufgestanden und haben gegen das Regime und seine Geheimdienste demonstriert. Ein Volk, dass gegen seine Überwacher aufsteht, kann von keinem Geheimdienst gestoppt werden. Danke und genießt den Film."

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Nach einer derart aufgeladenen Startrunde wurden die Zuschauer von "Citizenfour" zunächst einmal mit Fakten versorgt, wie in den USA die Überwachung durch Geheimdienste nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ausgebaut wurde, ehe es schnurstracks zum Höhepunkt des Filmes geht: Die Szenen, in denen Snowden in einem Hotelzimmer in Hongkong über seine Motive redet, in denen er erfährt, wie die NSA seiner Freundin nachstellt und eins um andere Mal betont, dass es um die Aufklärung seines Landes geht und nicht um ihn, sie sind von einer Meisterin des Cinéma verité inszeniert. Ganz in weiß gehalten geht es um die dreckigsten Möglichkeiten: Lauscht das VoIP-System des Hotels vielleicht schon mit? Ist der Feueralarm eine Finte, um die Verschwörer aus dem Raum zu locken?

Diese Szenen werden mit dem Medienrummel konterkariert, den Greenwald, der Guardian und weitere Medien entfachen. Snowden bleibt dabei außen vor. Er wird erst aus diesem Kammerspiel entlassen, als er das Zimmer mit Einkaufstaschen voller Laptops verlässt, um bei der UN-Mission in Hongkong unterzukommen. Später zeigt ihn Poitras' Kamera aus der Distanz: Irgendwo in einer russischen Küche kocht Snowden mit seiner Freundin ein Abendessen. Zum Abschluss kommt Greenwalds Hinweis auf den zweiten Whistleblower, der inzwischen offenbar vom FBI enttarnt und damit wohl mundtot gemacht wurde. Umso wichtiger ist es, dass sich Snowden, wie in Leipzig passiert, mit seiner Stimme melden kann.

Nach dem Film erhielt die kurz zuvor aus New York eingeflogene Filmemacherin Poitras minutenlangen Beifall. In der Diskussion mit dem jugendlichen Publikum über die Möglichkeiten des Widerstandes gegen Überwacher gab sie sich zuversichtlich: "Encryption works" – "Verschlüsselung funktioniert". Furchtlos demonstrieren auf der Straße, wie man Glücklich ohne Überwachung ist, das geht auch.

(mho)