Gigabit-DSL: ITU klopft G.fast-Spezifikation fest

Netzbetreiber, die wie die Telekom auf die Glasfaser bis zum Heimnetz der Kunden verzichten und stattdessen auf Kupferleitungen setzen, können damit Kabelanbietern in absehbarer Zeit ähnlich schnelle Angebote entgegensetzen.

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Die International Telecommunication Union, ITU, hat die G.fast genannte Spezifikation für Gigabit-Geschwindigkeiten auf kurzen Kupferleitungen wie geplant abgesegnet. Das Standardisierungsgremium habe damit "die Nachfrage von Netzbetreibern und Providern nach einer kostengünstigen Komplementärtechnik für Glasfaseranschlüsse im Haus" beantwortet (Fiber-to-the-Home, FTTH), meldet die ITU.

G.fast kombiniere beides, Kupfer und Glasfaser in seinem FTTdp-Ansatz, also Fiber-to-the-Distribution-point. Dafür hat die ITU die Entwicklung zusammen mit dem Broadband Forum und dessen Projekt FTTdp system architecture koordiniert. So können die Netzbetreiber die Glasfaser bis auf rund 400 Meter zu den Kunden heranführen und überbrücken den Rest zu dessen Netz, indem sie die Daten mittels herkömmlicher DSL-Technik auf Kupfer weiterführen (1 GBit/s erreicht G.fast aber nur auf Strecken bis 100 Meter). Der Gewinn für Netzbetreiber liegt darin, dass sie die letzten Paar hundert Meter eben nicht für die Glasfaser aufgraben müssen und stattdessen bereits verlegte Kupferleitungen weiterhin verwenden können. Teilnehmern könnten Netzbetreiber dennoch Glasfaser-ähnliche Angebote, aber mit bekanntem DSL-Ansatz machen und beides zusammen würde Kosten sparen und die Kundenzufriedenheit erhöhen, setzt die ITU hinzu.

Manche Netzbetreiber haben die Glasfaser, die sie vor einigen Jahren noch vehement befürwortet haben, wie eine heisse Kartoffel fallengelassen, als die deutlich preisgünstigere VDSL-Technik am Horizont erschienen war. Glasfaserverfechter sind deshalb gegen jegliche Spezifikationen, die das Leben der Kupferleitung als Internet-Zugangsweg verlängern. Alcatel-Lucent und andere Unternehmen drehen die Logik jedoch um: G.fast schiebe den Glasfaserausbau nicht hinaus, sondern beschleunige ihn, weil es die erforderlichen Investitionssummen jetzt hereinbringe. Vor der VDSL-Ära waren diese freilich durchaus vorhanden.

(Bild: Lantiq)

Das Gremium zittiert seinen Generalsektreträr, Dr Hamadoun I. Touré, mit den Worten: “Die Zeit, die G.fast von der Genehmigung bis zum Einsatz benötigt, dürfte die bisher kürzeste überhaupt werden. Eine Reihe von Herstellern hat bereits G.fast-Chips im Lieferprogramm und Labor- sowie Feldversuche der Provider laufen bereits". Gemeint sind beispielsweise Sckipio und Lantiq sowie Broadcom, über deren erste Chip-Sätze heisenetze berichtete.

G.fast besteht genau besehen aus zwei Spezifikationen: G.9700 beschreibt, wie das Übertragungsverfahren Störungen anderer Dienste vermeidet, die im selben Bereich senden. Dazu gehört beispielsweise der UKW-Rundfunk. Dieser Teil steht bereits seit April fest. Den Physical Layer definiert der zweite Teil, G.9701. Den hat die ITU nun unter der Bezeichnung Fast Access to Subscriber Terminals (FAST) – Physical layer specification wie angekündigt ebenfalls festgeklopft.

Zu den Anwendungen, die von G.fast profitieren sollen, zählt die ITU allgemein "bandbreiten-intensive Dienste". Beispiele sind Ultra-HD-Streaming mit 4K oder 8K-Auflösungen, hochauflösendes IPTV, Cloud-basierte Speicher-Services, die HD-Video-Kommunikation, aber auch die Anbindung von WLAN-Hotspots und Mobilfunk-Basisstationen (Small Cells). Dabei werde G.fast abwärtskompatibel zu VDSL2 sein, sodass Netzbetreiber die Techniken in einem Kabelbündel mischen und Teilnehmer mit geringem Aufwand von einem Dienst zum anderen wechseln können.

Das Broadband Forum will nun in Zusammenarbeit mit der ITU die Kompatibilität der Geräte verschiedener Hersteller sicherstellen. Dafür will das Broadband Forum ein Zertifizierungsprogramm für Chip-Sätze und Geräte auflegen und die Bausteine mittels einer eigenen Test-Suite prüfen. Erste Überkreuztests (Plugfest) sollen bereits im Januar starten, die Zertifizierung dann Mitte 2015. Erste zertifizierte Geräte könnten vor Ende 2015 auf den Markt kommen.

Nachdem das Wichtigste unter Dach und Fach ist, wollen die Ingenieure, die in der ITU-T Study Group 15 zusammengeschlossen sind, nun an einigen Details der Spezifikation weitertüfteln. Dabei soll G.fast ein "extended set of features" erhalten, welches die Leistung weiter verbessert und die Anzahl der Stromspar-Modi erweitert. Diese Spezifikationen sind für den 3 Juli 2015 angekündigt.

Netzbetreiber, die wie die Telekom auf Glasfaser verzichten und stattdessen auf Kupferleitungen setzen, sind weltweit unter Druck, denn Kabelanschlüsse, teils aber auch LTE-Mobilfunnetze haben in den letzten Jahren der DSL-Technik konsequent das Wasser abgegraben – Kabelanbieter haben derzeit Tarifangebote mit Spitzenraten bis zu 200 MBit/s im Programm und peilen allmählich 400 MBit/s an, während LTE-Netze in Deutschland bis zu 150 MBit/s erreichen und in der nächsten Entwicklungsstufe diese Datenrate verdoppeln werden (erste Ausbaustufe der LTE-Advanced-Technik).

VDSL-Vectoring kommt hierzulande hingegen derzeit auf allenfalls 100 MBit/s. Von daher verwundert es nicht, dass die DSL-Branche, also Chip-Hersteller, DSLAM-, Router- und Netzbetreiber, die G.fast-Technik schnell aufnehmen will. Wie sich G.fast in diesem Umfeld etablieren könnte und welche Vor- und Nachteile es mitbringt, das beschreibt der heisenetze-Beitrag Gigabit-Internet auf der Telefonleitung: Was G.fast verspricht. (dz)