Besser als die Sonne

Neue Technologien erlauben es, Pflanzen durch maßgeschneidertes Kunstlicht besser wachsen zu lassen und sie leckerer und gesünder zu machen.

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Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler
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Neue Technologien erlauben es, Pflanzen durch maßgeschneidertes Kunstlicht besser wachsen zu lassen und sie leckerer und gesünder zu machen.

So sieht das Paradies für uns Menschen aus", sagt Gertjan Meeuws und projiziert ein idyllisches Südsee-Insel-Bild mit Palmen, türkisfarbenem Meer, hellem Sandstrand und strahlender Sonne an die Wand. Für Pflanzen sähe das Paradies allerdings etwas anders aus, fügt der Geschäftsführer des niederländischen Unternehmens PlantLab an und ruft das nächste Bild auf. Darauf sind die Palmen in violettes Licht getaucht. Das Bild soll verdeutlichen, was man mit bloßem Auge nicht sehen kann: Pflanzen wachsen und gedeihen vor allem durch rotes und blaues Licht, das zusammen eben violett aussieht.

Meeuws entwickelt hermetisch abgeschirmte Hightech-Gewächshäuser, in denen Computer jeder Pflanzenart ihr eigenes Paradies schaffen. In Meeuws' technischem Fachjargon heißt das etwas trocken "PlantOS". Das "Pflanzenbetriebssystem" versorgt die Gewächse nicht nur mit Nährstoffen, Wasser, CO2 und Wärme, sondern auch mit dem richtigen Licht. Eine passende Beleuchtung spornt Pflanzen an, schneller zu wachsen, mehr Ertrag zu produzieren und kann sie sogar schmackhafter und gesünder machen. Deshalb suchen Wissenschaftler weltweit nach sogenannten Lichtrezepten – dem optimalen Mix von Wellenlänge, Dauer, Intensität und anderen Faktoren –, um Salate, Tomaten, Gurken und Erdbeeren je nach Wachstumsphase passend zu belichten.

Früher holten Gemüse- und Obstproduzenten mit Kunstlicht das komplette sichtbare Spektrum ins Gewächshaus. Das ist aber sehr energieintensiv, da Blätter etwa die Grünanteile zum Teil ungenutzt wieder reflektieren. Rote und blaue LEDs dagegen versorgen die Pflanzen gezielter und damit energiesparender mit genau dem Licht, das sie auch nutzen können.

Die jüngsten Fortschritte in der LED-Entwicklung haben dem relativ jungen Gebiet der Lichtrezepte den entscheidenden Schub verliehen. Inzwischen hat es sich zu einem eigenen Geschäft entwickelt. Das Ziel sind Gewächshäuser mitten in den Städten, damit durch die kürzeren Transportwege nicht nur frischere, sondern auch klimafreundlichere Ware in die Läden kommt.

Am weitesten ist wohl der Biochemiker Hiroyuki Watanabe an der Universität Tamagawa. Seit Anfang der Neunziger optimiert er Salatköpfe mit Licht. Er erinnert sich noch, wie er sofort die ersten blauen LEDs kaufte, als sie 1994 endlich auf den Markt kamen, obwohl sie wahnsinnig teuer waren. Glücklicherweise fiel der Preis immer weiter, gleichzeitig wuchs ihre Lebensdauer – und seine Forschung im Future SciTech Lab der Universität gedieh. Ihre Früchte erntet er heute, denn seine vollautomatisierte Technik hat es auf den Markt geschafft. Das Bauunternehmen Nishimatsu Construction hat sie lizenziert und betreibt bereits eine Salatfabrik, die ihre Produktion gerade ausbaut.

Vereinfacht gesagt, lässt blaues Licht den Salat zwar weniger wachsen, sorgt aber für einen höheren Vitamin-A-Gehalt und mehr gesunde, entzündungshemmende Polyphenole. Rotes Licht bedeutet mehr Wachstum und mehr Süße. Violett mit starkem Rotanteil kurbelt die Nährstoffproduktion an. Inzwischen experimentieren Watanabe und sein Team auch mit anderen Gemüsesorten wie Tomaten. Aus ihnen hat er bereits mehr vom Radikalfänger Lycopen herausgekitzelt, der ihnen gleichzeitig ihre rote Farbe gibt. Auch das Tunen von Kartoffeln steht in der hermetisch abgeschirmten Versuchsanlage auf dem Programm.