E-Book-Boom an deutschen Bibliotheken

Es muss ja nicht gleich die papierlose Bibliothek sein, wie es sie in Texas gibt. Doch der Anteil an E-Books steigt nicht zuletzt in den Uni-Bibliotheken enorm. Gefragt sind vor allem Romane und Ratgeber.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 26 Kommentare lesen
E-Book-Boom an deutschen Bibliotheken
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • dpa

365 Tage im Jahr verfügbar, quasi kostenlos zu transferieren und extrem bequem – die Ausleihe von E-Books an den Bibliotheken in Baden-Württemberg boomt. Vor allem an Uni-Bibliotheken schnellen die Zahlen der online ausgeliehenen Texte nach oben, aber auch die öffentlichen Büchereien verleihen Romane oder Ratgeber immer öfter elektronisch, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. Das Aus für gedruckte Bücher steht dennoch nicht an – da sind sich die Experten einig.

Verglichen mit dem Gesamtbestand von 1,3 Millionen Titeln ist der Anteil von 13.200 elektronisch lesbaren Medien auf der Internet-Plattform "Onleihe" der Stadtbibliothek Stuttgart vergleichsweise gering. Jedoch wachsen Bestand, Ausleihe und Umsatz von Jahr zu Jahr, wie Bibliothekarin Ruth Wieczorek berichtet. Romane würden gern online entliehen, für die Urlaubsreise etwa. Aber auch bei Sachbüchern und Ratgebern sei der Trend zu beobachten. Angekauft werde, was zum Profil der Bibliothek passe. An eine schrittweise Verdrängung des klassischen Buches glaubt Wieczorek nicht – eher an ein Nebeneinander. "Beides ergänzt sich gut. Es wird noch lange bei einem Nebeneinander bleiben."

"Ein neues Medium verdrängt die anderen in der Regel nicht komplett, sondern übernimmt andere Funktionen", sagt Raimar Wiegand, Leiter der Bibliothek in Mosbach (Neckar-Odenwald-Kreis). Unter 147.000 Ausleihen seien im vergangenen Jahr 8000 E-Medien gewesen. "Ein Vorteil ist, dass es natürlich keinen Verschleiß gibt. Ein Nachteil liegt darin, dass die E-Medien nicht so lange entliehen und aus technischen Gründen nicht früher zurückgegeben werden können", sagte Wiegand. "Außerdem kommen die Menschen nicht mehr in unsere schönen Räume, wenn sie immer nur E-Books ausleihen."

Auch in Mannheim sind die Dateien für Reader, Tablet oder PC sehr gefragt. "Belletristik ist da am stärksten, aber auch das Sachbuch geht nicht schlecht", sagte der Leiter der Stadtbibliothek, Bernd Schmid-Ruhe. "Unser Problem ist eher das Angebot als die Nachfrage. Wir können nicht jedes beliebige E-Book verleihen, das wir verleihen möchten, sondern nur die, die uns von den Verlagen angeboten werden. Die möchten einfach das eigene Geschäft machen auf ihren Plattformen." Der Trend zu E-Publikationen in der Wissenschaft werde sich immer mehr auch auf Veröffentlichungen aus anderen Bereichen übertragen. Wer glaube, dass die Zukunft in den physischen Büchern liege, "der ist mit seiner Bibliothek dem Untergang geweiht."

Auch in Freiburg steigt die Akzeptanz von E-Books in der Stadtbibliothek stetig. In diesem Jahr sollen 35.000 Euro – 10.000 Euro mehr als im Vorjahr – für elektronische Medien ausgegeben werden. "Schade ist bei den E-Books, dass man nicht aus dem gesamten Büchersortiment auswählen kann, weil die Verlage nur für bestimmte Bücher Lizenzen für Bibliotheken erteilen", sagte ein Sprecher der Stadtbibliothek. Als Vorteil der E-Books für die Bücherei sieht er vor allem deren lange Haltbarkeit: "Egal wie oft die Bücher ausgeliehen werden, man sieht es ihnen nicht an." Von 270.000 Medien gibt es in der Bücherei rund 4400 E-Books und 38 elektronische Abos von Zeitungen oder Zeitschriften. Kurios: "Es sind vor allem Menschen zwischen 50 und 80, die bei uns die Vorteile der E-Books schätzen. Da geht es dann etwa um die Verstellung der Schriftgröße."

An der Uni-Bibliothek Konstanz ist vor allem der Zugriff auf wissenschaftliche Zeitschriften und Forschungsberichte ein großes Thema. Die Uni kauft die Rechte an den Publikationen, die Studierenden können auch daheim damit arbeiten – so Petra Hätscher, Direktorin des Kommunikations-, Informations- und Medienzentrums KIM. Zudem sei ein Titel mehrfach abrufbar. Niemand müsse warten, bis ein Vorgänger sein Exemplar zurückgegeben habe. Auch bei E-Books steige die Nachfrage. Schon deshalb, weil immer mehr Titel so erscheinen. Im Bestand sind 150.000 E-Books. Mit den lizenzfreien Angeboten komme man auf eine Million E-Titel. Im Printbereich liege man bei etwa 1,5 Millionen Titeln. "Die Entwicklung ist sehr schnell."

Auch in der Uni-Bibliothek Tübingen sind E-Books gefragt. "Die E-Book-Pakete eines namhaften Wissenschaftsverlages lizenzieren wir bereits seit mehreren Jahren", sagte der stellvertretende Direktor der Universitätsbibliothek, Eberhard Pietzsch. Deren Abrufe hätten sich von 2011 bis 2014 mehr als verfünffacht. Beliebt seien vor allem E-Books zu Themen mit hoher Aktualität. Allerdings seien diese oft nur für Einzelpersonen und nicht für Bibliotheken erhältlich.

Da E-Books meist als Pakete lizenziert würden, sei der Aufwand beim Kauf und der Katalogisierung vergleichsweise niedrig. "Die Verlage liefern meist bibliografische Daten für die Pakete, die lediglich in den Katalog eingespielt werden müssen", sagte Pietzsch. Auch er glaubt nicht an ein Aus für das gedruckte Buch: "Lehrbücher werden, soweit sie als E-Book überhaupt für Bibliotheken erhältlich sind, als solche noch wenig akzeptiert, weil Studierende sich meist über längere Zeit mit einem bestimmten Titel befassen, Annotationen machen wollen, auf die sie später zurückgreifen wollen oder weil sie auch offline mit dem Titel arbeiten wollen."

()