NSA-Ausschuss will Kooperation des BND mit Tarnfirmen aufklären

Angesichts der Ungereimtheiten um die BND-CIA-Operation Glotaic will der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags die Einbindung von Tarnfirmen beleuchten. Auch die BND-Niederlassung Schöningen steht im Fokus der Abgeordneten.

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Der Skandal erreicht den Bundestag

(Bild: Deutscher Bundestag / Simone M. Neumann / NSA)

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Mitglieder des NSA-Untersuchungsausschusses des Bundestags gehen davon aus, dass der Bundesnachrichtendienst zumindest bei der Operation Glotaic über eine oder mehrere Tarnfirmen Daten eines nordrhein-westfälischen Netzknotens des US-Providers MCI im großen Stil abgezweigt hat. Das Gremium hat daher einen Beweisantrag beschlossen, um Licht ins Dunkel um die mögliche Rolle derartiger heimlicher Verbindungsstationen zu bringen. Dies erklärte die Obfrau der Linken im Ausschuss, Martina Renner, am Donnerstag gegenüber heise online.

Linke und Grüne mutmaßten bereits nach der Vernehmung des Leiters der BND-Unterabteilung Technische Aufklärung Anfang Februar zu Glotaic, dass die rechtliche Basis für das Projekt noch wackeliger gewesen sei als bei der BND-NSA-Kooperation Eikonal unter Einbezug der Deutschen Telekom. Damals war allein von einer möglichen vertraglichen Grundlage die Rede, nicht von einer üblicherweise nötigen Anordnung zum Einschränken des Fernmeldegeheimnisses nach G10-Gesetz.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Am Donnerstag konnte sich ein leitender Techniker der BND-Dienststelle Rheinhausen, die Glotaic zwischen 2004 und 2006 betreute, bei seiner Zeugenvernehmung im Ausschuss überhaupt nicht zu der herangezogenen Rechtsbasis äußern. "Wenn eine Operation durchgeführt wird, gehe ich davon aus, dass sie rechtens ist", erklärte der unter "R. S." firmierende Zeuge nur. Er sei aber kein Jurist und habe sich das Projekt "weder ausgedacht, noch es initiiert, noch Verträge unterschrieben".

Der Leiter der Abteilung Software-Unterstützung in Rheinhausen kannte nach eigenen Angaben den Namen der Firma zwar, von der die Lauscher die Telefon- und Faxdaten erhielten. Ob es sich dabei um eine deutsche oder ausländische Einrichtung gehandelt habe, wollte er aber nur in nicht-öffentlicher Sitzung sagen. Gleiches galt für die Frage, ob die Daten direkt bei der mittlerweile zu Verizon gehörenden Telekommunikationsfirma abgegriffen wurden. Wo die genaue Datenquelle angesiedelt gewesen sei, habe sich seiner Kenntnis entzogen.

Pro Tag seien zum damaligen Zeitpunkt in der BND-Außeneinrichtung generell "Metadaten im knappen Millionenbereich" aufgelaufen, gab R. S. zu Protokoll. Die dortigen Mitarbeiter hätten die Informationen nach dem Ausfiltern von Angaben zu Deutschen auf Relevanz geprüft und an die Zentrale weitergeleitet. Zudem seien "sehr begrenzt" Daten "nach Freigabe" an den "ausländischen Nachrichtendienst" übermittelt worden, bei dem es sich laut Medienberichten um die CIA handelt. Über die zwei Jahre hinweg habe sich die Menge "im Hunderterbereich" bewegt. Englischsprachige Inhalte seien "natürlich" dabei gewesen, auf den Abhörlisten seien aber keine US-amerikanischen Nummern verzeichnet gewesen.

Das genaue Verfahren, mit dem der ausländische Kooperationspartner an die Daten gelangte, konnte der Zeuge nicht schildern. Zwischen einem Pull- oder Push-Mechanismus gebe es seiner Einschätzung nach keine großen Unterschiede. Ausschließen wollte er seines Wissens nach, dass für den Austausch kommerzielle Dienste wie Dropbox genutzt würden. Insgesamt habe es sich bei der von der Bundesregierung nach wie vor als besonders geheim eingestuften Operation für ihn um "eine wie jede andere" gehandelt. Sie sei beendet worden, da sie allem Anschein nach von beiden Seiten als nicht befriedigend empfunden worden sei.

Ebenfalls etwa eine Million Metadatensätze sollen täglich in der niedersächsischen BND-Niederlassung in Schöningen erfasst worden sein, hatte zuvor deren Leiter "E. B." den Abgeordneten mitgeteilt. Pro Telefonat käme man dabei auf etwa fünf einzelne Metadaten wie Telefon- und Gerätenummer oder möglicherweise eine Zellkennung beim Mobilfunk. Also müsse man "eine Millionen mal 3, 4 oder 5" rechnen, meinte Konstantin von Notz von den Grünen. "Wenn man das einzeln zählen würde, ja", bestätigte E. B. die alternative Messweise. Ein solcher Ansatz sei aber nicht sinnvoll.

Die in Medien kolportierte Größe von täglich 220 Millionen vom BND insgesamt an US-Sicherheitsbehörden weitergegebenen Metadaten "erschließt sich mir nicht", führte der Schöningen-Chef aus. Die Informationen würden in der Regel in der Zentrale in Pullach gespeichert, zur Dauer wollte er sich öffentlich aber nicht äußern. Bei der Einrichtung, die auf das Überwachen von Satellitenverkehr ausgerichtet ist, fielen zudem grob zwischen 300.000 und 500.000 inhaltliche Telefonmitschnitte an. Zudem würden der Dienststelle "von anderen Bereichen Verkehre zugeroutet" und verarbeitet.

E. B. beteuerte, dass von Schöningen keine Daten an Organisationen in den sogenannten Five-Eyes-Staaten (USA, Großbritannien, Kanada, Australien, Neuseeland) gingen, die geheimdienstlich besonders eng miteinander kooperieren. Er zeigte sich ferner "zutiefst überzeugt", dass die gesammelten Informationen nicht für Drohneneinsätze und Todesmissionen einsetzbar seien, da dafür aktuellere und genauere Standortangaben benötigt würden.

Aus Schöningen flössen aber seit 2001 Meta-, Inhalts- und Rohdaten an die Bundeswehr, ließ der aktive Soldat durchblicken. Dabei diene das Kommando Strategische Aufklärung in Gelsdorf als Gegenstelle. Es gebe auch einen Austausch fertiger Aufklärungsmeldungen, um Doppelarbeit zu vermeiden. US-Geheimdienstsoftware wie XKeysocre sei nur zum Einsatz gekommen, um relevante Strecken ausfindig zu machen und die erhobenen Daten "so früh wie möglich zu reduzieren". (mho)