Klima: Europäer sind etwas gleicher als der Rest der Menschheit

Die EU verlangt von den Entwicklungsländern stärkere Beschränkungen, als sie für sich selbst bereit wäre zu akzeptieren

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Der Europäische Rat, das heißt, die Regierungen der Mitgliedsländer haben sich am Freitag formal auf ein Klimaschutzziel für 2030 geeinigt, wie die Nachrichten-Plattform Euractive berichtet. In der Vorwoche hatte die EU-Kommission bereits ein Strategiepapier (Docx-Datei) für die internationalen Klimaverhandlungen vorgelegt. Das Ganze ist als ein Paket zu sehen, das der für diesen Politikbereich zuständige Energie-Kommissar und Ex-Ölmagaer Miguel Arias Cañete für "ehrgeizig" hält, das Klimaschützer und Entwicklungsländer hingegen deutlich weniger beeindrucken dürfte.

Zunächst fällt auf, dass das Papier einerseits von allen Staaten Klimaschutzpläne verlangt, ungeachtet, ob sie bisher zur Anreicherung der Treibhausgase in der Atmosphäre beigetragen haben. Ozeane und Biosphäre nehmen einen Teil der CO2-Emissionen auf, sodass diese nicht klimawirksam werden. Pro Erdenbürger und Jahr sind das knapp zwei Tonnen, eine Rate, die die ärmeren Entwicklungsländer in der Regel weit unterschreiten.

Andererseits fehlt in dem Papier jeder Bezug auf die "gemeinsame, aber unterschiedliche Verantwortung" der Entwicklungs- und Industrieländer, wie sie in der UN-Klimaschutzrahmenkonvention festgehalten ist. Auf diese Formel hatte man sich Ende der 1980er Jahre geeinigt. Sie soll unter anderem besagen, dass zunächst die entwickelten Länder, die die größeren Ressourcen haben und in der Vergangenheit für den aller größten Teil des Problems gesorgt haben, voran gehen müssen. Den ärmeren Staaten sollte mit raschen Emissionsreduktionen in den reichen Ländern Luft für deren eigene Entwicklung gegeben werden. Dazu kam es allerdings nie, was immer wieder für reichlich Konfliktstoff in den Verhandlungen sorgte.

Die Auslassung im Strategiepapier ist also kein Zufall. Ein näherer Blick auf die "ehrgeizigen" Ziele zeigt, dass die EU immer noch nicht bereit ist, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Die EU schlägt vor, in den neuen Klimaschutzvertrag, der nach bisheriger Planung im Dezember auf einer UN-Klimakonferenz in Paris unterzeichnet werden soll, ein globales Reduktionsziel von 60 Prozent festzuschreiben. Um so viel soll – gemessen am Niveau von 2010 – der weltweite Ausstoß von CO2 und anderen Klimagasen bis 2050 vermindert werden.

Nach dem jüngsten Bericht des UN-Wissenschaftlerrats IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) könnte das ausreichen, um die globale Erwärmung auf zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu beschränken. Voraussetzung ist allerdings, dass die Emissionen bis zum Ende des Jahrhunderts weiter auf Null sinken oder der Atmosphäre gar aktiv CO2 entzogen wird. Deutlich sicherer ist das Zwei-Grad-Ziel allerdings zu erreichen, wenn bis 2050 die Emissionen schon um 70 Prozent reduziert würden. Außerdem bleibt das Problem, dass schon bei zwei Grad globaler Erwärmung viele Inseln und Küstenzonen nicht mehr oder nur mit sehr hohem Aufwand zu halten sein werden. Daher fordern viele kleine Inselstaaten, dass sich die Weltgemeinschaft ein 1,5-Grad-Ziel gibt, was schnellere Emissionsreduktionen erforderlich machen würde.

Bleibt die Frage, was die EU zum von ihr vorgeschlagenen 60-Prozent-Ziel beitragen will. Wie berichtet sieht ihre Planung vor, die eigenen Emissionen bis 2030 um 40 und bis 2050 um 80 Prozent zu reduzieren. Das bezieht sich allerdings auf das Basisjahr 1990 - und von diesen 40 Prozent ist etwa ein Drittel bereits erreicht. Mit anderen Worten: In den nächsten 15 Jahren soll der Klimaschutz eher in einem sehr gemächlichen Tempo erfolgen und die wirklich einschneidenden Maßnahmen werden in die weitere Zukunft vertagt, wenn die Riege der jetzt verantwortlichen Politiker längst in Rente ist.

Und was bedeutet das EU-80-Prozent-Ziel für 2050? Vorausgesetzt, die EU-Bevölkerung schrumpft nicht weiter, läuft eine Reduktion der Emissionen um 80 Prozent darauf hinaus, dass immer noch 2,2 Tonnen Treibhausgase pro Kopf und Jahr in die Luft geblasen werden. Hochgerechnet auf die Weltbevölkerung, die dann vermutlich zehn oder mehr Milliarden groß sein wird, liefe das darauf hinaus, dass die globalen Emissionen nicht um 60, sondern um lediglich rund 35 Prozent reduziert werden. Aber offensichtlich ist die EU nicht bereit, allen Menschen das gleiche Recht zuzustehen. So viel zum Thema "westliche Werte".