Sonnenfinsternis: Blackout-Sorge übertrieben

Der Mond verdunkelt die Sonne, Photovoltaikanlagen stellen ihren Betrieb ein, das Stromnetz schwankt - vor der Sonnenfinsternis am Freitagvormittag war die Sorge vor Versorgungsengpässen groß. Doch die Lage blieb entspannt.

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  • Sascha Rentzing

Der Mond verdunkelt die Sonne, Photovoltaikanlagen stellen ihren Betrieb ein, das Stromnetz schwankt – vor der Sonnenfinsternis am Freitagvormittag war die Sorge vor Versorgungsengpässen groß. Doch die Lage blieb entspannt.

Die schlimmste Befürchtung der Stromnetzbetreiber bestätigte sich nicht: Obwohl Solaranlagen wegen der teilweisen Sonnenfinsternis am Freitagvormittag deutlich weniger Sonnenstrom lieferten als gewöhnlich, blieb die Stromversorgung in Deutschland stabil. "Es gab keine Probleme. Wir konnten die Schwankungen in der Solarstromproduktion gut ausgleichen", sagt Andreas Preuß, Sprecher des Dortmunder Netzbetreibers Amprion, der den kompletten Westen Deutschlands über Höchstspannungsleitungen mit Strom versorgt. In den frühen Morgenstunden herrschte in Amprions Schaltzentrale in Brauweiler bei Köln noch große Anspannung. "Die Wetterlage war schwierig. Es gab keine hundertprozentige Sicherheit", erklärt Preuß.

Das Phänomen der Sonnenfinsternis ist in Deutschland nicht unbekannt. Doch als sich 1999 der Mond das letzte Mal vor die Sonne schob, waren hierzulande gerade einmal Solaranlagen mit 70 Megawatt Leistung installiert – eine für den Energiemarkt irrelevante Größe. Heute hängen nahezu 40.000 Megawatt Solarleistung am Netz, der Anteil der Photovoltaik an der Stromerzeugung beträgt damit fast sechs Prozent. Für die Energiewirtschaft ist das eine Hausnummer: Als am Freitagmorgen die Sonnenfinsternis einsetzte, verschwanden nach Preuß' Schätzung in relativ kurzer Zeit rund 8.000 Megawatt Strom aus dem deutschen Energiemix, und nach dem Ereignis kamen plötzlich 15.000 bis 16.000 Megawatt wieder hinzu. "Wir reden hier von einer Leistung von zehn Großkraftwerken. Das war kein normaler Tag für uns", sagt der Amprion-Sprecher.

Von einer "beispiellosen Herausforderung" für das Management des europäischen Stromnetzes hatte zuvor auch der Verband der europäischen Stromnetzbetreiber ENTSO-E gesprochen. Bei klarem Himmel würden durch die Sonnenfinsternis in Europa schrittweise bis zu 35.000 Megawatt wegfallen – eine Größenordnung von 150 bis 200 konventionellen Kraftwerken mit mittlerer Größe, hieß es beim Verband. Doch ob die Energiewirtschaft wirklich mit ernsthaften Problemen rechnete, ist fraglich. Die europäischen Netzbetreiber haben sich akribisch auf das Ereignis vorbereitet. Sie buchten unter anderem Kraftwerke, die schnell zusätzlichen Strom liefern oder bei einem gefährlichen Spannungsanstieg heruntergefahren werden können.

In Deutschland planten die vier Netzbetreiber Amprion, Tennet, 50Hertz und TransnetzBW insgesamt 8.000 Megawatt an flexibel abrufbarer Regelenergie ein, doppelt so viel wie an normalen Tagen. Außerdem stockte zum Beispiel Amprion das Personal in seiner Schaltzentrale für den Notfall von drei auf zehn Techniker auf. Die Lage blieb aber laut Preuß entspannt. "Der Regelenergie-Bedarf hielt sich im eingeplanten Rahmen", sagt Preuß. Wäre es beim Neustart der Solarmodule am Freitagvormittag hart auf hart gekommen, hätten die lokalen Stromversorger morgens theoretisch noch mit sogenannten vorauseilenden Abschaltungen reagieren können. Große Solaranlagen mit mehr als 100 Kilowatt Leistung können bei Bedarf per Fernzugriff vom Netz getrennt werden.

Wissenschaftler der Hochschule für Technik und Wirtschaft hatten bereits im vergangenen Jahr in ihrer Studie "Einfluss der Sonnenfinsternis im März 2015 auf die Stromerzeugung in Deutschland" deutlich gemacht, dass von dem Ereignis keine Gefahr für das Energiesystem ausgehen würde. Allein durch die in Deutschland vorhandenen Pumpspeicherkraftwerke, könnten die Schwankungen der Solarstromerzeugung auch bei wolkenlosem Himmel vollständig ausgeglichen werden, schreiben die Forscher in der Studie.

Dennoch lieferte die Sonnenfinsternis ein erstes Beispiel für ein Problem, vor dem die Netzbetreiber künftig noch häufiger stehen könnten. Mit wachsendem Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix werden sie künftig auch an normalen Tagen flexibel reagieren müssen. Damit steigt auch der Bedarf an zuverlässigeren Überwachungsverfahren sowie flexiblen Stromspeichern und Kraftwerken, die Schwankungen abfangen. Bisher wurde kaum in die neuen Technologien investiert. (bsc)