TTIP: Krach um Regulierungskooperation und Genfood

Die Chefunterhändler für das geplante Freihandelsabkommen zwischen EU und USA stehen unter Druck. Regierungschefs auf beiden Seiten wollen rasche Fortschritte. Doch immer wieder zeigen sich tiefe Gräben, jüngst um eine Regelung zu Genfood.

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9. TTIP-Verhandlungsrunde:  Geplante Regulierungskooperation und Krach um Genfood Opt-Out

(Bild: Europaflagge: MPD01605, CC BY-SA 2.0)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Monika Ermert

Zum Abschluss der neunten Verhandlungsrunde des transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP in New York kritisierte US Chefunterhändler Dan Mullaney die EU ungewöhnlich scharf: Man sei bitter enttäuscht über eine gerade vorgelegte Novellierung der Zulassung für genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel. Die soll es Europas Regierungen ermöglichen, von Brüssel zugelassene Produkte von ihrem Markt zu verbannen. Die Warnung vor dem Genfood Opt-Out bieten wohl auch einen Vorgeschmack auf die im TTIP vorgesehenen geplante Regulierungszusammenarbeit. Künftig müssten sich demnach EU und nationale Regulierer ganz offiziell mit solchen Einwendungen auseinandersetzen.

Transatlantisches Freihandelsabkommen TTIP

Seit Juli 2013 verhandeln EU und die USA über den Abbau von Handelshemmnissen im Rahmen eines Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP). Heftige Kritik kommt wegen mangelnder demokratischer Kontrolle sowie wegen Befürchtungen, Umwelt- und Gesundheitsstandards könnten abgesenkt oder untergraben werden.

Die Regulierungszusammenarbeit war laut EU Chefunterhändler Ignacio Bercero eines der zentralen Themen der New Yorker Verhandlungswoche. Weitere waren die wechselseitige Anerkennung von Zulassungen im pharmazeutischen Sektor, im Bereich Fahrzeugtests und Qualitätsaudits bei medizinischen Geräten. Die geplanten Mechanismen zur Regulierungszusammenarbeit haben die Harmonisierung auf beiden Seiten des Atlantik zum Ziel. Erreicht werden soll das durch einen erleichterten Zugriff auf neueste Gesetze und Verordnungen, verschiedene Verfahren der Vorabinformation über geplante Gesetze, aber auch regelrechte Verfahren zur Aussprache darüber. Auch Bundes- und Landesgesetzgeber müssten sich, so die Idee, der Einsicht durch US-Behörden öffnen.

"Auf Verlangen einer Partei über die zuständigen Anlaufstellen soll die andere Partei die Regulierer und verantwortlichen Behörden unterhalb der EU-Ebene dazu auffordern, in einen Austausch über die geplante oder bereits existierende Regulierung einzutreten", heißt es im jüngsten, vorab von Corporate Europe Observatory (CEO) geleakten Textentwurf der EU dazu. Für die in diesem Textentwurf zuletzt wieder auf EU-Gesetzgebung beschränkte Darstellung eines solchen "Austauschs" listet das Papier folgende Optionen zur Behebung möglicher Regulierungswidersprüche: "die gegenseitige Anerkennung der Gleichwertigkeit der Regulierung", die "Harmonisierung der Regulierung oder ihrer wesentlichen Elemente" oder die "Vereinfachung der Regulierung".

In einer Fußnote wird dann aber doch darauf hingeweisen, dass die Regulierer nicht verpflichtet sind, die Kommentare der Gegenseite am Ende mit aufzunehmen. Gleichzeitig hat die EU-Kommission vorsichtshalber angemerkt, dass man für Konflikte aus diesem Kapitel keine Schiedsverfahren haben möchte. Die TTIP-Regulierungszusammenarbeit gehört zu den von vielen Kritikern mit großem Argwohn verfolgten Verhandlungsbestandteilen. Sie fürchten, dass damit demokratische Prozesse in den eigenen Ländern untergraben werden.

Eine im neuesten Text von der Kommission eingefügte Versicherung, dürfte die Kritiker kaum beruhigen. Darin wird erklärt, dass Gesetze zur Durchsetzung wesentlicher öffentlicher Interessen wie Wettbewerb, Daten-, Verbraucher- und Umweltschutz, Schutz des geistigen Eigentums und die Registrierung von Unternehmen nicht unter das Kapitel fallen. Die Versicherung steht lediglich in einer Vorbemerkung, die nicht zum Text gehört.

Wie schnell die US-Seite auf der Matte stehen kann, zeigte die aktuelle Aufregung über das Genfood Opt-Out. Solche Verordnungsentwürfe dürften künftig schon lange im Vorfeld durch ein Verfahren der Regulierungszusammenarbeit von US-Regulierern und den interessierten Verbänden, die mindestens einmal im Jahr gehört werden müssen, torpediert werden.

Mindestens auf Ebene der Bundesstaaten in den USA dürfte es dabei übrigens ähnliche Befürchtungen dazu geben, dass ihnen künftig EU-Behörden und Verbände in die Gesetzgebersuppe spucken. Wie die US-Seite mit solchen Befürchtungen umgeht, ist unbekannt. Wenn es bei der für Juli geplanten Runde 10 in Brüssel schon einen gemeinsamen Entwurf gibt, bleibt dieser erst einmal geheim. (mho)