BND-NSA-Skandal reißt tiefe Gräben im Bundestag auf

Die CDU/CSU-Fraktion sieht Innenminister Thomas de Maizière entlastet, die SPD will die Zielvorgaben umgehend auf dem Tisch haben. Die Opposition wittert Lügen und Verschleppungsversuche im Kanzleramt, drängt auf Rücktritte.

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BND

(Bild: dpa, Soeren Stache)

Lesezeit: 4 Min.

Koalition und Opposition haben sich am Mittwoch in einer Aktuellen Stunde im Bundestag einen heftigen Schlagabtausch zur BND-NSA-Affäre geliefert. "Es geht um Mitschuld durch Unterlassen", erklärte die grüne Fraktionschef Katrin Göring-Eckardt in Richtung Bundeskanzleramt. Es sei ein Skandal, wenn Angela Merkel (CDU) Aufklärung verspreche, "aber nicht liefert". Genauso skandalös sei es, wenn zugelassen werde, "dass deutsche und europäische Unternehmen ausgespäht werden" entgegen der klaren, 2002 verabredeten Regeln zur Kooperation zwischen Bundesnachrichtendienst und NSA zur Terrorismusbekämpfung.

Das Kanzleramt habe nichts getan, außer zu vertuschen, zu verschleiern und die Sache auszusitzen, betonte die Grüne. Es habe das Vertrauen von europäischen und transatlantischen Partner sowie des Parlaments enttäuscht. "Die Fehler sind so schlimm, dass das sowohl organisatorische als auch personelle Konsequenzen haben muss im Kanzleramt und im Bundesnachrichtendienst", ergänzte Göring-Eckardts Fraktionskollege Hans-Christian Ströbele. Er hätte erwartet, "dass die Kanzlerin sich hier herstellt und erklärt, dass ihre Aussage im Wahlkampf 2013 falsch war, dass es keinerlei Wirtschaftsspionage durch die NSA in Deutschland gibt".

Der BND und sein US-Partnerdienst hätten nicht Firmen ins Visier genommen, die möglicherweise Beziehungen zu Waffen- oder Drogenhandel hätten, führte Ströbele seine Anschuldigungen aus. Vielmehr seien auch Unternehmen in den Fokus gekommen, "weil die NSA die Vereinbarung mit dem Bundesnachrichtendienst nicht eingehalten" und so "eklatant gegen deutsches Recht verstoßen" habe. Teile der Bundesregierung hätten diese Rechtsbrüche "mitgemacht, gefördert". Auch der heutige Bundesinnenminister Thomas de Maizière habe zu seiner Zeit als Kanzleramtsminister "nicht das Nötige getan, um das abzustellen". Dafür gebe es Anhaltspunkte in den Vermerken, die vor der Aussprache im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) auf den Tisch gekommen seien.

Das Kanzleramt sei seit mehr als fünf Jahren über die jüngst im NSA-Untersuchungsausschuss aufgedeckte Praxis der Wirtschaftsspionage informiert gewesen, schlug Martina Renner von den Linken in die gleiche Kerbe. Es stehe der NSA offenbar näher als dem offenbar ausgespähten "Elysee-Palast oder dem EU-Parlament". Trotzdem sei nicht einmal nach den Snowden-Enthüllungen in der Regierungsspitze etwas passiert, was das Wort Aufklärung verdient hätte. Dass Schwarz-Rot die Verantwortlichen im Kanzleramt wohl erst nach der Sommerpause im NSA-Ausschuss befragen lassen wolle, sei ein "Versuch der Verschleppung". Zuvor hatte der Linke Jan Korte der Regierung bereits vorgeworfen, das Parlament in Antworten auf zumindest zwei Anfragen offensichtlich belogen zu haben.

Der Innenexperte der Union, Stephan Mayer (CSU), unterstrich dagegen, dass sich im PKGr "die bodenlosen Unterstellungen gegenüber Thomas de Maizière restlos aufgeklärt und als haltlos erwiesen haben". Daher sei "Schindluder und Scharlatanerie mit unserem Bundesinnenminister getrieben worden". In keiner der Notizen des BND über Suchbegriffe der NSA sei 2008 eine Spur von Unternehmensnamen zu finden gewesen. Pullach habe vielmehr davor gewarnt, dass es bei einer intensiveren Kooperation mit dem US-Dienst zu Missbrauch kommen könne. Es komme so allenfalls in Frage, sich "über eine Neujustierung der parlamentarischen Kontrolle zu unterhalten".

In die Geheimdokumente des BND sei "nichts hineinzulesen, was mit Fehlern im Kanzleramt oder Wirtschaftsspionage zu tun hätte", befand auch der CDU-Abgeordnete Manfred Grund. Die Christdemokratin Nina Warken warf der Opposition "Effekthascherei" vor. Der BND habe mitgeholfen, mindestens fünf Anschläge in Deutschland zu verhindern.

"Man kann jetzt tüchtig auf die Pauke hauen", meinte Christian Flisek von der SPD. Dafür sei die Lage aber zu ernst. Zunächst müssten eine Reihe offener Fragen geklärt werden. Dafür brauche der Untersuchungsausschuss die Liste an Selektoren, die der BND von der NSA erhalten habe. Die Einsicht könne auch in einem abgestuften Verfahren erfolgen, sodass keine Sicherheitsinteressen verletzt würden. Die Sozialdemokratin Susanne Mittler stellte dem Kanzleramt ein Ultimatum bis zur nächsten Sitzung des NSA-Ausschusses am morgigen Donnerstag, um die einschlägigen "Sachbeweise" vorzulegen. Die Zielvorgaben seien "elementar für die Aufklärung". (axk)