Vor 25 Jahren: Windows 3.0 erscheint

Am 22. Mai vor 25 Jahren präsentierte Bill Gates Windows 3.0 unter dem Slogan "Witness the Transformation". Windows 3.0 transformierte Microsoft von einem Software-Anbieter unter vielen zu einem Konzern mit Monopolstellung.

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Windows-Logo

(Bild: winhistory.de)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Detlef Borchers
Inhaltsverzeichnis

Ton, Kamera, Licht, Action! mit einer 2,5 Millionen Dollar teuren Show, die per Satellit in sechs weitere US-Städte und ins kanadische Toronto übertragen wurde, präsentierte Bill Gates die grafische Oberfläche Windows 3.0. Zu krachender Stampfmusik zeigte Gates im City Center Theater in New York, wie man Fenster verschiebt, Icons anklickt und den Bildschirm-Hintergrund verändert. Farben! Fonts! Sexy aussehende Schaltflächen! Nach langen Jahren abseits der Öffentlichkeit zeigte sich Microsoft-Mitgründer Paul Allen vor den Kameras und demonstrierte seine Software ToolBook: Programmieren mit Windows 3.0 ist "kinderleicht".

Windows 3.0 - Blick ins Archiv der c't (5 Bilder)

"Erster Eindruck von Windows 3.0" in c't 7/90

Höhepunkt der Show waren die Video-Auftritte der Konkurrenz. Ausgerechnet der gern über Microsoft lästernde Philippe Kahn von Borland zeigte sich beeindruckt: "Windows ist eine wichtige Plattform für die Zukunft. Ich hätte niemals gedacht, dass ich so etwas mit vollem Ernst sagen würde." Zum Schluss der Präsentation zeigten die Kameras das Gesicht von Gates in Großaufnahme, wie er seine Brille auf der Nase hochrückt. "Cool!" Noch Im Herbst des Microsoft-Jahres 1990 wurde er zum "Visionär" ausgerufen, nachdem er auf der Comdex seine Grundsatzrede "Information at your Fingertips" gehalten hatte, eine etwas verfeinerte Variante der Windows-3.0-Präsentation.

Enthusiastisch reagierte die US-Presse auf die Gates-Show: "Wenn die Geschichtsbücher für den PC geschrieben werden, wird der 22. Mai 1990 als der erste Tag der zweiten Ära der PC-Geschichte in die Annalen eingehen, als der Tag, an dem der PC, gefesselt durch ein veraltetes zeichenorientiertes Betriebssystem und einer Bedienung im Stil der Siebziger, wirklich befreit wurde." Selbst Gary Kildall, mit Digital Research und GEM direkter Microsoft-Konkurrent, fand in den Computer Chronicles (ab 6:35) augenscheinlich Gefallen an dem System und erklärte es für gelungen.

Aus späterer Sicht kommentierte der Software-Historiker Martin Campbell-Kelly die Sache mit Windows 3.0 trocken: "Microsoft war eine junge Firma mit überraschend geringer technologischer Tiefe. Microsoft war mehr eine lernende Organisation, die sich durchfummelte und die richtige Software erst nach mehreren Anläufen produzierte." Für den Historiker ist Windows 3.0 nur die Grundlage des eigentlichen Microsoft-Erfolges, den Markt der Büro-Anwendungen auf Jahrzehnte hinaus zu dominieren. WordPerfect (Marktführer bei der Textverarbeitung) wie Lotus (Marktführer Tabellenkalkulation) wurden von Windows 3.0 kalt überrascht, denn beide hatten ihre Planungen auf OS/2 ausgerichtet. Lotus-Gründer Mitch Kapor nannte Windows "phantasielos, taubstumm und langsam". Bill Gates störte das nicht. Microsoft verkaufte in 4 Monaten 1 Million Kopien, insgesamt wurden 10 Millionen Kopien verkauft, bis 1992 der Nachfolger Windows 3.1 kam. Dazwischen erschien Windows mit einer Multimedia-Erweiterung, die reißenden Absatz fand. Die Microsoft-Aktie explodierte an der Börse. Windows 3.0 machte Gates zum siebenfachen Milliardär und zur reichsten Person der USA.

Die "Zukunft der Software": Ein Gebäude ohne stabiles Fundament, das Microsoft im Lauf der Zeit von einer Bretterbude zum Glaspalast aufgestockt hat und das nur durch wackelige Krücken vor dem Einsturz bewahrt wird – so sahen c't-Redakteure das einige Monate am Markt befindliche Windows.

Bis zur Einführung von Windows 3.0 hatte sich Microsoft mit dem Verkauf und der Unterstützung von Windows 1.0 bis 2.03 schwer getan. Man hatte zwar ein Gerichtsverfahren mit Apple aufgrund des "Look and Feel" riskiert (es wurde 1993 gewonnen), aber das offizielle Mantra, im Verein mit IBM vorgetragen, lautete "OS/2, OS/2, OS/2!". Eine grafische Oberfläche mit modernem Betriebssystem für alle Anwendungsfälle, das sollte das gemeinsam entwickelte OS/2 sein. Noch die erste Meldung zu Windows 3.0 in der c't spiegelte dies wider: Windows 3.0 wird unter dem Titel "OS/2-Konkurrent" vorgestellt, ehe es im ersten Windows-Schwerpunkt in Heft 5/91 mit dem Titel "Volltreffer" ein großes Lob für das System gab. Entscheidend war, dass Windows 3.0 mit dem Parameter /3 starten konnte, in dem echtes Multitasking mit DOS-Programmen möglich war. Zudem konnte Windows bei knappem Arbeitsspeicher Programme auf die Festplatte "swappen". Möglich machte dies der Microsoft-Saga nach der Programmierer Murray Sargent, der Windows vor dem OS/2-Bulldozer rettete. Nach dieser oder dieser Darstellung hatte Murray einen Weg gefunden, die 640K-Bariere zu brechen und Windows 2.0 im Protected Mode laufen zu lassen. Als Steve Ballmer und Bill Gates dies demonstriert bekamen, gaben sie grünes Licht für das Windows-Projekt, mit dem sie sich von IBM lösen konnten. Beide hatten die Nase gestrichen voll von der Art und Weise, wie IBM bei der OS/2-Entwicklung fortlaufend die Spezifikationen änderte. Zudem öffneten sie im Zeitalter der Festplatten einen neuen Verkaufskanal mit vorinstallierten Komplettsystemen. Zenith Data Systems war der erste Kunde, der sich auf den Deal einließ, der andere DOS-Varianten oder gar OS/2 ausschloss.

Windows 3.0 (5 Bilder)

Die Optik des Installations-Programms begleitet Windows-Nutzer schon länger.

(Bild: winhistory.de)

Um Windows zu starten, musste erst DOS gebootet werden. Das funktionierte mit MS-DOS, der IBM-Edition PC-DOS und eben auch mit DR-DOS des Konkurrenten Digital Research, mit Wurzeln in CP/M, das Gary Kildall programmierte. Das störte Bill Gates ungemein, als sich Microsoft zum Kampf gegen Novell rüstete. Denn auch Novell rüstete hoch und kaufte DR-DOS auf. Aktenkundig wurde eine Mail von Bill Gates aus dem Jahre 1992: "Novell will den Desktop erobern. Das ist unsere größte Gefahr. Wir müssen stark antworten und aus Chicago ein komplettes Windows-Betriebssystem machen, vom Booten bis zum Shut-Down. Da darf kein Platz auf einem Chicago-Rechner für DR-DOS (oder irgendein anderes DOS) mehr sein." – Chicago war der Code-Name für Windows 95 während seiner Entwicklung. Aktenkundig wurde diese Passage in einem Prozess, den Caldera gegen Microsoft führte. Was Gates frank und frei ausführte und Microsoft bei der außergerichtlichen Einigung 280 Millionen Dollar kostete, begann frühzeitig. Bereits in den ersten Entwicklerversionen von Windows 3.1 tauchte ein Stück Code auf, der Fehlermeldungen produzierte, wenn Windows nicht mit MS-DOS gestartet wurde.

Das berühmteste Programm der Welt ist in diesem kleinen Rückblick noch gar nicht erwähnt: Windows 3.0 kam mit dem Kartenspiel "Solitär". Es sollte nur die Grafikfähigkeiten demonstrieren, entwickelte sich aber zum herausragenden Arbeitszeitvernichter des 20. Jahrhunderts. Nur logisch, dass Microsoft selbst den Geburtstag von Windows 3.0 mit einem Turnier der besten Solitär-Spieler der Welt begeht. Ton, Kamera, Action! (ps)