Der große Neustart

Seit Jahren krankt die Silicon-Valley-Legende Hewlett-Packard. Um sich zu retten, will das Unternehmen nun den Computer neu erfinden.

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Von
  • Tom Simonite

Seit Jahren krankt die Silicon-Valley-Legende Hewlett-Packard. Um sich zu retten, will das Unternehmen nun den Computer neu erfinden.

Silicon-Valley-Unternehmen pflegen gern die Legende, sie seien von ein paar Tüftlern in einer Garage gegründet worden. Und hätten dann, nur mithilfe ihrer Innovationskraft, den Markt erobert.

Bei Hewlett-Packard hat die Geschichte einen wahren Kern. Wie zum Beweis seiner Herkunft hat das HP-Management auf dem Gelände der Konzernforschung einen kleinen Schrein errichtet: Er besteht aus seit Jahrzehnten leerstehenden Büros, eingerichtet mit abgewetzten Möbeln aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Denn aus diesen Büros heraus führten die Firmengründer William Hewlett und David Packard ihr Unternehmen zum Welterfolg – mit bahnbrechenden Produkten wie zum Beispiel dem im Jahr 1968 vorgestellten HP 9100A, dem ersten programmierbaren Tischrechner der Welt. Im Zeitalter von Smartphones und Cloud Computing könnten HPs aktuelle Produkte allerdings schon bald ebenso antiquiert wirken wie dieses schreibmaschinengroße und 20 Kilogramm schwere Gerät.

Der Konzern, der hauptsächlich Server und Drucker verkauft, steckt seit Jahren in einer schweren Krise. Seit 2012 hat HP mehr als 40000 Arbeitsplätze gestrichen. Im Laufe dieses Jahres wird HP sich in zwei kleinere, aber immer noch problembelastete Unternehmen aufspalten (eine Operation, die selbst fast zwei Milliarden Dollar kostet). HP Inc. wird Drucker und PCs verkaufen; Hewlett-Packard Enterprise wird Server und IT-Dienstleistungen für Unternehmen anbieten. Mitten in dieser womöglich existenzbedrohenden Krise arbeitet HP Enterprise jedoch an einem risikoreichen Forschungsprojekt, mit dem sich das Blatt doch noch wenden könnte: Einem völlig neuartigen, mächtigen Computer, der lapidar „The Machine“ genannt wird: „die Maschine“.

Gelingt es, könnte das Projekt nicht nur HP retten, sondern auch die Computertechnik grundlegend verändern. „Die Nutzer werden Probleme lösen können, die ihnen heute noch verschlossen bleiben“, sagt Martin Fink, HPs Chief Technology Officer und Initiator des Projekts. Mit der Maschine könnten Unternehmen um ein Vielfaches größere und komplexere Datenmengen als heute bewältigen. Die Analyse von Daten würde mehr als hundertfach beschleunigt. Auch kleinere Geräte sollen HPs neues Computing-Modell nutzen können. Laptops und Smartphones kämen viel länger mit einer Akkuladung aus.

Die Idee dabei: Das Design zu aktualisieren, das seit den 1970er-Jahren das Innenleben von Computern prägt. Dabei müssen Daten ständig zwischen verschiedenen Hardware-Stationen hin und her geschoben werden. Denn Massenspeicher wie Festplatten oder Flash-Speicherchips können zwar eine riesige Menge von Daten auf kleinstem Raum und ohne Energiezufuhr aufbewahren. Aber sowohl Festplatten als auch Flash-Chips lesen und schreiben Daten sehr langsam im Vergleich zu dem Tempo, mit dem der Prozessor eines Computers sie verarbeitet. Um das zu umgehen, werden die Daten daher in seinen Arbeitsspeicher (DRAM) kopiert, der zehntausendfach schneller arbeitet.

Der Nachteil dabei ist, dass beispielsweise ein Laptop nicht sofort starten kann. Das Betriebssystem muss erst aus dem Massenspeicher abgerufen und in den Arbeitsspeicher geladen werden. Eine Beschränkung für die Akkulaufzeit von Smartphones liegt in dem Energieaufwand, Daten im DRAM am Leben zu halten, auch während das Telefon in der Tasche schläft.

Das mag für Normalnutzer bereits ein Ärgernis sein. Bei der Verarbeitung großer Datenmengen, die für verschiedenste Branchen immer wichtiger wird, sorgt es für beträchtliche Kopfschmerzen und hohe Kosten, sagt Yuanyuan Zhou, Professorin an der University of California in San Diego, wo sie Storage-Technologien erforscht: „Wer datenintensive Probleme bearbeitet, wird durch die traditionelle Architektur beschränkt.“ HP schätzt, dass rund ein Drittel des Codes typischer Datenanalyse-Software sich mehr dem Jonglieren zwischen Storage und Arbeitsspeicher als der eigentlichen Aufgabe widmet. Das beschneidet nicht nur die Leistung, sondern verschlingt auch massenhaft Energie. Unternehmen wie Facebook geben daher Millionen für Versuche aus, die Stromrechnungen ihrer Lagerhallen voller Computer zu senken.

Die „Maschine“ nun soll diese Probleme überwinden. Eine Unterscheidung zwischen Storage und Arbeitsspeicher soll mit ihr nicht mehr nötig sein, so zumindest das Ziel.

(wst)