Der Eukalyptus-Jammer

Eine gewaltige Laber-Lawine rollt über uns hinweg. Nun versucht man mit Kontra-Kommunikation dagegen anzugehen.

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Von
  • Peter Glaser

Das Kommunikationszeitalter entfaltet sich mit einer Fülle neuer Austauschmöglichkeiten. Mit immer neuen Geräten und Diensten öffnet sich uns ein erstaunlicher Fächer an Mitteilungskanälen. Viele neue Kommunikationsformen sind schlichtweg praktisch. Manche, etwa E-Mail oder soziale Netze, transformieren unseren Alltag. Und einige nerven – zum Beispiel rücksichtslose Mobiltelefonierer – oder sind auf schädliche Weise zu mißbrauchen.

Die gewaltige Laber-Lawine soll jetzt zumindest in begrenztem Umfang unter Kontrolle gebracht werden. Technisch ist das schon lange möglich, bis Anfang Januar war es in Deutschland jedoch verboten. Nun hat der baden-württembergischen Landtag die Rechtsgrundlage für den Betrieb von Störsendern geschaffen. Sie sollen für's Erste Gefängnisinsassen daran hindern, mit eingeschmuggelten Handys zu telefonieren.

Der Wunsch, die neue Kommunikationswelt mit einer Art Nothalteknopf zu versehen, nimmt weltweit zu. Am 6. Januar war ein Dossier der indischen Regierung zu den Terrorattacken publik geworden, die am Abend des 27. November in Mumbai begonnen und 60 Stunden angedauert hatten. Unter anderem wurde darin beschrieben, wie die Hintermänner den Ereignissen live im Fernsehen folgten und den jungen Kämpfern per Satellitentelefon Anweisungen gaben – "Lass dein Telefon an, wir wollen die Schüsse hören". Besondere Beachtung fand der technische Stand der Attentäter, die neben GPS auch Internettelefonie eingesetzt hatten. Die Anrufe liefen über Anbieter in den USA und Österreich. Die Ermittler sind davon übereugt, dass die Auftraggeber am anderen Ende der Leitung Pakistan saßen.

Kurz darauf wurden Überlegungen der New Yorker Polizeiführung bekannt, im Fall einer ähnlichen Terror-Attacke in den Vereinigten Staaten Mobiltelefon-Verbindungen zwischen den Angreifern zu unterbrechen. Das läßt sich machen, indem man einen "Jam" hervorruft. Der Begriff bedeutet im Englischen zum einen "Marmelade" (daher auch die bei Jazzmusikern beliebte Jam Session, ein süßes Stück Musik), zum anderen bezeichnet man damit einen Stau. Im Fall des Telefon-Jammings stauen sich die Funkwellen eines Störsenders und die der Mobiltelefone in der Umgebung zu einem Kommunikationsverkehrschaos. Um eine Terroristen-Crew daran daran zu hindern, mit ihren Kommandeuren zu telefonieren, wäre allerding weitreichender Wellensalat vonnöten. Das hätte zur Folge, dass auch niemand im Bereich eines Jammers mehr einen Notruf absetzten könnte.

Künstler befassen sich inzwischen ebenfalls mit Kommunikationsblockaden. Auf dem Chaos Communication Congress in Berlin führte eine Hackerin namens ladyada "Design Noir" vor – Kontra-Technologien, die den privaten Bereich von unerwünschtem elektronischen Eindringen schützen sollen. Dazu gehörte eine Brille, die sich automatisch verdunkelt, wenn ein Fernseher zu sehen ist – und ein Mobilfunk-Jammer. Möglicherweise lässt sich das Ganze sogar ökologisch realisieren: Techniker der australischen Telefongesellschaft Telstra Country Wide glauben, dass in einigen Regionen Australiens der Handy-Empfang gestört ist, weil größere Gruppen von Eukalyptus-Bäumen die Telefonsignale unterbrechen. (wst)