Videofähiges E-Paper

US-Forscher arbeiten an neuen elektronischen Lesegeräten, deren Helligkeit an weißes Papier herankommen soll - bei gleichzeitig enorm hohen Schaltgeschwindigkeiten.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Prachi Patel

Forscher an der University of Cincinnati im amerikanischen Bundesstaat Ohio haben eine neue Displaytechnik entwickelt, die elektronisches Papier deutlich besser ablesbar machen soll. Konventionelle E-Paper-Verfahren liefern einen zu geringen Kontrast und könnten außerdem heller sein. Das neue Verfahren, das von Jason Heikenfeld, Professor für Elektro- und Computertechnik an der Hochschule, federführend entwickelt wurde, soll nun die Brillanz von echtem Papier erreichen. "Wir können bald eine Technik demonstrieren, die bei Helligkeit und Farbdarstellung einen ähnlichen Buntheitsgrad hat wie bedrucktes Papier", so der Forscher.

Laut der in "Nature Photonics" veröffentlichten Arbeit können Bildpunkte mit dem Ansatz außerdem innerhalb von einer Millisekunde von schwarz nach Weiß umgeschaltet werden – schneller als die meisten LCD-Bildschirme. Das wäre für Video ausreichend, während die reguläre E-Paper-Technik höchstens einfache Animationen zulässt.

Heikenfeld und seine Kollegen haben einen Schwarz-Weiß-Prototypen mit einer steifen Oberfläche geschaffen, die 55 Prozent des Umgebungslichtes reflektiert – deutlich mehr als aktuelles elektronisches Papier, das bereits auf dem Markt befindlich ist. Reguläres weißes Papier reflektiert zu 85 Prozent, schlägt Heikenfelds Ansatz in Sachen Helligkeit also noch. Der glaubt jedoch, dass er bald mit seiner Technik flexible Vollfarb-Displays aus Kunststoff herstellen kann, die 60 Prozent erzielen. Mit teureren Ausgangsmaterialien und verbesserten Produktionsprozessen seien gar weißem Papier ähnliche Helligkeitswerte erzielbar.

Die University of Cincinnati-Forscher wollen erste Produkte demnächst durch das Start-up Gamma Dynamics herstellen lassen. Kommerzielle Partner sind bereits gefunden: Polymer Vision aus dem niederländischen Eindhoven, wo man an flexiblen elektronischen Lesegeräten arbeitet, sowie Sun Chemical aus Cincinnati, wo die Pigmente herkommen sollen. "Diese Technik hat das Potenzial, alle bisherigen Systeme aus dem Bereich des elektronischen Papiers zu schlagen. Sie kombiniert einen extrem hohen Reflexionsgrad mit sehr schnellen, für Video geeigneten Schaltgeschwindigkeiten. Außerdem wären die entsprechenden Displays sehr dünn", glaubt Polymer Vision-Technologiechef Edzer Huitema.

Das neue Design bietet ähnliche Vorteile gegenüber gewöhnlichen LC-Displays, wie man sie bereits von E-Paper-Geräten wie Sony Reader oder Amazon Kindle kennt. Die auf der Technik des Herstellers E Ink basierenden Modelle reflektieren Licht anstatt es zu emittieren, so dass sie sich leichter in hellem Sonnenlicht ablesen lassen und insgesamt deutlich stromsparender arbeiten. Die Helligkeit liegt allerdings nur bei 35 bis 40 Prozent, was bedeutet, dass der Kontrast schlechter ist als bei bedrucktem Papier. "Wenig Energieverbrauch ist toll, aber es muss auch gut aussehen, wenn man mit LCDs konkurrieren will", meint Heikenfeld.

Für ihre Bildpunkte benutzen die Forscher deshalb Aluminiumschichten, die Licht und rabenschwarze Tinte für satte Farbtiefen reflektieren. Dazu wird eine Polymerschicht mit Tintenreservoirs versehen und ein Alufilm aufgetragen. Darüber kommt dann eine transparente Elektrodenschicht aus Indiumzinnoxid (ITO). Eine an das Aluminium angelegte Spannung und das ITO ziehen die Tinte dann aus ihren Reservoirs und verteilen sie über den gesamten Bildschirmbereich.

Die einzelnen Punkte sind bis zu 100 Mikrometer breit, so dass sich Auflösungen von rund 300 dpi erzielen lassen. Das ist höher als bei vielen anderen elektronischen Lesegeräten auf dem Markt, sagt Heikenfeld. Würde man nun auch noch rote, grüne und blaue Farbfilter auf jeden Pixel setzen, würden sich Farbbildschirme bauen lassen.

Noch ist völlig unklar, ob sich die Technik der University of Cincinnati-Forscher durchsetzen kann. Viele andere E-Paper-Technologien werden derzeit in Konzernlabors, bei Start-ups und an Universitäten entwickelt. So bastelt der Mobilfunkausrüster Qualcomm an MEMS-basierten Bildpunkten; erste Komponenten werden bereits verbaut. Microsoft Research arbeitet unterdessen an Teleskop-Bildpunkten, die mit Hilfe von Spiegeln Licht reflektieren oder blockieren. Fujitsu baut einen E-Reader, der die stromsparende, LCD-ähnliche Technik des US-Unternehmens Kent Display verwendet. Und dann wäre da noch Opalux, ein Spinoff der University of Toronto, das mit Hilfe besonders brillanter photonischer Kristalle Farbbildschirme bauen möchte. (bsc)