Pusten für den Drogenfahnder

Philips hat ein tragbares Testgerät entwickelt, das innerhalb von 90 Sekunden Spuren von fünf verbreiteten Drogen nachweisen kann. Ende des Jahres soll es auf den Markt kommen.

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Von
  • Alexander Gelfand

Wer sich mit ein paar Bieren intus ans Steuer seines Wagens setzt, weiß in der Regel, dass er bei einer Alkoholkontrolle schlechte Karten hat. Einmal gepustet und schon überführt. Konsumenten anderer Drogen wiegen sich hingegen immer noch in Sicherheit, weil es keine schnellen Nachweismethoden für ihre Rauschmittel gibt. Nicht mehr lange: Der Elektronikhersteller Philips will bis Ende des Jahres ein tragbares Testgerät auf den Markt bringen, das fünf verbreitete Drogen nachweisen soll.

Die neue Polizeihilfe besteht aus einer Einweg-Plastikkartusche und einer Analyseeinheit. In der Kartusche, in der die Speichelprobe aufgefangen wird, befinden sich magnetische Nanoteilchen. Sie sind mit verschiedenen Arten von Biomolekülen beschichtet, die jeweils an die chemischen Wirkstoffe von Kokain, Heroin, Cannabis, Amphetamin und Methamphetamin binden können.

Das Philips-Gerät baut auf einem Konzept für magnetische Sensoren auf, das Ende der neunziger Jahre am US-Marineforschungslabor (NRL) in Washington entwickelt worden war. Damals war es darum gegangen, Agenzien von biologischen Waffen aufzuspüren. Die NRL-Forscher hatten hierfür Mikrokügelchen mit biologischen Molekülen versehen, an die Erreger andocken. Anschließend wurde die Probe optisch und magnetisch untersucht. Für letzteres nutzten sie GMR-Leseköpfe, wie sie heute in jeder Festplatte verwendet werden. GMR steht für „Giant Magnetoresistance“, den Effekt des Riesenmagnetwiderstands, der nur in wenige Nanomater dicken magnetischen Schichten auftritt. Der Protoyp war eine Schuhkarton-große Box, die verschiedene Toxine wie Ricin oder Anthrax nachweisen konnte.

Philips übernahm den Ansatz 2001. Neben GMR-Sensoren wurden Sensoren getestet, deren Wirkmechanismus die „verhinderte Totalreflexion“, FTIR (für engl. „frustrated total internal reflexion“), ist. Er bildet auch die Grundlage für Fingerabdruck-Lesegeräte und Touch-Screens. Philips habe sich dann für die FTIR entschieden, weil man hier die Erfahrung mit optischen Sensoren aus der Verbraucherelektronik nutzen konnte, sagt Jeroen Nieuwenhuis, technischer Leiter der Unternehmensabteilung Philips Handheld Immunoassays. Dank des optischen Analyseverfahrens habe man die Kartuschen so vereinfachen können, dass sie sich in großen Mengen herstellen lassen, so Nieuwenhuis.

Das Testgerät funktioniert nun so: Ist genügend Speichel aufgefangen worden, wird der in die Messkammer geleitet, um sich dort mit den präparierten Nanoteilchen zu mischen. Ein Elektromagnet lenkt diese dann zur Sensoroberfläche, die in fünf verschiedenen Bereichen mit den jeweils charakteristischen Molekülen der fünf Drogen beschichtet ist. Befindet sich eine davon im Speichel, binden die Nanopartikel an deren Wirkstoff. Ist der Speichel drogenfrei, docken die Nanoteilchen hingegen an den entsprechenden Molekülen auf der Sensoroberfläche an.

Im nächsten Schritt wird die Richtung des Magnetfeldes umgekehrt. Die Nanopartikel, die sich mit dem Drogenwirkstoff im Speichel verbunden haben, folgen dem Magnetfeld. Die anderen bleiben an der Sensoroberfläche. Anders gesagt: Ohne Droge im Speichel gibt es keine frei beweglichen Nanoteilchen mehr, weil die nun alle an der Sensoroberfläche haften. Mit diesem Trick könnte man endlich verhindern, dass es zu falschen Testergebnissen komme, „einem großen Problem solcher Bionachweisverfahren“, sagt Larry Kricka, Chemiker an Universität von Pennsylvania und Experte für magnetische Nachweismethoden.

Nun folgt die Analyse der Probe: Die Sensoroberfläche wird mit Licht bestrahlt, und die Nanopartikel, die sich dort gesammelt haben, verändern die Intensität des reflektierten Lichts. Diese Änderung ist dann am stärksten, wenn die Speichelprobe drogenfrei war und alle Nanopartikel sich am Sensor angelagert haben. Je weniger Nanopartikel hingegen am Sensor haften, weil sie sich bereits in der Probe an Drogenmoleküle gebunden haben, umso leerer ist die Sensoroberfläche – und umso geringer fällt die Änderung der Lichtintensität aus. Weil den verschiedenen Drogentypen auf der Sensoroberfläche verschiedene Felder zugewiesen sind, lässt sich über die jeweilige Reflexion dieser Felder auch gleich ermitteln, welches Rauschmittel gefunden wurde. Das Testergebnis wird dann in einem einfachen Farbcode auf einem Display angezeigt.

Der ganze Vorgang dauert nur 90 Sekunden und funktioniert laut Philips schon bei geringsten Konzentrationen (in der Größenordnung von Teilchen pro Milliarde, ppb) in einem Mikroliter Speichel. Dieselbe Sensortechnik ist bereits für den Nachweis von Troponin, einem Protein, das Herzinfarkte ankündigt, eingesetzt worden – bei einem Tausendstel der Konzentration, die das Drogentestgerät aufspüren kann. Für die europäische Einführung des Drogentestgeräts hat sich Philips mit der britischen Diagnostik-Firma Cozart zusammengetan. Langfristig soll die Technologie auch auf neue medizinische Diagnose-Geräte ausgedehnt werden. (nbo)