Der zweite Frühling des Steckdosen-Lan

Der japanische Elektronik-Konzern Panasonic will eine Technologie zum Erfolg führen, die eigentlich schon als gescheitert galt.

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Von
  • Martin Kölling

Der weltgrößte Elektronikkonzern Matsushita Elektric Industrial, der global als Panasonic firmiert, sagt heimischen Lan-Netzen den Kampf an. Statt die digitale Heimelektronik mit Strippen oder schnurlos zu vernetzen, setzt Panasonic auf das häusliche Stromnetz als Datenleitung. In einem ersten Schritt führt das Unternehmen kleine PLC (Powerline Line Communication)-Adapter ein, über die angeschlossene Geräte Daten mit bis zu 190 Mbps austauschen können. Seit Juni schon in den USA auf dem Markt, kommen sie im Dezember nach Japan und Europa. Zudem bietet der Konzern Unternehmenskunden den Kauf von Modulen zum Einbau in Fernseher, Videorekorder oder Kühlschränke an. Durch die Module können die Geräte auch ohne Adapter nicht nur Strom, sondern auch Daten aus der Steckdose beziehen.

Panasonic sieht in dieser Form der Heimvernetzung einen großen Wachstumsmarkt. „Bis 2010 wird das Volumen für Adapter und Module von fast null auf 100 Millionen Stück steigen“, sagt Eiji Kobayashi Direktor von Panasonics Home Network-Unternehmen Panasonic Communications. Und Panasonic will diesen Markt dominieren. „Unser Mindestziel sind 20 Milliarden Yen (139 Millionen Euro) Umsatz“, sagt Kobayashi. „Intern haben wir aber agressivere Ziele.“ Die angepeilten Weltmarktanteile unterstreichen die Ambitionen: Panasonic will unter eigener Marke bis 2010 35 Prozent des Weltmarkts für Module und Adapter und weitere 35 Prozent als Lieferant der Module beherrschen.

Ein gewagtes Spiel, denn bisher erwiesen sich Versuche, das Stromnetz als Datenträger zu nutzen, nicht als Kassenschlager. Denn die Anbieter sind eher klein, ihre Geräte nicht kompatibel. Außerdem kämpft die Technik mit dem Nachteil, beim Datentransfer über nicht abschirmte Leitungen hochfrequente elektromagnetische Strahlung zu emittieren. Das Stichwort Elektrosmog schreckt viele Menschen. Doch vor allem waren weder Breitband-Internet-Leitungen, noch die entsprechenden Inhalte wie Video-on-Demand weit verbreitet.

Panasonic glaubt allerdings, dass immer mehr Menschen in den kommenden Jahren von dem unwiederstehlichen Drang getrieben werden, ihre Heime zu vernetzen. Denn zum einen explodiert in den Industrienationen die Verbreitung breitbandiger Internetverbindungen. Außerdem schreien das Digital-TV, Flachbildfernseher, HD-DVD-Videorekorder oder die neuen internettauglichen Spielekonsolen von Sony, Microsoft und Nintendo geradezu nach Vernetzung. Für diese Aufgabe sieht Panasonic das Stromleitungsnetzwerk sowohl gegen über Strippen-, als auch schnurlosem LAN im Vorteil. Panasonics PLC-Netz mache Kabel- und Wellensalat den Garaus, sei dazu abhörsicher dank AES (Advanced Encryption Standard) 128-Bit-Verschlüsselung, einfach skalierbar und biete Plug-and-Play auch ohne PC.

So soll die Vernetzung mit dem „HD-PLC“-Ethernet-Adapter-Starter-Pack (umgerechnet 140 Euro) funktionieren: Man stecke den zwölf mal vier mals sieben Zentimeter großen Master-Adapter in die Stromleitung und verbinde ihn per Ethernetkabel mit dem Internetrouter. Den mitgelieferten gleichgroßen Zweit-Adapter braucht man dann nur noch in einem anderen Raum in eine Steckdose zu stöpseln, den Videorekorder oder PC per Ethernetkabel anzuhängen und schon rasen die Datenströme über die Stromleitungen von A nach B. Auch um Drucker, Kameras und später Kühlschränke, Waschmaschinen oder Klimaanlagen kann das Heimnetz mühelos erweitert werden, so die Verheißung. Bis zu 15 Adapter (Einzelpreis umgerechnet rund 90 Euro) kann ein Masterterminal managen.

Um die Daten neben dem Strom durch die Leitung zu senden, moduliert der Adapter ein Signal mit Trägerfrequenzen von vier bis 28 Megahertz auf die Netzspannung auf. Als Modulationstechnik dient Wavelet OFDM (Orthogonal Frequency Division Multiplex). Es soll der bisher verwendete FFT (Fast Fourier Transform)-basierten OFDM überlegen sein, behauptet Panasonic. Wavelet OFDM erziele dabei höhere Effizienz bei hohen Datentransferraten und bilde tiefere Einschnitte (-35 dB) im Frequenzspektrum als FFT-OFDM (-13 dB). Dadurch werde die Interferenz mit Kurzwellenfunk und anderen Radiowellen – sprich Elektrosmog - vermindert.

Selbst Videostreaming in High-Definition-Qualität soll so kein Problem sein, verspricht der Hersteller, obwohl die maximale Datentransferrate von 190 Mbps im Alltag nicht erreicht wird. Bei Verbindungen per UDP (User Datagram Protocol) drückten die Adapter nur noch 80 Mbps durch das Stromnetz, bei Übertragungen mit dem TCP auf einem Linux-basierten Server sank das Tempo auf 55 Mbps.

Ob Panasonics Vision von der Weltdominanz des Heimnetzwerks Wirklichkeit wird, hängt noch von vielen Unbekannten ab: Ersten konkurrieren drei Standards um die Kundengunst. Immerhin arbeiten die Hersteller daran, sie kompatibel zu machen. Zweitens muss Panasonic die Konsumelektronik- und Haushaltsgerätehersteller überzeugen, ihre Geräte von Fabrik aus mit Panasonic PLC-Modulen zu versehen. Denn wer will sich schon seine Zimmer mit teuren Adaptern vollstellen. Doch Panasonic erwartet, dass im Jahr 2010 etwa 40 Prozent der 100 Millionen Module für die Vernetzung von Haushaltsgeräten, Flachfernsehern und HDD-DVD-Rekordern verwendet werden. (wst)