Göttliche Unordnung auf dem Desktop

"Bumptop" nennt sich eine neue PC-Oberfläche, mit der der Desktop intuitiver werden soll. Doch reichen 3D-Tricks aus, um jahrelang eingeübte Nutzergewohnheiten zu verändern?

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1 Kommentar lesen
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Wade Roush
Inhaltsverzeichnis

Millionen von "Messies" in den USA dürften sich gefreut haben, als dort im Januar das Buch "A Perfect Mess" auf den Markt kam. Darin argumentieren die Autoren Eric Abrahamson (Management-Guru der Columbia University) und David Freedman (Journalist), dass die moderne Gesellschaft mit Sprüchen wie "Ordnung ist das halbe Leben" das Gegenteil von dem erreicht, was gewünscht wird: Die Kreativität werde eingeschränkt und nicht befördert. Ein bisschen Unordnung, schrieben die Autoren, sei dem Fortschritt mehr als dienlich.

Leser des Buches müssen selbst entscheiden, ob die vielen Anekdoten, die die Autoren aneinanderreihen, tatsächlich als Beweis ausreichen, dass das Messie-Leben die richtige Wahl ist. Klar ist allerdings eines: Die Ordnung, die moderne PCs den Benutzern vorgeben, endet nicht selten im Chaos – trotz peinlich genauer Sortierung unserer Festplatten in Dateien und Ordner. Ein bisschen mehr intuitives Denken wäre hier angebracht.

Eine mögliche Alternative kommt in Form der Software "Bumptop" demnächst auf den Rechner. Statt gewöhnlichen Ordnern verwendet das Werkzeug eine 3D-Umgebung, in der plastische Icons elektronische Dateien repräsentieren, die sich frei verteilen, stapeln, drehen und an Wände anheften lassen. Selbst das Herumwerfen von Dokumenten ist möglich.

In der Tat erinnert das Bumptop-Interface eher an eine Computerversion von Air Hockey als an einen gewöhnlichen Desktop. Entwickelt wurde die Technik von Anand Agarawala, einem Master-Studenten in Informatik an der University of Toronto. Verwendet werden dabei Lichteffekte, Schatten und Animationen, wie man sie auch aus der Videospiele-Entwicklung kennt. Eine eigene "Physics Engine" sorgt für Schwerkraft, Bewegungsdynamik und Reibungseffekte (Beispiel-Video).

Das funktioniert in der Bedienung vor allem deshalb so gut, weil moderne PCs inzwischen längst genügend Grafik-Power besitzen. Man mag es Overkill nennen – Agarawala glaubt, dass sich die paar zusätzlichen CPU-Zyklen lohnen, um dem statischen 2D-Interface eine räumliche Komponente zu verpassen. Schließlich hätten sich grafische Schnittstellen seit 1984 kaum verändert, als Apple seinen Macintosh einführte. "Der PC-Desktop sollte ursprünglich eine Metapher dafür sein, wie wir unsere Dokumente auf dem Schreibtisch verwalten", erläutert Agarawala. "Aber mein echter Schreibtisch sieht überhaupt nicht aus wie mein PC-Desktop. Bei mir liegen all diese Papierhaufen herum, die ich genauestens übereinandergestapelt habe. Das mag für einige Leute chaotisch sein, für mich selbst macht es Sinn. Meine Idee bei Bumptop war, dieses Gefühl der Ordnung im Chaos auf meinen PC-Desktop zu übertragen."

Agarawala hat inzwischen in Toronto ein Start-up gegründet, mit dem er Bumptop bald vermarkten will. Aus dem aktuellen Prototyp soll "hoffentlich bald" eine herunterladbare Beta werden. Seit dem er die für Windows entwickelte Software auf der exklusiven "TED"-Innovationskonferenz vorgeführt hat, kann er sich jedenfalls vor Anrufen und E-Mails zum Thema nicht mehr retten.

Bumptop ist allerdings keineswegs der erste Versuch, den traditionellen Desktop neu zu gestalten. "Die Menschen hassen den guten, alten WIMP-Ansatz ("Fenster, Icons, Menüs und Zeiger") mindestens seit 1995", meint User-Interface-Experte Ramana Rao, der früher CEO bei Inxight Software war, wo man sich fortschrittlichen Visualisierungswerkzeugen widmete. "Alle paar Jahre kommen ein paar junge Leute an, die interessante Ideen haben, den Desktop neu zu erfinden."