Geschlossener Kreislauf

In Niedersachsen entsteht das erste Biogasnetz Deutschlands. Es schafft die Grundlage für eine deutlich effizientere Nutzung der Energie vom Acker.

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Von
  • Veronika Szentpetery

Oberirdisch ist von der Pipeline nichts zu sehen, nur eine Reihe von gelb gestrichenen, etwa einen Meter hohen Metallpfählen kennzeichnet ihren Verlauf. Entlang der von ihnen gebildeten Linie verläuft die Röhre unter Maisfeldern, Schienen und einem Kanal. Voraussichtlich von diesem Oktober an wird sie Biogas aus einer neuen Anlage nahe dem niedersächsischen Örtchen Hillerse zu einem 20 Kilometer entfernten, ebenfalls neuen Blockheizkraftwerk in BraunschweigÖlper befördern, das daraus Strom und Wärme produziert.

Eine weitere Biogasanlage wäre so weit nichts Ungewöhnliches. Neu ist allerdings, dass diese Anlage ihren Brennstoff eben nicht vor Ort verwertet, sondern ihn über die Pipeline an ein einige Kilometer entferntes Kraftwerk abgibt – nach Angaben der Betreiber handelt es sich um das erste Projekt dieser Art in Deutschland. Beteiligt daran sind der Abwasserverband Braunschweig (AVBS), Landwirte aus der Region und der Energieversorger BS Energy Braunschweig.

Diese Partnerschaft könnte zum Modellprojekt werden, denn sie bietet zwei Vorteile. Zum einen macht sie das Erzeugen und Verbrennen von Biogas wirtschaftlicher: Bei der Verstromung vor Ort können etwa 40 Prozent der im Gas enthaltenen Energie als Abwärme verlorengehen, weil es im ländlichen Raum häufig keine Möglichkeit für ihre Verwertung in einem Wärmenetz gibt. Das per Pipeline belieferte Kraftwerk von BS Energy dagegen ist nahe genug an den Abnehmern, sodass sich die Wärmeenergie in das bestehende Fern- und Nahwärmenetz einspeisen lässt.

Der zweite Vorteil: Auch Landwirte, die nahe der Pipeline angesiedelt sind, können ihr Gas in das neue Bio-Netz einspeisen. Das bedeutet für sie eine zusätzliche Einnahmequelle durch die Wärmeverwertung und für das Kraftwerk eine Steigerung seiner Versorgungskapazität. Entsprechende Anfragen von Landwirten gibt es bereits – selbst von solchen, die bereits eigene Biogasanlagen samt angeschlossenem Generator betreiben und die deshalb den stromerzeugenden Teil ihrer Anlage abschreiben müssten.

Fürs Erste hat der Abwasserverband, der die zentrale Biogasanlage baut und betreiben wird, mit BS Energy vereinbart, jährlich Biogas für 38 000 Megawattstunden Energie zu liefern. Das reicht für die Versorgung von etwa 5000 Haushalten mit Strom und 1500 Haushalten mit Wärme. Die Transportleitung wurde aber vorsorglich so ausgelegt, dass sie auch die doppelte Gasmenge befördern kann.

Biogas besteht zu 50 bis 70 Prozent aus dem Brennstoff Methan, zu 20 bis 40 Prozent aus Kohlendioxid und darüber hinaus aus weiteren Gasen wie Wasserdampf, Stickstoff, Sauerstoff, Wasserstoff und Ammoniak. "Ursprünglich wollten wir das Biogas aus der Anlage selbst verbrennen. Wir hatten sogar schon die beiden Gas-Otto-Motoren dafür gekauft", sagt Professor Theodor Eggers, Vorsteher des Abwasserverbandes. Allerdings wäre die Einspeisung ins Stromnetz des örtlichen Betreibers zu teuer geworden: Der Verband hätte die dafür nötige 3,5 Kilometer lange Stromleitung laut Eggers komplett selbst bezahlen müssen.

Der Ort für die Anlage war jedoch mit Bedacht gewählt worden, damit der Transportweg für alle biomasseliefernden Landwirte möglichst kurz ist. Eine Zwickmühle – doch hier kam BS Energy ins Spiel: Der Versorger plante ohnehin ein zweites Erdgas-Blockheizkraftwerk am Standort Ölper und sattelte dafür kurzerhand auf Biogas um. Er bot an, die nötige Pipeline zu bauen, das Biogas abzunehmen und selbst zu verwerten – sogar die beiden vom Verband bereits angeschafften Motoren finden jetzt im neuen Kraftwerk Verwendung.

Auch bei den nötigen Genehmigungen für den Pipeline- Bau fügte sich alles bestens. Weil die Röhre Grundstücke von mehreren Bauern, der Deutschen Bahn und den Mittellandkanal unterqueren sollte, schienen zunächst Verzögerungen programmiert. Doch es kam anders: "Ich war ziemlich von den Socken, als wir alles innerhalb von sechs Wochen zusammenhatten. Selbst die Behörden haben alle gut mitgezogen", staunt Michael Wagner, Projektleiter bei BS Energy, immer noch. Auch der Bau geht bislang rasch voran. Nach der Grundsteinlegung im März sollen sowohl die Biogasanlage als auch das Blockheizkraftwerk im Juli fertig werden.

Ganz problemfrei verlief das Projekt aber doch nicht: Ursprünglich war geplant, dass auch Biogas aus anderen Quellen wie Faultürmen in die Pipeline geleitet wird – BS Energy wollte sich diese Möglichkeit offenhalten für den Fall, dass die Landwirte nicht die erwartete Biogasmenge liefern. Doch das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) erlaubt keine Mischung von Biogasen unterschiedlicher Herkunft – nicht etwa, weil das gefährlich wäre, sondern weil sich die Förde- rung je nach Quelle unterscheidet. "Die Verträge mussten wir noch etwas verschieben", sagt Projektleiter Wagner – er rechne aber damit, dass das EEG in den nächsten Monaten "im Sinne der Vernunft" geändert wird.

In frühestens fünf Jahren – je nach der Entwicklung des Strompreises – könnte das Biogasnetz-Projekt erstmals Gewinn abwerfen, rechnet Wagner vorsichtig vor. Und quasi nebenbei schließt sich mit der Pipeline ein regionaler Wasserund Energiekreislauf: Die Biomasselieferanten im Umland beziehen für ihre Felder seit Jahrzehnten mit nährstoffreichem Klärschlamm versetztes Wasser. Geliefert wird es vom Klärwerk Steinhof, das vom AVBS betrieben wird und auch Abwasser aus der Stadt Braunschweig aufbereitet. Bernhard Teiser, Geschäftsführer des Verbands, hat unterdessen schon einen weiteren Ringschluss im Blick: Die Zukunft gehöre der Aufwertung von Biogas auf Erdgasqualität, das sich dann ohne den Bau spezieller Biogas-Pipelines in die bereits existierenden Erdgasleitungen einspeisen ließe. (bsc)