Streit um Darwin

Die Diskussion um die Behandlung der biblischen Schöpfungslehre im Biologie-Unterricht ist nun auch in Deutschland angekommen. Doch der Streit geht am eigentlichen Thema vorbei.

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Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Peter Monnerjahn
Inhaltsverzeichnis

Es liegt in der Natur des Menschen, Fehler in anderen Menschen gerade dann mit einer gewissen Genugtuung zu sehen, wenn diese anderen eine Vorbildfunktion haben – kein Tag vergeht, an dem Boulevardzeitungen an dieser Tatsache nicht gutes Geld verdienen. So schauen wir nicht selten auf die einzig verbliebene Weltmacht USA und sehen mit einem Anflug klammheimlicher Freude, dass nicht weniger als die Hälfte der US-Amerikaner einer wörtlichen Interpretation der Bibel anhängt, die Existenz der Erde samt ihrer Bewohner einem göttlichen Schöpfungsakt zuspricht und fest glaubt, sie sehe nicht einen Tag älter aus als 6012 Jahre.

Die relative Überlegenheit unserer Bildungskultur in Fragen der Evolution wird allerdings nicht nur aufgrund einschlägiger Umfrageergebnisse hinterfragt werden müssen. Im Herbst 2006 zeigte der Film "Von Göttern und Designern", dass zumindest an zwei Gießener Privatschulen bereits nach Lehrbüchern aus kreationistischer Feder unterrichtet wird. Damit nicht genug: Die hessische Kultusministerin Wolff will sich zwar vom Kreationismus als solchem ausdrücklich distanzieren, kommentierte aber den Gießener Unterricht gegenüber der dpa mit folgenden Worten: "Ich halte es für sinnvoll, fächerübergreifende und -verbindende Fragestellungen aufzuwerfen, dass man nicht einfach Schüler in Biologie mit der Evolutionslehre konfrontiert und Schüler im Religionsunterricht mit der Schöpfungslehre der Bibel, sondern dass man gelegentlich auch schaut, ob es Gegensätze und Konvergenzen gibt." In einem weiteren Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" im Juni 2007 sieht die Ministerin dann eine "erstaunliche Übereinstimmung" zwischen der biblischen Schöpfungsgeschichte und wissenschaftlichen Erkenntnissen, die in einem "modernen Biologie-Unterricht" auch eine Rolle spielen sollten – als nur ein Beispiel für "eine neue Gemeinsamkeit von Naturwissenschaft und Religion".

Die Reaktion auf Wolffs Ideen folgte schnell und vorhersehbar: Der Verband deutscher Biologen wird vornehmlich damit zitiert, Wolff falle auf "Taschenspielertricks der Kreationisten" herein. Unterstützung erhält Wolff vom Augsburger Bischof Mixa und sogar vom sonst eher unorthodoxen Theologen Hans Küng, die in der "Leipziger Volkszeitung" respektive im "Deutschlandradio Kultur" zitiert werden, die "Fixierung auf die Evolutionstheorie" habe "etwas Totalitäres" (Mixa) beziehungsweise die Frage nach Gott und einer Schöpfung direkt als unsinnig abzulehnen, sei eine dogmatische Behauptung, die nicht akzeptiert werden dürfe (Küng).

Bloß: Wer hat jetzt Recht? Die einschlägige Berichterstattung ist bei dieser Frage keine große Hilfe, lässt bestenfalls der einen oder anderen Seite das letzte Wort. Denn alles, was wir sehen, ist, dass die eine Seite sagt: "Wir haben die Fakten, die anderen nur Mythen"; und die Gegenseite retourniert: "Wir bieten bloß Alternativen, die anderen sollen bitteschön nicht so dogmatisch sein und Denkverbote aussprechen". Doch weder ist die Diskussion so einfach, noch erlaubt es diese Darstellung, sich ein unabhängiges, also selbstständiges, kritisches Bild zu machen. Der erste Schritt dorthin ist die Sammlung relevanter Fakten.