Das Smartphone als Freizeitberater

Eine neue Handy-Software setzt auf künstliche Intelligenz, um das Verhalten des Nutzers zu interpretieren – und ihm dann Aktivitäten vorzuschlagen, die ihn interessieren könnten.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Kate Greene

Das Handy ist schon lange kein simples Zweiwege-Kommunikationsmittel mehr – heutige Mobiltelefone sind kleine Computer, inklusive Multimedia-Player, Kartenzugriff und Web-Darstellung. Forscher am Palo Alto Research Center (PARC) wollen das Smartphone der Zukunft nun noch intelligenter machen. Sie haben eine Software entwickelt, die aus dem Handy einen persönlichen Assistenten macht, der dem Nutzer hilft, sein Freizeitverhalten zu optimieren. Das Werkzeug namens "Magitti" nutzt eine Reihe von Anhaltspunkten, um die Interessen einer Person abzuleiten – sei es nun die Tageszeit, der genaue Ort, früheres Verhalten oder SMS, die sie verschickt hat. Anschließend wird eine Liste interessanter Vorschläge unterbreiten – etwa Konzerte, Filme, Buchläden oder Restaurants, die zum Nutzer passen könnten.

Sobald der Handybesitzer die Magitti-Software zum ersten Mal öffnet, wird sofort eine Empfehlungsliste gezeigt. Ist es Mittag, schlägt das Programm dann beispielsweise ein in der Nähe liegendes Lokal vor, ist es 15 Uhr, wird eine am Ort befindliche Boutique angezeigt. Um 21 Uhr Abends erscheint hingegen eine Liste mit Kneipen. Mit der Zeit passen sich diese Empfehlungen schließlich dem Nutzerverhalten an – Magitti lernt aus seinem Verhalten und seinen Präferenzen. Dazu werden Algorithmen der künstlichen Intelligenz verwendet, die schon lange in der Forschung genutzt werden, um maßgeschneiderte Empfehlungen auszusprechen. Zieht der Benutzer beispielsweise kostengünstige Mittagessen und teurere Abendessen vor, lernt die Software das – die GPS-Positon des Restaurants wird mit einer Datenbank abgeglichen. Anschließend werden passende Empfehlungen präsentiert.

Es gibt bereits Produkte auf dem Markt, die GPS zum Auffinden von Freunden nutzen (Loopt) oder eine Suche anhand des Ortes ermöglichen (Google, Microsoft, Yahoo). Magitti geht jedoch noch weiter: "Einzigartig ist, dass wir versucht haben, der Software ein Gefühl für verschiedene Aktivitäten zu vermitteln", meint Victoria Bellotti, leitende Forscherin am PARC. "Wir wollen herausfinden, in welcher Stimmung der Nutzer ist: Ob er Hunger hat, unterhalten werden will... Und wir versuchen dann, dies alles dann zu einer entspannenden, interaktiven Erfahrung zu machen, statt ihn mit Hinweisen zu nerven oder ihm eine Suchemaske aufzuzwingen."

Die PARC-Software wurde für die japanische Firma Dai Nippon Printing entwickelt. Sie ist nur ein Beispiel eines größeren Trends, mobile Geräte intelligenter zu machen. In vielen Fällen geht es dabei darum, dass Gadgets mehr über den Benutzer lernen, der sie bedient. Mit zunehmender Leistungsfähigkeit und Sensoren wie Beschleunigungsmessern oder GPS werden Algorithmen aus der künstlichen Intelligenz immer interessanter, um die Daten auch auszuwerten. Microsoft, Intel, Nokia und Universitäten wie das MIT haben Forschungsgruppen gebildet, die diese neue Art von Software vorantreiben wollen.

PARC-Forscher Kurt Partridge will sich zwar nicht zu den technischen Details von Magitti äußern, erklärt aber zumindest, dass die Software serverseitig Modelle aus diesen Datensätzen konstruiert – und so aus vorherigem Verhalten vorhersagt, wo ein Nutzer sich hin begeben und was ihn interessieren könnte. Magitti zieht GPS-Daten aus dem Handy, analysiert SMS-Botschaften und Informationen über Veranstaltungen, die im Kalender des Telefons gespeichert sind. Dies wird dann zusammen mit Suchbegriffen auf den Server hochgeladen. Textbotschaften sind wichtig, weil sie oft Informationen über zukünftige Pläne enthalten, sagen die Forscher. Wenn ein Nutzer Magitti beispielsweise verwendet, um ein Restaurant für ein Abendessen zu finden, erhält er womöglich vorab eine SMS von einem Freund, der Sushi vorschlägt. Dann werden Empfehlungen für entsprechende Restaurants weiter oben auf der Liste einsortiert.

Die Vorstellung, derart genaue persönliche Informationen wie die Ortsangabe speichern zu lassen, ruft diverse Datenschutzbedenken hervor. Doch dies habe man bei der Entwicklung bedacht, sagt PARC-Forscherin Bellotti. Deshalb werden SMS-Botschaften beispielsweise nur sehr kurz vorgehalten. Doch ohne das Tauschgeschäft Privatsphäre gegen Bequemlichkeit wird es bei solch neuen, auf den Kontext bezogenen und mit ortsbasierten Daten versehenen Diensten kaum gehen, meint sie. "Ich denke, die Leute werden diese Modelle am Anfang dann akzeptieren, wenn sie einen großen Nutzen daraus ziehen." Sobald sie dann festgestellt hätten, dass hier nichts Schlimmes mit ihnen geschehe, würden sie sich daran gewöhnen. Dies sei ähnlich wie bei der Verwendung von Kreditkarten, die bequem seien, obwohl man damit doch eine digitale Spur hinterlasse, so Bellotti.

Noch ist allerdings fraglich, wie praktisch Magitti wirklich ist. Die technischen Probleme sind laut Partridge noch nicht vollständig gelöst und die Software muss noch genauer werden. Eines der Probleme sei, dass die Kategorien für Aktivitäten, die die Leute nutzten, mehrere Bedeutungen haben könnten. "Shopping" könne beispielsweise heißen, auf dem Markt zu schlendern oder in ein Kaufhaus zu gehen. "Essen" meine ein Essen im Restaurant, die Mitnahme eines Sandwiches aus dem Supermarkt oder ein Mahl im eigenen Wohnzimmer. Diese Kategorien müssten zunächst klarer gemacht werden, um die Empfehlungen zu verbessern, sagt Partidge.

Mor Naaman, Forscher beim Portalbetreiber Yahoo, sieht in einer solchen Software einige generelle Fragen liegen, wie Nutzer mit Empfehlungssystemen umgingen. "Wir wissen, dass die Leute gut mit solch einer Technik beim E-Commerce-Anbieter Amazon oder dem US-Online-Videoverleiher Netflix umgehen. Wenn man einen Computer anschaltet und er genau weiß, was man will und gute Informationen dazu liefert, ist das eine ganz tolle Sache – fast wie Magie." Doch dazu müsse die Nutzerschnittstelle stimmen und die Art, wie solche Dienste empfunden und verwendet würden. Genaue hier müsse man abwarten.

Im Frühjahr 2008 startet das PARC zunächst eine MagittiTestphase mit jungen Erwachsenen in Tokio. Je nach Feedback wird die Technik dann einer größeren Gruppe zugänglich gemacht. Der US-Mobilfunkmarkt ist dagegen ein ganz anderes Problem. Da es so viele Anbieter und Gerätehersteller gäbe, sei die Technik in ihrer Heimat sehr viel schwerer zu implementieren, heißt es aus dem PARC. (bsc)