Globale Erwärmung gibt Hurrikans mehr Kraft

Die Indizien für einen Zusammenhang zwischen globaler Erwärmung, Zahl und Intensität von Hurrikans verdichten sich.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Ute Kehse
  • Susanne Katzenberg

Wird es in einer wärmeren Welt schlimmere Wirbelstürme geben? Diese Frage wurde unter Klimaforschern in den letzten Jahren heftig diskutiert. "Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die globale Erwärmung drastische Veränderungen bei der Zahl oder der Intensität von Hurrikans hervorgerufen hat oder hervorrufen wird", schreibt etwa Chris Landsea von der Abteilung für Hurrikanforschung der US-Klimabehörde National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) auf seiner Homepage. Die renommierten Klimaforscher Stefan Rahmstorf, Michael Mann, Gavin Schmidt und weitere Kollegen halten auf ihrer Diskussionsseite realclimate.org dagegen: "Die derzeitige Beweislage spricht sehr dafür, dass Hurrikans zerstörerischer werden, wenn die Meeresoberflächentemperaturen steigen."

Genau das bestätigt eine heute in der Zeitschrift Science veröffentlichte Studie: In den letzten 30 Jahren, so berichten Forscher um Paul Webster vom Georgia Institute of Technology, erwärmte sich das Oberflächenwasser der Meere weltweit um durchschnittlich 0,5 Grad Celsius. Gleichzeitig verdoppelte sich die Zahl der stärksten tropischen Wirbelstürme nahezu: Während es in den Siebzigerjahren pro Jahr weltweit im Schnitt zehn Hurrikans der Kategorien 4 und 5 gab, stieg ihre Zahl zwischen 1995 und 2004 auf durchschnittlich 18 pro Jahr.

Bislang gibt es zwar keinerlei Anzeichen dafür, dass weltweit mehr Stürme auftreten. Dem Bericht von Webster zufolge sank ihre Häufigkeit seit Mitte der Neunzigerjahre sogar. Wie viele Hurrikans jedes Jahr in der Karibik und im Pazifik heraufziehen, ist großen Schwankungen unterworfen, berichtete auch Kevin Trenberth vom US-amerikanischen National Center for Atmospheric Research im Juni 2005 in Science. Die allgemeine Großwetterlage, aber auch Klimazyklen wie El Nino haben darauf einen großen Einfluss. Bei den stärksten Stürmen erkennen die Forscher um Webster allerdings einen deutlich ansteigenden Trend, der eng mit den steigenden Temperaturen des Meerwassers zusammenhängt: Die absolute Zahl der Unwetter, die eine Windgeschwindigkeit von mehr als 210 Kilometer pro Stunde erreichten und damit in die Kategorien vier und fünf fielen, verdoppelte sich fast. Ihr Anteil an den Hurrikanen insgesamt nahm von 20 auf 35 Prozent zu.

"Die Arbeit bestaetigt im Wesentlichen, was schon von Kerry Emanuel beschrieben worden ist", sagt der Klimaforscher Mojib Latif vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften in Kiel. Emanuel, ein Hurrikanforscher vom Massachusetts Institute of Technology, kam Anfang August zu ganz ähnlichen Ergebnissen wie jetzt Webster und Kollegen. Der Forscher berichtete in der Zeitschrift Nature, dass die von Hurrikans im Nordatlantik und Nordpazifik insgesamt freigesetzte Energie seit den Siebzigerjahren etwa um mehr als die Hälfte zugenommen hat. Emanuel untersuchte die durchschnittliche Dauer der Stürme, den freigesetzten Niederschlag und die Spitzen-Windgeschwindigkeit und stellte überall starke Zunahmen fest. "Meine Studie liefert zum ersten Mal den Beweis, dass globale Erwärmung und Hurrikan-Aktivität zusammenhängen", kommentierte der Forscher damals.

Eine weitere überraschende Erkenntnis der Emanuel-Studie: Die freigesetzte Hurrikan-Energie stieg wesentlich stärker an als es dem Anstieg der Wassertemperaturen entsprach. Theoretisch sollte eine Erwärmung des Meerwassers um 0,5 Grad Celsius lediglich eine Energiezunahme um zehn Prozent nach sich ziehen. Tatsächlich beobachtete Emanuel aber eine 15-prozentige Zunahme der Windgeschwindigkeit und eine um 60 Prozent erhöhte Lebensdauer der Stürme, was die freigesetzte Energie insgesamt um 70 Prozent erhöhte. Der Forscher vermutet, dass nicht nur die Temperatur an der Meeresoberfläche eine Rolle für den starken Trend zu heftigeren Stürmen spielt, sondern auch die von tieferen Wasserschichten. "Es gibt Anzeichen dafür, dass die Temperaturen in der Tiefe ebenfalls angestiegen sind", schrieb Emanuel. Fördert ein Hurrikan durch seine Sturmböen kälteres Tiefenwasser an die Oberfläche, so wird er schwächer, da er auf warmen Wasserdampf-Nachschub angewiesen ist. Der umgekehrte Effekt trat Ende August beim Hurrikan Katrina ein: Als das Unwetter über Florida hinweg zog, hatte es gerade mal Kategorie 1 erreicht. Doch im Golf von Mexiko traf Katrina auf einen tief reichenden, warmen Wasserwirbel, den so genannten Loop-Current. Aus dem Golfstrom-Ableger sog Katrina neue Kraft und mutierte zum Monstersturm.

Ob sich der Trend zu heftigeren Tropenstürmen in Zukunft fortsetzen wird, ist unter Klimaforschern umstritten. "Die Entstehung von Hurrikans wird in den globalen Klimamodellen nicht erfasst, die Stürme fallen sozusagen durch die Maschen", sagt Erich Roeckner vom Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie. Zwar liefern wärmere Meerestemperaturen den nötigen Treibstoff für heftigere Hurrikans. Andere Nebeneffekte der globalen Erwärmung könnten die Entstehung der Tropenstürme jedoch hemmen. "Ein wichtiger Faktor sind so genannte vertikale Schwerwinde", sagt Roeckner. Hurrikans entstehen nur, wenn diese Scherwinde klein sind, das heißt, wenn sich die Windgeschwindigkeit am Boden kaum von der in größerer Höhe unterscheidet. Im Südatlantik, wo häufig starke Scherwinde herrschen, treten so gut wie keine Hurrikans auf.

Durch die globale Erwärmung wird sich die Windscherung wahrscheinlich erhöhen, sodass einige Forscher vermuten, dass dieser Effekt die Wirkung des wärmeren Meerwassers aufhebt. Andere Forschungsergebnisse legen dagegen nahe, dass der Trend zu immer wilderen Hurrikans auch in Zukunft anhält: So berechneten Thomas Knutson von der NOAA und Robert Tuleya von der Old Dominion University im US-Bundesstaat Virginia, dass Hurrikans bei einem CO2-Anstieg um ein Prozent pro Jahr in 80 Jahren im Schnitt eine halbe Kategorie stärker sein werden als heute. Die Zahl der Kategorie-5-Stürme verdreifacht sich in diesem Szenario sogar. Womöglich muss der Saffir-Simpson-Skala dann eine Kategorie 6 hinzugefügt werden, denn in einem solchen Szenario werden Stürme mit einer Gewalt möglich, wie sie bislang noch nicht über die Meere ziehen. (wst)