Bund und Länder wollen Jugendmedienschutz verbessern

Die Ministerpräsidenten der Länder haben sich auf einen neuen Entwurf für den Jugendmedienschutzstaatsvertrag (JMStV) geeinigt. Parallel dazu plant der Bund eine deutliche weiter reichende Neukonzeption.

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Kinder am Computer

(Bild: dpa, Waltraud Grubitzsch)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Urs Mansmann
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Die Ministerpräsidenten haben sich am heutigen Freitag auf einen neuen Entwurf für den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) geeinigt. Parallel dazu bringt der Bund ein deutlich weiter reichendes Papier zur Neukonzeption des Jugendmedienschutzes in die Diskussion ein, das heise online vorliegt .

Der gesetzliche Jugendmedienschutz ist in Deutschland derzeit in 50 Paragraphen auf zwei unterschiedliche Gesetze verteilt geregelt – das Jugendschutzgesetz und den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag. Aktuell wird damit immer noch nach "Trägermedien" (offline) einerseits sowie "Rundfunk" und "Telemedien" (online) andererseits unterschieden. Diese Struktur stammt aus dem Jahr 2003 und wird von Jugendschützern, Wissenschaftlern, Unternehmen und Elternverbänden gleichermaßen bereits seit einigen Jahren als veraltet, unverständlich und wirkungslos kritisiert.

In ihrer Sitzung am Freitag einigten sich die Ministerpräsidenten nun auf einen neuen Entwurf des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags, der bis zum Dezember 2015 in den Landtagen diskutiert werden soll. Unter anderem mit Hilfe mehrerer öffentlicher Online-Konsultationen hatte man im vergangenen Jahr versucht, modernere Regelungen zu finden. Vielen geht der Vorschlag jedoch nicht weit genug. Der Medienrechtler Professor Marc Liesching kritisiert, dass die dringlichen Fragen eines zeitgemäßen Jugendschutzes im Web 2.0 in dem nun beschlossenen Entwurf "vollumfänglich unbeantwortet" bleiben.

Der Bund hat nun parallel ein Papier mit Vorschlägen in die Diskussion eingebracht, das der Redaktion vorliegt. Die bislang unübersichtlichen gesetzlichen Regelungen werden darin auf zwanzig Paragrafen reduziert. Es ist das erste Mal, dass von politischer Seite so weit reichende Vorschläge eingebracht werden. Die gesetzlichen Vorschriften sollen diesen Vorstellungen nach für alle Medien gleichermaßen gelten, egal ob es sich um Datenträger, Online-Inhalte oder Rundfunksendungen handelt.

In diesem Vorschlag regelt § 3 Unzulässigkeitstatbestände und § 4 abschließend alle Erwachsenenangebote für alle Medien gleich, einschließlich indizierter Medien. In den Paragrafen 5 und 5a wird ein einheitliches Modell zur Altersstufenbewertung und -kennzeichnung für alle Medien vorgeschlagen. Allerdings ist diese Altersbewertung freiwillig.

Medienanbieter hätten demzufolge die Wahl zwischen vier Optionen, die ihnen für alle Medientypen abgestufte Privilegierungen ermöglichen. Der Anbieter kann aber auch wie bisher auf seine eigene Einschätzung vertrauen und ohne externe Alterskennzeichnung Medieninhalte verbreiten. Hier beschreibt der Bund also die Vorstellung eines freiwilligen Systems, das durch ordnungsrechtliche Anreizwirkungen gefördert wird.

In § 6 werden alle jugendschutzrelevanten Werbebeschränkungen einheitlich geregelt und konsolidiert. Bislang sind diese in verschiedenen Vorschriften verstreut (beispielsweise §§ 3 Abs. 2 S. 3, 15 Abs. 1 Nr. 6, Absätze 4 und 5 JuSchG sowie § 6 JMStV) und galten jeweils nur für bestimmte Medienarten. Auch für die Selbstkontrollen wird ein vereinfachtes, konvergentes System vorgeschlagen. Alle Selbstkontrolleinrichtungen (FSK, USK, FSF, FSM) werden gleichgestellt. Jede Einrichtung kann alle Medien ungeachtet des Verbreitungsweges nach Altersstufen bewerten. Die Entscheidungen gelten für alle Verbreitungswege gleichermaßen. Alle Selbstkontrollinstitutionen haben die gleichen Kompetenzen und ihre Entscheidungen dieselben Rechtsfolgen. Bisher galten unterschiedliche Kompetenzen und Alterskennzeichnungsverfahren bei Filmen oder Spielen.

Eine Anpassung an die Medienrealität soll auch über die gesetzliche Berücksichtigung und Privilegierung von automatisierten Altersbewertungssystemen erfolgen. Hiermit trägt der Bund modernen und globalen Jugendschutzsystemen wie dem der International Age Rating Coalition (IARC) Rechnung, mit dem seit Anfang des Jahres bereits hunderttausende von Apps gekennzeichnet worden sind. In dem Vorschlag werden zudem zahlreiche Regelungen gestrichen, die bisher keine praktische Anwendung fanden. Zum Beispiel wird das bisher in § 8 JMStV geregelte Verfahren einer präventiven Sendezeitbeschränkung von Sendeformaten, das seit 2003 in keinem Fall angewendet wurde, ersatzlos gestrichen.

Auch in Bezug auf weitere unsystematische Sonderstellungen räumt der Bund auf. Zukünftig sollen auch Sendungen von öffentlich-rechtlichen Sendern wie ARD und ZDF beanstandet werden können, wenn Jugendschutzverstöße nachgewiesen werden können. Bislang war dies nicht möglich. Dennoch werden einige Sonderregelungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk belassen. Bußgeldverfahren sollen ausgeschlossen sein und Altersbewertungen von ARD und ZDF sollen den gleichen Stellenwert haben wie solche der anerkannten Selbstkontrolleinrichtungen.

In dem Vorschlag macht der Bund zudem deutlich, dass auch für neuartige Kommunikationsrisiken für Kinder und Jugendliche insbesondere in sozialen Netzwerken Lösungen vorgesehen sind, die allerdings noch nicht zur Diskussion gestellt werden. Mit diesem Vorschlag kann erwartet werden, dass die Diskussion um den zukünftigen gesetzlichen Jugendschutz wieder Aufwind bekommt und deutlich weitreichender geführt wird, als dies bislang der Fall war. In der Bund-Länder-Kommission haben beide Seiten vereinbart, schon bald für die Konkretisierung der Ideen zusammenzukommen. (uma)