"Irgendwann müssen alle umsteigen"

Der Flugzeugbauer Airbus setzt entschlossen auf 3D-Druck: Ab 2016 sollen die ersten 20 Metallteile seiner Maschinen serienmäßig mit dem neuen Verfahren entstehen. Andere Branchen dürften folgen.

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Von
  • Sascha Mattke

Der Flugzeugbauer Airbus setzt entschlossen auf 3D-Druck: Ab 2016 sollen die ersten 20 Metallteile seiner Maschinen serienmäßig mit dem neuen Verfahren entstehen. Andere Branchen dürften folgen.

Wenn das Gewicht von ab Ende 2018 produzierten Flugzeugen des Typs Airbus A350 um eine Tonne geringer ausfällt, dann können Peter Sander von Airbus, Professor Claus Emmelmann vom Laserzentrum Nord und Frank Herzog von der Concept Laser GmbH zufrieden mit sich sein. Denn diese drei Männer haben in einer langjährigen Zusammenarbeit dafür gesorgt, dass Flugzeugteile aus Metall mit so genannten 3D-Druckern hergestellt werden können. Für diese Leistung sind sie für den Deutschen Zukunftspreis nominiert, der in diesem Dezember vergeben wird.

"Mit den relativ geringen Stückzahlen und den extrem hohen Sicherheitsanforderungen ist die Luftfahrtbranche für 3D-Druck besonders gut geeignet, denn das Drucken geht noch relativ langsam vor sich", erklärt Sander, der bei Airbus den Bereich Emerging Technology & Concepts Deutschland leitet und als Sprecher für das Dreier-Team beim Zukunftspreis auftritt. Ein Airbus A350 ist bereits seit etwa einem Jahr zu Demonstrationszwecken mit einem gedruckten Kabinenhalter aus Titan in der Luft unterwegs. Ab Anfang 2016 sollen die ersten Maschinen folgen, bei denen 20 verschiedene Titan-Teile serienmäßig aus dem 3D-Drucker kommen.

Sander strahlt Begeisterung für diese Technologie aus, und die dürfte er auch gebraucht haben, denn für ihren Weg in die Serie waren viele Jahre Vorarbeit erforderlich. Angefangen hat alles Mitte der 1990er Jahre mit der Überlegung von Herzog, dass der damals neu aufkommende 3D-Druck mit Kunststoffen in ähnlicher Form doch auch mit Metallpulvern möglich sein müsste. Nach ersten erfolgreichen Versuchen gründete er Mitte des Jahres Concept Laser, weniger als zwei Jahre später war schon sein erstes Produkt fertig: eine Fertigungsmaschine, und zwar die erste weltweit, in der Metallteile Schicht für Schicht übereinander entstehen, anstatt gegossen oder aus einem Block geschnitten zu werden.

Sander und Emmermann, die sich zu dieser Zeit ebenfalls schon mit 3D-Druck beschäftigten, nahmen Kontakt zu Herzog auf, und so begann die gemeinsame Arbeit – der Airbus-Mann steuerte die Anwendersicht bei, der Professor zusätzliche Erkenntnisse aus der Wissenschaft. Nach einigen kleineren Projekten fiel Anfang 2011 die Entscheidung, ein Teil – den besagten Kabinenhalter – tatsächlich zu drucken, zu prüfen und zertifizieren zu lassen und in ein Flugzeug einzubauen. Concept Laser integrierte dazu in seine Maschine unter anderem ein optisches System, das noch während des Drucks die Qualität der entstehenden Teile kontrolliert. Heute gehört das Unternehmen zusammen mit zwei weiteren deutschen Anbietern zu denjenigen, die laut Sander "die ganze Welt mit 3D-Druckern beliefern".

Die korrekte Bezeichnung für die Metall-Drucktechnologie lautet, wie Emmelmann erklärt, nicht etwa 3D-Druck, sondern "Wärmeleitungsauftragsschweißen"; Concept Laser benutzt dafür den Markennamen LaserCusping. Das Material kommt dabei anders als beim 3D-Druck mit Kunststoffen nicht aus einer Düse, sondern wird in Pulverform auf einer Grundplatte verteilt. Ein starker Laser lässt das Material dann an den richtigen Stellen schmelzen, die Platte fährt wenige Mikrometer herunter, und es folgt die nächste Schicht – immer so weiter, bis zum fertigen Bauteil.

Gerade bei teuren Materialien wie Titan hat das den Vorteil, dass deutlich weniger davon gebraucht wird. Und weil beim Drucken neue Formen und Strukturen möglich sind, ergibt sich eine erhebliche Gewichtsersparnis, laut Sander manchmal um mehr als die Hälfte. Insgesamt wurden bei Airbus bislang 120 Metallteile auf ihre Eignung für 3D-Druck untersucht, viele davon sollen in halbjährlichen Wellen bis Ende 2018 in die Serienproduktion kommen.

Die wenigsten dieser Teile seien für Fluggäste sichtbar, sagt Sander. Eine Ausnahme ist eine Luftbremse, die nach dem Landen aus der Tragfläche geklappt und auch als Spoiler bezeichnet wird: „Der lässt sich in Metall als System 8 Prozent leichter machen als mit Glasfaser, und er ist auch noch hitzebeständig“.

"Weil die Laser immer stärker und die Maschinen dadurch schneller werden, purzeln ungefähr jedes halbe Jahr neue Business-Cases herunter", erklärt Sander – 3D-Druck rechnet sich also für immer mehr Teile. Nach Titan will Airbus ab Mitte 2016 auch mit Edelstahl in Serie drucken, für Ende 2017 steht Aluminium auf dem Plan. Insgesamt soll beim Leergewicht eines Airbus A350-900 dadurch bis 2018 eine volle Tonne Gewicht eingespart werden – wobei aber immer noch 159 Tonnen übrig bleiben.

Ein Flugzeug komplett aus dem Drucker wird es laut Sander auf absehbare Zeit nicht geben. Trotzdem aber müsse Airbus ebenso wie andere Unternehmen wegen der Möglichkeiten der neuen Technologie grundlegend umdenken: "Wir müssen ganz neue Design-Methoden entwickeln und Mitarbeiter dafür ausbilden. Dafür haben wir in den letzten fünf Jahren Millionen investiert." In der Medizintechnik-Branche sei bereits eine flächendeckende Umstellung auf 3D-Druck im Gang, weitere Branchen würden abhängig von ihren speziellen Anforderungen und Umständen später folgen. Auf längere Sicht aber, so Sander, „gibt es keinen Industriebereich, der nicht irgendwann umsteigen muss."

(sma)