Dem Himmel so nah

Nach der Beerdigung der HD DVD sind die Hersteller der Blu-ray Disc in Champagnerlaune. Der deutsche Anlagenbauer Singulus hat just seine Produktionslinie für 50-GByte-Scheiben fertiggestellt und hofft auf rosige Geschäfte. Derweil plant Sony bereits Nachfolgeformate mit 500 GByte Speicherplatz.

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Das Timing hätte nicht besser sein können. Nur eine Woche, nachdem Toshiba die HD DVD offiziell beerdigt hatte, lud Singulus die gesamte Branche für optische Speichermedien zur Vorstellung der neuen Produktionslinie für zweilagige Blu-ray Discs ein. Die Bluline 2 kann pro Tag 8000 vorbespielte Filmscheiben mit 50 GByte produzieren. Als erster Disc-Hersteller kündigte MPO an, mit Singulus-Maschinen künftig in Frankreich Blu-ray Discs fertigen zu wollen. In den nächsten zwei Jahren läge der Gesamtbedarf in Europa bei etwa 40 Linien, in den USA würden gar 70 bis 80 benötigt. Die Börsianer hatten dergleichen schon zu Jahresbeginn vorausgesehen. Als Warner sich von der HD DVD verabschiedete, schoss der Singulus-Aktienkurs in die Höhe.

Nach dem plötzlichen Sendestopp des HD-Programms von ProSiebenSat.1 wurde das Grinsen der Blu-ray-Befürworter sogar noch breiter, haben sie doch in den nächsten Jahren zumindest in Deutschland kaum Konkurrenz beim Vertrieb hochaufgelöster Filme zu fürchten. Nach einer Prognose des Marktforschungsunternehmens Understanding and Solutions sollen 2011 zwar 63 Prozent der westeuropäischen Haushalte einen HD-ready-Fernseher besitzen, aber nur 19 Prozent sollen zu diesem Zeitpunkt auch HDTV empfangen können. Daraus ergibt sich für die Marktforscher eine Versorgungslücke für HD-Filme, die durch die Blu-ray Disc gestopft werden könne.

Da Blu-ray-Laufwerke in der Herstellung nur etwa 15 bis 20 Dollar teurer als DVD-Abspieler seien, werde man in drei Jahren fast nur noch Blu-ray-Player auf dem Markt finden, die zusätzlich noch DVDs und CDs abspielen. Auch die Blu-ray-Scheiben sind in der Herstellung kaum teurer als DVDs. Während die Materialkosten einer zweilagigen DVD-ROM bei 11,3 US-Cent liegen, schlägt eine zweilagige BD-ROM laut Singulus mit 13,8 bis 15,7 US-Cent zu Buche. Da die Blu-ray-Hersteller untereinander konkurrieren, dürfen sich Verbraucher weiterhin über fallende Preise freuen. Deshalb werde 2011 bereits jeder dritte Haushalt ein Blu-ray-fähiges Abspielgerät besitzen, sei es ein PC-Laufwerk, ein Stand-alone-Player oder eine Spielkonsole. Während in diesem Jahr in Westeuropa nur 15 Millionen Blu-ray-Filme verkauft werden, sollen es dann bereits 180 Millionen sein. Königin bleibt aber weiterhin die DVD, von der dann noch immer drei- bis viermal so viele Silberscheiben über die Ladentische wandern.

Doch die Industrie plant bereits für die Zeit nach Blu-ray. In Sonys Entwicklungslaboren will man zunächst die Anzahl der Speicherschichten der BD-ROM auf acht und bei der BD-R auf sechs erhöhen. Doch was im Labor funktioniert, dürfte die Anlagenbauer für die Produktionslinien vor erhebliche Probleme stellen. Schon jetzt liegt die Produktionsausbeute bei den zweilagigen BD-ROMs bei lediglich 65 Prozent, das heißt, jede dritte gepresste Scheibe landet im Abfall und kann aufgrund des komplexen Schichtaufbaus nur schwer recycelt werden – den blauen Engel gibts dafür nicht. Laut Auskunft der Singulus-Ingenieure würden bereits kleinste Luftblasen in der nur 73 µm dünnen Deckschicht dazu führen, dass die Bluline 2 die Scheiben aussortiere. Das wird auf einer achtlagigen Disc, bei der die Schichtdicken im µm-Bereich liegen, keinesfalls einfacher.

Wenn das Blu-ray-Konzept mit einer Multi-Layer-Scheibe ausgereizt sei, gäbe es zwei Möglichkeiten, die Speicherkapazitäten weiter zu steigern. Wolle man weiterhin abwärtskompatible Laufwerke bauen, könne man die Speicherdichte der einzelnen Aufnahmeschichten durch holografisches Material erhöhen. Im Labor habe Sony bereits eine solche µ-Reflector genannte Disc entwickelt, die 500 GByte auf zehn Lagen speichert.

Eine zweite Möglichkeit wäre die Nearfield-Methode, bei der man die numerische Apertur der Linse von 0,85 auf 1,8 erhöht und dadurch die Kapazität der einzelnen Aufnahmeschichten von 25 auf über 100 GByte steigert. Dazu müsste jedoch der Abstand der Linse zur Disc von derzeit 0,3 mm auf 25 nm verringert werden. Damit solche Laufwerke auch weiterhin CD, DVD oder BD abspielen können, benötigt der Kopf eine sehr präzise Servosteuerung, die den Abstand je nach Medium variiert. Bis zum Jahresende hofft Sony, erste Prototypen einer zweilagigen Nearfield-Scheibe fertigzustellen.

Doch bis diese marktreif sind, könnten HD-Filme bereits aus der Steckdose kommen und den Vertrieb auf optischen Datenträgern abgelöst haben. Deshalb sucht man bei Singulus bereits nach weiteren Standbeinen und ist in die Entwicklung von Solarzellen eingestiegen, bei der ähnliche Beschichtungstechniken zum Einsatz kommen – damit die Sonne für die Disc-Hersteller auch weiterhin scheint. (hag) (es)