Silberne Erinnerungen

Wer Dokumente, Fotos, Musik und Videos langfristig sichern will, greift meistens noch immer zur DVD. Den Verlustängsten vieler Anwender begegnen die Rohlingshersteller mit vollmundigen Versprechungen 100-jähriger Haltbarkeit. Wir haben im Langzeittest geprüft, ob die Scheiben tatsächlich Generationen überdauern oder an vorzeitiger Überalterung sterben.

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Die Digitalisierung der Speichertechnik zwingt den Anwender zum Umdenken, wenn es um die Konservierung von Daten und Informationen geht. Egal ob in Stein gemeißelte Hieroglyphen, Bilder von Michelangelo, Tonmitschnitte von den Beatles oder Filmaufnahmen der Mondlandung: Im analogen Zeitalter waren Inhalt und Datenträger untrennbar miteinander verbunden. Sie alterten und zerfielen mit den Steinplatten, Leinwänden und Magnetbändern, auf denen sie gespeichert wurden. Der Verfall war für jeden sichtbar und beschäftigte über Generationen hinweg Konservatoren und Restauratoren. Man konnte zwar Kopien auf neuen unverbrauchten Materialien anfertigen, diese besaßen jedoch nicht mehr die Qualität des Originals.

Im digitalen Zeitalter wurde diese Koppelung aufgehoben. Daten und Inhalte sind unabhängig von ihren Trägermedien. Sie können prinzipiell beliebig oft und verlustfrei kopiert werden. Wo Vinyl-Schallplatten anfangen zu knistern und Tonbänder immer dumpfer klingen, hören sich CDs selbst zehn Jahre später noch an wie am ersten Tag. Dieser Umstand trug zum Mythos der Unsterblichkeit der digitalen Speichermedien bei.

Auch wenn man es den digitalen Speichermedien oft mit bloßem Auge nicht ansieht: Auch sie altern. Man merkt es den Inhalten nur nicht an, denn Fehlerkorrektur-Algorithmen sorgen dafür, dass selbst bei Störungen eine Null weiterhin eine Null und eine Eins eine Eins bleibt. Doch unterhalb der digitalen Korrekturebene werden die Signale auf CD, DVD und auch Blu-ray Disc weiterhin analog aufgezeichnet und unterliegen ähnlichen Zerfallsprozessen wie die ihrer Ahnen aus der analogen Ära. Wenn von außen keine Alterserscheinungen sichtbar werden, dann trifft ein Datenverlust den Besitzer so unvermittelt wie ein Autounfall.

Um die tatsächliche Qualität einer Disc zu beurteilen, reicht es also nicht, die Nutzerdaten zu überprüfen. Man muss mit speziellen Prüfprogrammen die Fehlerrate messen, bevor die Fehlerkorrektur zuschlägt – nur dann kann man die Daten noch rechtzeitig auf ein anderes Medium kopieren. Auf dieser neuen Kopie ist das analoge Aufzeichnungssignal sogar besser als auf dem Ausgangsmaterial. Ein Fakt, der sich für viele Anwender, die mit analogen Speichermedien groß geworden sind, zunächst einmal paradox anhört.

Es geht nicht mehr darum, das Trägermaterial möglichst gut zu erhalten, sondern es rechtzeitig zu wechseln, bevor es zerfällt. Digitale Archivierung ist somit ein steter Prozess und kein Vorgang, der nach einmaligem Abspeichern abgeschlossen ist.

Auch wenn sie vom Speicherplatz und Transferraten her den Festplatten hinterherhinken, haben optische Datenträger Vorteile. Das Medium ist von der Laufwerksmechanik getrennt und somit vor mechanischen oder elektrischen Ausfällen gefeit. Einmal gespeicherte Daten können nachträglich weder verändert noch gelöscht werden – egal ob unabsichtlich durch eine Fehlbedienung des Anwenders, wegen eines Laufwerks- oder Software-Fehlers oder in böser Absicht durch einen Computervirus. Einmal beschreibbare Discs gehören zu den WORM-Medien (Write Once, Read Many).

Zudem kann man bei optischen Datenträgern die Qualität und den Alterungsgrad überprüfen und es existieren im Unterschied zu Festplatten und Flash-Speichern Testverfahren, die Rückschlüsse auf die Lebensdauer zulassen, sodass man die Daten umkopieren kann, bevor es zu einem Verlust kommt. Diese Vorteile müssen im Einzelfall mit dem erhöhten Arbeits- und Zeitaufwand für die Archivierung und spätere Datenmigration auf andere Speicher (die unweigerlich kommen wird) abgewogen werden.

Packt man die DVD-Rohlinge nach dem Brand in eine Klimakammer bei 85 °C und 85 Prozent relativer Luftfeuchte, so steigt die Fehlerrate mit der Aufenthaltsdauer an. Die Kodak-Medien sind bereits nach wenigen Stunden hinüber, während Taiyo Yuden und Verbatim Archival Grade den Fehlergrenzwert von 280 erst nach mehreren Hundert Stunden überschreiten. Die Graphen zeigen die Mittelwerte der Messungen.

Hat man sich grundsätzlich für eine Archivierung auf einer optischen Disc entschieden, so stellt sich die Frage nach dem am besten geeigneten Medientyp. Hier ist der einlagigen, einmal beschreibbaren DVD-R (beziehungsweise DVD+R) mit einer Kapazität von 4,3 GByte pro Scheibe der Vorzug zu geben. CDs sind im Vergleich einfach zu klein und zu langsam. Blu-ray Discs sind wiederum nicht nur viel zu teuer, das Format befindet sich auch noch mitten in der Entwicklung. Fast alle paar Monate kommen neue Medien und Laufwerke mit höheren Geschwindigkeiten auf den Markt und auch die Zusammensetzung der Aufnahmeschicht wird sich in den kommen Monaten noch mehrfach ändern. Bei DVDs ist das Ende der Fahnenstange hingegen erreicht. Erst, wenn sich die Blu-ray Disc konsolidiert hat, sie in jedem PC zu finden und genügend Zeit für Langzeittests verstrichen ist, sollte man sie zur Archivierung in Erwägung ziehen. Nach der aktuellen Entwicklung zu urteilen, wird dies aber frühestens in zwei bis drei Jahren der Fall sein.

Eine zweilagige DVD-R DL (oder auch DVD+R DL) kann zwar mit 8,5 GByte fast doppelt so viele Daten sichern wie eine einlagige, allerdings besteht nach dem Layer-Wechsel die Gefahr, dass ein Brenner zu viele Fehler produziert und ein DVD-Laufwerk die zweite Schicht nicht richtig erkennt, sodass man sich mit einlagigen Discs begnügen sollte.

Bei wiederbeschreibbaren RW-Medien werden die Markierungen nicht in einen organischen Farbstoff, sondern in einer anorganischen Phase-Change-Schicht gebrannt, die je nach Temperatur des Lasers amorph oder kristallin erkaltet. Eine solche Phase-Change-Schicht ist zwar weniger anfällig gegenüber Sonneneinstrahlung, allerdings muss der Laser des Laufwerks wesentlich genauer auf die Temperatureigenschaften der Schicht kalibriert werden. Da RW-Medien nur einen geringen Marktanteil haben, nimmt sich kaum ein Laufwerkshersteller die dafür nötige Zeit. Fast alle DVD-Brenner, die wir in den vergangenen Jahren getestet haben, produzierten mit RW-Medien inakzeptabel hohe Fehlerraten, sodass wir von ihrem Einsatz zur Archivierung abraten.

DVD-RAMs sollen zwar robuster sein, weil ihre Speicherschicht aufwendiger aufgebaut ist, dies lässt sich allerdings nicht überprüfen. In ganz Europa gibt es kein unabhängiges Labor, das die Qualität von DVD-RAMs testen könnte. Für Archivierungszwecke scheiden sie allein deshalb aus, weil der Anwender keinerlei Möglichkeit hat, die Qualität oder Alterung zu überprüfen und die Daten rechtzeitig auf ein anderes Medium zu sichern. Ein Medium, dessen Qualitätszustand sich nicht überprüfen lässt, ist für jedwede Archivierung ungeeignet.

Leider war in den vergangenen Jahren der Preisdruck auf dem Markt für optische Speichermedien so hoch, dass viele Hersteller die Produktion nach Südost-Asien oder Indien verlagert haben und ihre Ware von unterschiedlichen Drittherstellern beziehen. Da die Qualität von DVD-Rohlingen sich nur schwer überprüfen lässt, zählt für die Händler letztlich nur der Preis, und der wird gedrückt, koste es, was es wolle. Tests von Billig-Rohlingen und Supermarktware sind daher unsinnig, da die Lieferanten und auch die Qualität jederzeit wechseln, ohne dass dies auf der Verpackung ersichtlich wäre.

Wer DVDs zur Archivierung einsetzen will, muss sich darauf verlassen können, dass er hochwertige Rohlinge mit gleichbleibender Qualität bekommt. Einige große Hersteller haben inzwischen erkannt, dass es offenbar einen Markt für Archiv-DVDs gibt, deren Qualität wichtiger ist als der Preis. Für diesen Test haben wir uns deshalb auf Markenanbieter konzentriert, die ihre Scheiben zum Teil mit extra langen Archivierungszeiten anpreisen.

So bewirbt Kodak seine goldenen DVD-Rohlinge mit einer Haltbarkeit von 100 Jahren. Als Reflexionsschicht setzt Kodak allerdings kein reines 24-Karat-Gold ein, sondern eine Mischung aus Gold und Silber und weiteren Zusätzen, da reines Gold zu wenig Licht reflektieren würde.

Auch Verbatim setzt bei seiner DVD-R „Archival Grade“ kein Gold als Reflexionsschicht ein, sondern arbeitet mit zwei Schichten: Eine Silberlegierung auf der Datenschichtseite, um möglichst viel Licht zu reflektieren, und dahinter eine Goldschicht, die Reaktionen mit der Klebeschicht verhindern soll. Laut Verbatim werden diese auf ausgesuchten Fertigungsstraßen mit besonders geringen Fehlertoleranzen hergestellt. Für die Archivierung in Krankenhäusern bietet Verbatim wiederum die MediDisc DVD-R an. Diese muss ohne Goldschicht auskommen. Sie entspricht den normalen Verbatim DVD-Rs, allerdings müssen die Produktionslinien besonders strenge Toleranzvorgaben einhalten.

Als Vierten im Bunde haben wir die Scratchproof DVD-R von TDK ausgewählt, die sich von den übrigen TDK-Rohlingen durch eine besonders kratzfeste Schutzschicht auf der Datenseite unterscheidet. Eine solche ist ebenfalls auf der Verbatim „Archival Grade“ DVD-R zu finden. Während Verbatim jedoch einen Azo-Farbstoff für die Aufnahmeschicht verwendet, setzt TDK auf Phthalocyanin. Zum Vergleich nahmen wir noch normale DVD-Rohlinge des japanischen Herstellers Taiyo Yuden mit in den Test auf, die wegen ihrer guten Brennqualität inzwischen zu den Standardmedien für unsere Laufwerkstests gehören. Die Taiyo-Medien haben allerdings keine Kratzschutzschicht und nutzen für die Aufnahme einen Cyanin-Farbstoff, der seit den Zeiten der ersten CD-Rohlinge stetig verbessert wurde. Da Taiyo Yuden nur an Geschäftskunden liefert, findet man die Rohlinge nicht im Einzelhandel, sondern nur auf unbedruckten Spindeln in Online-Shops. Hier sollte man sich allerdings vor billigen Angeboten hüten, da sehr viele Plagiate im Umlauf sind. Die Originale kosten in Deutschland für gewöhnlich 70 bis 80 Cent pro Disc.

Die Trennung der optischen Datenträger vom Laufwerk bringt leider auch große Unsicherheitsfaktoren mit sich. Für eine Beurteilung der Qualität und Langlebigkeit muss man nämlich immer das Komplettsystem betrachten, also nicht nur den Datenträger, sondern auch das Aufzeichnungssystem (den Brenner) und das Lesegerät (das DVD-Laufwerk). Bei Festplatten sind diese fest miteinander verbunden, sodass Aussagen über die Lebensdauer und Zuverlässigkeit möglich sind. Will man die Lebensdauer einer DVD beurteilen, so muss man immer den Brenner und das Leselaufwerk mit einbeziehen.

Vor diesem Hintergrund wird klar, warum Werbesprüche über eine angebliche 100-jährige Haltbarkeit unseriös sind. Um solche pauschalen Aussagen treffen zu können, müsste man die Brenner, Lesegeräte und Lagerbedingungen genau definieren, was die Hersteller allerdings unterlassen.

Den vollständigen Artikel finden Sie in c't 16/2008.

"Daten für die Ewigkeit"
Artikel zum Thema "Daten für die Ewigkeit" finden Sie in der c't 16/2008:
DVD-Rohlinge im Langzeittest S. 116
Daten auf Festplatten archivieren S. 124
Medien und Techniken S. 128

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