Viel Schiff für wenig Geld

Schiffsverlängerungen kennt man. Jetzt geht's in die Breite. So werden alte Containerfrachter wettbewerbsfähiger.

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Von
  • Daniel Hautmann

Schiffsverlängerungen kennt man. Jetzt geht's in die Breite. So werden alte Containerfrachter wettbewerbsfähiger.

Jahrzehntelang mussten sich Schiffbauer einer zentralen Zahl unterordnen: 33,5 Meter, die schmalste Stelle des Panamakanals. Doch künftig bekommen Reeder und Werften wieder mehr Spielraum: Seit 2007 wird der Kanal auf 55 Meter verbreitert, 2016 soll er wiedereröffnet werden. Schiffe der sogenannten Panmax-Klasse, die gerade noch durch den Kanal passen, können dann 12000 statt knapp 5000 Standardcontainer (TEU) mitnehmen.

Doch was passiert mit den weltweit rund 700 Frachtern der alten Panmax-Klasse? Sie werden durch die neue Konkurrenz unwirtschaftlich. Zwar lassen sich die Schiffe relativ einfach in der Mitte auseinanderschneiden und verlängern, doch viele Panmax-Frachter sind im Verhältnis zur Breite schon sehr lang und liegen damit unstabil im Wasser. Eine weitere Verlängerung ist deshalb keine Option.

Vor diesem Problem stand auch Helmut Ponath, Chef der NSB-Reederei in Buxtehude und Herr über 16 Panmax-Schiffe. Da kam ihm die Idee, die Schiffe nicht mehr der Länge, sondern der Breite nach zu erweitern. Die ersten beiden Schiffe haben das "Widening" bereits hinter sich. Eines davon ist die MSC Geneva, Baujahr 2006. Ursprünglich war sie 275 Meter lang, 32,2 Meter breit und schulterte 4860 Container. Nach einem sechsmonatigen Umbau ist sie nun 283 Meter lang, 39,8 Meter breit und hat Platz für 6300 Kisten. Der Umbau kostete zehn Millionen Euro. Ein Neubau würde rund 60 Millionen verschlingen und zweieinhalb Jahre dauern.

"Mit 30 Prozent mehr Containerstellplätzen erreichen wir so die größte Effizienzsteigerung, die derzeit auf dem Markt verfügbar ist", sagt Tim Ponath, Chief Operating Officer (COO) der NSB. Das Verfahren lässt sich auch auf größere Schiffe übertragen. Mit der MSC Lausanne (6296 TEU) und der Carouge (4944 TEU) sollen bald die nächsten beiden Frachter drankommen.

Der Umbau ist alles andere als minimalinvasiv. "Allein für die Planung waren rund 6000 Ingenieursstunden nötig", sagt Helmut Radebold vom Ingenieurbüro Technolog in Hamburg, das den Prozess technisch betreute. Ein Meer von Vorschriften lag vor den Ingenieuren. Der Grund: Als das Schiff vor neun Jahren auf Kiel gelegt wurde, galten noch ganz andere Gesetze. Damals integrierte man beispielsweise die Schweröltanks seitlich in die Doppelhülle. Das ist heute verboten, und nach dem Umbau musste der Dampfer die neuen Vorschriften erfüllen.

Die 6000 Tonnen fassenden Tanks mussten also in die Schiffsmitte wandern. An anderen Stellen ließen die Behörden Milde walten. "Da galt es viele Kompromisse einzugehen, um den Kostenrahmen nicht zu sprengen", sagt Radebold. Damit alles nach Vorschrift lief, prüfte die Klassifizierungsgesellschaft DNV GL die Unterlagen und Arbeiten. Schließlich wurden "der Charakter des Schiffes und seine Hauptabmessungen grundlegend ver-ändert", sagt Containerschiff-Experte Marcus Ihms bei der DNV GL. Am Ende musste sichergestellt sein, dass der Schiffsrumpf immer noch so stabil ist wie zuvor.

Als die MSC Geneva im Dock auf dem Trockenen lag, rückten ihr die Arbeiter mit Schweißbrennern zu Leibe und trennten den Rumpf der Länge nach auf. Nur vom Heckbereich mit dem Maschinenhaus ließen sie die Finger. Am Bug legten sie dafür richtig Hand an. Den Bugwulst schnitten sie ab und warfen ihn auf den Schrott. Er war für ein Tempo von 28 Knoten (52 km/h) designt. So schnell fährt heute niemand mehr, weil der Spritverbrauch dann viel zu hoch ist. Für die neue Zielgeschwindigkeit von etwa 21 Knoten bekam die Geneva einen schlankeren und flacheren Bugwulst.

Die beiden jeweils rund 8000 Tonnen schweren Hälften kamen auf hydraulische Schlitten und wurden acht Meter auseinandergezogen. Die Lücke füllten vorgefertigte Segmente, die drei Containerreihen nebeneinander fassen. Vorder- und Hinterschiff bekamen zudem Übergangsteile zum Bug und Heck. Von hinten sieht das Schiff nun etwas unförmig aus, allerdings nur über der Wasserlinie: "Unter Wasser ist alles stromlinienförmig", versichert Radebold.

Zudem schweißten die Arbeiter Tausende Verstärkungsbleche ein. Wo genau sie nötig waren, verrieten Lastsimulationen am Computer. Schließlich hat das vergrößerte Schiff mehr Auftrieb und ist den Kräften der Wellen stärker ausgesetzt. Insgesamt wurde der Frachter 3800 Tonnen schwerer. Allein das Gewicht der Schweißnähte schätzt Radebold auf 95 Tonnen. Die Maschinenleistung reicht dafür locker aus, denn die Geneva wurde einst als "Rennfrachter" konstruiert. Entsprechend große Reserven hat sie.

Laut Marcus Ihms ist das Schiff jetzt nicht nur größer, sondern auch sicherer: "Die Verbreiterung macht die Schiffe kippstabiler." Daher kommen sie nun mit deutlich weniger Ballastwasser aus. Zudem seien sie durch die gestiegene Kapazität auch umweltfreundlicher: Laut NSB sank der Verbrauch von 27,1 auf 20,1 Kilogramm Treibstoff je Container und Tag.

Das überzeugt allerdings nicht alle Experten: Die alten, kurzhubigen Motoren seien per se unwirtschaftlich, meinen Fachleute. Insgesamt sei das Schiff nach dem Umbau zwar besser, aber eben noch immer um Welten schlechter als ein Neubau. Deshalb solle man sie besser verschrotten. Das muss ein Reeder sich allerdings erst einmal leisten können – der Wettbewerb auf dem Meer ist hart, seit der Finanzkrise haben die Reeder mit gewaltigen Überkapazitäten zu kämpfen. (bsc)