Urteil gegen Überwachung: Russland legt sich mit Menschenrechtsgerichtshof an

Genau an dem Tag, an dem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gegen Russlands Telefonüberwachung urteilte, setzt die Duma ein Zeichen: Urteile aus Straßburg sollen nicht mehr automatisch Anwendung finden.

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Urteil gegen Überwachung: Russland legt sich mit Menschenrechtsgerichtshof an
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Die erste Kammer des russischen Parlaments hat gesetzlich festgeschrieben, dass Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Land nicht automatisch Anwendung finden. Das Gesetz passierte am Freitag just an jenem Tag die Duma, an dem das Gericht einem Russen in seinem Verfahren gegen die staatliche Überwachung Recht gegeben hat.

Wie die BBC berichtet, war das Gesetz zuvor im Schnellverfahren durch das Parlament gedrückt worden. Das russische Verfassungsgericht könne nun entscheiden, dass Entscheidungen internationaler Gerichte keine Anwendung finden, wenn sie gegen die Verfassung Russlands verstoßen, erklärt die Nachrichtenagentur TASS.

Parallel zu der Entscheidung in der Duma hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dem russischen Journalisten Roman Sacharow Schadensersatz zugesprochen, weil er durch Russlands Telefonüberwachung in seinen Grundrechten verletzt werde. Dazu habe er nicht nachweisen müssen, dass er auch wirklich konkretes Ziel einer Überwachungsmaßnahme gewesen ist, schreibt das Gericht in dem Urteil. Weil es in Russland keine Rechtsmittel gebe, die Überwachung grundsätzlich geheim stattfindet und alle Nutzer von Mobiltelefonen betroffen seien, könne der Fall abstrakt behandelt werden. Allein durch sein Bestehen verletze das Überwachungsprogramm die Rechte von Sacharow.

Sacharow habe dem Gericht die Existenz willkürlicher und herabwürdigender Überwachung nachweisen können, die gesetzlich nicht entschieden genug geregelt werde. Die Gesetze des Landes würden die Kommunikation nicht in dem Maße sichern, das in "einer Demokratie nötig ist". Russland müsse Sacharow nun die 40.000 Euro erstatten, die ihn das Verfahren kosteten.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat seinen Sitz in Straßburg, wurde 1959 von den damaligen Mitgliedern des Europarats eingerichtet und gehört nicht zur Europäischen Union. Er soll die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention sicherstellen.

Russland gehört dem Europarat seit 1996 an und hadert immer wieder mit den Entscheidungen des Gerichtshofs. Wie sich die Beziehungen zwischen dem Staat und dem Gerichtshof nun entwickeln, bleibt abzuwarten. Hierzulande steht die Europäische Menschenrechtskonvention nach gegenwärtigem Stand der Rechtsprechung auf einer Stufe mit einfachen Gesetzen. In Artikel 46 heißt es, "die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen".

[Update 08.12.2015 – 17:10 Uhr] Nicht die Entscheidungen des EGMR sondern die Europäische Menschenrechtskonvention steht auf einer Stufe mit deutschen Gesetzen. Das wurde korrigiert. (mho)