Von 1939 bis Virtual Reality: Mattels neuer View-Master im Kurztest

Den seit Jahrzehnten populären 3D-Bildscheibenkucker View-Master hat Hersteller Mattel runderneuert: Statt Bildscheiben kommt nun ein Smartphone ins Plastikgehäuse. Und statt schnöder 3D-Fotos gibt es stereoskopische 360-Grad-Welten.

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Von 1939 bis Virtual Reality: Mattels neuer View-Master im Kurztest

Retro-futuristisch: Mattels VR-View-Master auf der Spielwarenmesse in Nürnberg.

(Bild: heise online / jkj)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Jan-Keno Janssen

Rational betrachtet handelt es sich bei Mattels neuem View-Master-Modell um einen stinknormalen Google-Cardboard-Klon aus Plastik – von diesen Virtual-Reality-Smartphone-Halterungen sind inzwischen dutzende, wenn nicht gar hunderte im Handel. Aber mit etwas Pathos im Blick ist der VR-View-Master doch etwas Besonderes – schließlich dürften die meisten Menschen den Bildscheiben-Betrachter mit der charakteristischen Form aus ihrer Kindheit kennen. Seit 1939 wird das Gerät in unterschiedlichen Designs hergestellt – anfangs noch aus Bakelit, später aus moderneren Kunststoffen.

Die neueste View-Master-Version, die Mattel jetzt auf der Spielwarenmesse in Nürnberg vorstellte, nimmt keine Bildscheiben mit Stereo-Dias auf, sondern benötigt ein kompatibles Android- oder Apple-Smartphone (Samsung Galaxy S4, S5, S6, Note 4, Motorola Moto X 2014, Droid Turbo, LG G3, G4, HTC One, Nexus 5, 6 sowie iPhone 5, 5c, 5s, 6 und 6 plus). Bildscheiben gibt es aber trotzdem noch: Hat man eine View-Master-App aufs Smartphone geladen, kann man per Plastikscheibe die unterschiedlichen Inhalte auswählen – die Smartphone-Kamera erfasst das Bild auf der Scheibe und aktiviert den entsprechenden Inhalt, also zum Beispiel Tiere in der Savanne oder Spaceshuttles.

Kurztest: View-Master von Mattel (10 Bilder)

Zur View-Master-Deutschland-Premiere auf der Spielwarenmesse in Nürnberg kam Wotan Wilke Möhring (links) -- er spielt in einem View-Master-Werbespot mit.
(Bild: heise online / jkj)

Zeigten die alten View-Master nur statische Stereobilder, lassen sich die Objekte in der Smartphone-Version nun per Kopfbewegung von allen Seiten begucken. So richtig vom Hocker reißen die View-Master-Inhalte und die kompliziert zu bedienenden Apps aber wohl niemanden – vor allem, wenn man die gesalzenen Preise bedenkt: Pro Themen-Pack mit jeweils drei Plastikscheiben verlangt Mattel 12,99 Euro. In den Android- und Apple-App-Stores gibt es deutlich bessere VR-kompatible Apps für deutlich weniger Geld.

Übrigens: Die drei View-Master-Apps ("Wildtiere", "Weltraum" und "spannende Orte") sind erst einmal gratis, die vollständigen Inhalte lassen sich aber nur mit einer in der Packung liegenden Code-Karte freischalten, indem man mit dieser über das Kameraobjektiv wischt – der Kopierschutz namens "T+Ink Touchcode" arbeitet mit für das Auge unsichtbarer Tinte. Im Test erkannte die View-Master-App die Code-Karte erst nach etlichen Versuchen. Alternativ kann man die Bilderpacks auch per In-App-Kauf freischalten.

Die Hardware haben die Mattel-Entwickler deutlich besser hinbekommen als die Software: Der View-Master kann es locker mit den besten erhältlichen Kunststoff-VR-Gehäusen aufnehmen. Obwohl sich das Produkt an Kinder richtet, dürften auch Erwachsene viel Spaß damit haben. Die Linsen liefern ein scharfes Bild mit ordentlichem Blickwinkel. Sehr gut hat uns der Arretierungs-Mechanismus gefallen: Das Smartphone klemmt man zwischen Gummipuffer, so dass man sich keine Sorgen um Kratzer wie bei vielen anderen Halterungen machen muss. Dank einer deutlichen Markierung findet man den Mittelpunkt auf Anhieb, auch das ist ein Schwachpunkt etlicher Halterungen.

Am Tollsten ist aber der "Abzug": Mit typischer View-Master-Haptik kann man damit in Apps Aktionen auslösen – an den Touchscreen kommt man ja nicht mehr. Technisch funktioniert das Ganze über einen mechanischen Stempel, der auf das Display drückt – ähnlich wie bei Googles Cardboard-2.0-Papphalterung. Apropos Cardboard: Der View-Master gehört zu den wenigen VR-Halterungen mit offizieller "Works with Google Cardboard"-Zertifizierung. Einziger Schwachpunkt des Gehäuses: Hat man ein breites Brillengestell auf der Nase, kriegt man den View-Master nicht dicht genug vor die Augen – Brillenträger sollten vorher ausprobieren, ob ihre Sehhilfe kompatibel ist.

Mattels View-Master soll Anfang Februar für 34,99 Euro in den Handel kommen. (jkj)