Die ganze Welt steht auf Lebensmittel-Porno

Forscher aus Katar haben das #foodporn-Phänomen in sozialen Medien analysiert. Demnach ist es weltweit verbreitet – könnte aber trotz der Inszenierung von Kalorienbomben zu einem gesünderen Lebensstil beitragen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1 Kommentar lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • TR Online

Forscher aus Katar haben das #foodporn-Phänomen in sozialen Medien analysiert. Demnach ist es weltweit verbreitet – könnte aber trotz der Inszenierung von Kalorienbomben zu einem gesünderen Lebensstil beitragen.

Unter dem Hashtag #foodporn werden in sozialen Medien verherrlichende Fotos von fettigen, kalorienreichen oder auf andere Weise ungesunden Leckereien verbreitet. Oft sind die Gerichte provokativ in Szene gesetzt, mit ähnlichen Techniken wie bei Glamour- oder Pornobildern.

Dies hat einige Diskussionen ausgelöst. Die Kernfrage dabei: Führt das #foodporn-Phänomen zu einem ungesunden Verhältnis zu Essen, ähnlich wie Pornografie in den Augen mancher bei Sexualität?

Vor diesem Hintergrund haben Yelena Mejova vom Quatar Computing Research Institute und Kollegen die Besonderheiten des Phänomens anhand von Bildern auf Instagram analysiert. Nach ihren Angaben zeigt die Untersuchung eine überwältigende Obsession für Schokolade und Kuchen in aller Welt. Allerdings gebe es auch Anzeichen dafür, dass Lebensmittel-Porno nicht schädlich ist.

Für die Analyse lud das Team zunächst alle Bilder herunter, die von November 2014 bis April 2015 mit dem Tag #foodporn auf Instagram veröffentlicht wurden – insgesamt fast 10 Millionen Stück. Überraschenderweise enthielten 42 Prozent davon auch Angaben zur Ortsbestimmung.

Die Instagram-Posts kamen demnach aus 222 Ländern. 72 davon mit jeweils mehr als 500 verschiedenen Nutzern wurden für nähere Analysen ausgewählt. „Die Verbreitung des Hashtags #foodporn rund um die Welt lässt sich kaum überschätzen“, heißt es dazu in der Studie.

Insgesamt kamen so 1,7 Millionen Nutzer in die Datensammlung, die zusammen im Durchschnitt 62.000 Bilder pro Tag veröffentlichten. Am stärksten vertreten waren Amerikaner, gefolgt von Italienern und Briten, wobei diese Daten aufgrund der Tatsache verzerrt sein dürften, dass #foodporn ein englischsprachiger Ausdruck ist. Trotzdem kommen Mejova und Kollegen unter anderem zu dem Ergebnis: In asiatischen Ländern gibt es den bei weitem größten Anteil von Nutzern, die von ihren #foodporn-Erfahrungen berichten.

Für einen globalen Überblick normalisierten die Forscher die Hashtag-Häufigkeit pro Land und erstellten dann eine Rangliste der gezeigten Lebensmittel. Dominiert wird sie von Lebensmitteln mit hoher Energiedichte wie Schokolade, Kuchen, Nutella und Ähnlichem. „Weltweit begeistern sich die Nutzer am meisten für Süßigkeiten und Fast-Food“, schreiben Mejova und Kollegen.

Nach Süßigkeiten am beliebtesten sind auf Instagram Pizza, Salat, Sushi und Burger. Das häufigste Getränk ist Kaffee, bei den Alkoholika Wein, und unter den Früchten werden am häufigsten Erdbeeren gezeigt.

Mit den Daten konnte das Team auch das Verhältnis von gesunder zu ungesunder Nahrung mit dem Tag #foodporn vergleichen. Dazu untersuchte es die anderen bei solchen Fotos angegebenen Hashtags und außerdem die Haltung, die sie erkennen lassen.

Nach dieser Zählung sind das gesundheitsbewussteste Land die Niederlande – 25 der 50 häufigsten Hashtags neben #foodporn hatten dort einen Bezug zu Gesundheit und Fitness, etwa #fitgirl, #fitspo, #eatclean und dergleichen. Unter den Regionen sind Nord- und Westeuropa sowie Australien und Neuseeland am stärksten gesundheitsbewusst.

In Brasilien, Argentinien und Frankreich dagegen finden sich die meisten ungesund klingenden Tags. Beliebt in Brasilien ist zum Beispiel #gordice, eine Anspielung auf „gordo“ (dick), in Frankreich #gourmandise (Völlerei).

Zuletzt schaute sich das Team die Reaktionen anderer Nutzer auf Fotos mit dem Tag #foodporn an. Demnach ist die Zustimmung zu gesundem Essen – gemessen an der Zahl der „Likes“ – höher als für ungesundes. „Die höhere Akzeptanz für gesunde Tags spricht dafür, dass es in der Community bereits eine Selbstkontrolle zur Förderung eines gesünderen Lebensstils gibt“, schreiben die Forscher.

Das ist eine interessante Schlussfolgerung. Sie würde bedeuten, dass das #foodporn-Phänomen keineswegs ungesunde Ernährungsgewohnheiten fördert, sondern möglicherweise genau umgekehrt wirkt. „Die Haltungen um #foodporn herum lassen erkennen, dass es als Motivation für gesundes Essen eingesetzt wird, vor allem in Ländern mit hohem Pro-Kopf-Einkommen“, so Mejova und Co.

Ihre Arbeit liefert wichtige Informationen über ein Thema, dessen Bewertung bislang von einzelnen Anekdoten geprägt war. Und sie passt zu der allgemeineren Vorstellung, dass soziale Medien als „Überzeugungstechnologie“ wirken können, die Gewohnheiten und Haltungen nicht nur erkennen lassen, sondern auch verändern kann.

()