Linux auf dem Medion-Notebook Akoya E6424

Das ab Donnerstag bei Aldi verkaufte Medion-Notebook ist für Linux ungeeignet: Viele Distributionen scheitern schon bei der Installation am brandneuen Grafikprozessor. Treiber für die Iris-550-GPU sind fast, aber eben noch nicht ganz fertig.

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Linux auf dem Medion-Notebook Akoya E6424
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Von
  • Thorsten Leemhuis
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Aldi Nord, Aldi Suisse und Hofer verkaufen dieser Tage ein 15,6-Zoll-Notebook, das zu den ersten Geräten mit Intels Iris-550-Grafik zählt. Anfang Mai gibt es das Medion Akoya E6424 auch bei Aldi Süd. Wie sich im c't-Test herrausstellte, fehlt dem Gerät etwas Feinschliff, es setzt sich aber "mit einer sinnvollen Konfiguration in Szene".

Im Medion Akoya E6424 arbeitet der Core i5-6267U. Der SoC-Prozessor versammelt gleich drei Silizium-Dice auf seiner Trägerplatine, nämlich den Haupt- und Grafikprozessor (Mitte), den bei Iris-Varianten obligatorischen L4-Cache (rechts) sowie den Chipsatz (links).

Einige Leser haben uns gebeten zu prüfen, ob sich das Gerät auch für Linux-Distribution eignet. Die Kurzantwort lautet: Lassen Sie besser die Finger vom Akoya-Notebook, denn die von uns getesteten Linux-Distributionen liefen alle schlecht oder gar nicht.

Schuld sind Probleme mit Grafiktreibern, die den neuen Grafikkern noch nicht kennen. Das kann man korrigieren, wie wir bei unserer Odyssee feststellen konnten – aber nur sehr aufwendig, denn schon die Linux-Installation gestaltet sich schwierig.

Als erste Distribution für die Linux-Tests drängte sich Ubuntu Desktop 16.04 LTS geradezu auf, schließlich ist Ubuntu bei Anwendern beliebt und diese Version erst vor wenigen Tagen erschienen. Wir kamen allerdings noch nicht mal bis zum Installationsprogramm: Nach dem Starten des Installationsmediums erschien lediglich der Standard-Bildschirmhintergrund, der gelegentlich Fehlerdialoge zeigte – aber immer nur für Sekundenbruchteile.

Das deutete auf ein Problem beim Zusammenspiel von Ubuntus Unity-Desktop und den Grafiktreibern hin. Wir haben es daher mit generischen Grafiktreibern versucht, indem wir erst den Kernel-Parameter nomodeset und später modprobe.blacklist=i915 ausprobierten. Wie zuvor erschienen jeweils nur Hintergrundbild und Fehlermeldungen, aber weder Desktop-Oberfläche noch Installer.

Also brachen wir die Versuche mit Ubuntu Desktop ab und griffen zu Ubuntu Gnome. Das führte uns allerdings kein bisschen weiter, denn nun wurde der Bildschirm beim Start der grafischen Oberfläche einfach schwarz. Nächster Versuchskandidat: Kubuntu 16.04. Dort zeigt die Bedienoberfläche sofort beim Start die Fehlermeldung, Plasma sei mit einem unerwarteten Problem abgestürzt.

Ubuntu Mate 16.04 ließ sich installieren, lief aber instabil; die Webcam-Anwendung Cheese beispielsweise stürzte reproduzierbar beim Start ab.

Die Installation von Ubuntu Mate 16.04 verlief dagegen problemlos, weil der Desktop ohne 3D-Beschleunigung arbeitet. WLAN, Standby-Modus, Audio-Ausgabe und Helligkeitsregelung funktionierten, die Webcam-Anwendung Cheese stürzte allerdings gleich beim Start ab. Dasselbe Schicksal ereilte auch Anwendungen, die 3D-Beschleunigung zu nutzen versuchten. Schlimmer noch: Beim Anstecken von VGA- oder HDMI-Bildschirmen ans Notebook hängte sich Ubuntu Mate komplett auf. Selbiges passierte hin und wieder auch, wenn wir die Funktionstasten zur Lautstärkeregelung betätigten und der Desktop die Lautstärke-Aussteuerung einblendete.

Wir gingen daher nochmal zurück auf Los und probierten es mit einer ganz anderen Distribution: dem aktuellen Fedora Workstation 23 und einer Vorabversion des Anfang Juni erwarteten Nachfolgers. Mit Letzterem stießen wir schnell auf verschiedene Probleme, an denen die Installation scheiterte. Bei der 23er-Version kamen wir immerhin ähnlich weit wie mit Mate, wobei sich diesmal nicht die native Display-Auflösung einstellen ließ.

Die Symptome deuteten auf Probleme mit den automatisch konfigurierten Grafiktreibern hin. Wir schauten uns deshalb die bei Ubuntu Mate eingesetzten Treiber näher an. Kernel-seitig verwendete es den Treiber i915, der für moderne Intel-Grafikprozessoren zuständig ist. Er bot KMS (Kernel-based mode-setting) und schien alles Nötige zu erledigen, obwohl der Treiber die PCI-ID für den Iris 550 genannten Grafikprozessor des Core i5-6267U nicht kennt. Dass das noch nicht der Fall ist, erstaunt ein wenig, denn Intel hat diesen und andere Skylake-Prozessoren mit dieser bei Intel als "GT3e" bezeichneten GPU-Variante bereits im September 2015 angekündigt; andererseits kommen Notebooks mit solchen GPUs erst jetzt in den Handel.

Wie Cheese scheitert der 3D-Treiber von Mesa mit der Fehlermeldung "Error initializing buffer manager".

Wie hakten den Kernel daher erstmal ab und wendeten uns stattdessen dem 3D-Treiber zu. Dazu führten wir diesen Befehl aus:

LIBGL_DEBUG=verbose glxinfo 2>&1

Den ersten Befehlsausgaben zufolge versuchte das System, den Mesa-3D-Treiber i965 zu verwenden, der für moderne Intel-GPUs zuständig ist. Die Initialisierung scheitert aber mit einer Fehlermeldung, die Probleme bei der Einrichtung eines Puffers erwähnt – dieselbe Meldung hatte auch Cheese gezeigt, bevor es abstürzte.

Da Distributionen der Ubuntu-16.04-Familie eine recht aktuelle Mesa-Version verwenden, forschten wir dort nicht weiter und widmeten uns stattdessen den Log-Ausgaben des X-Servers in (/var/log/Xorg.0.log). Demnach nutzte der X-Server seinen "intel" genannten Treiber. Der ist zwar korrekt, aber in Linux-Kreisen war kürzlich zu hören, Skylake-Prozessoren würden mit dem Modesetting-Treiber teilweise besser funktionieren. Deshalb probierten wir auch diesen aus, was die Situation aber nur verschlechterte.

Der Grafiktreiber in einer Vorabversion von Linux 4.6 kennt den Iris-550-Grafikprozessor. Die 3D-Beschleunigung funktioniert aber dennoch nicht, weil die Libdrm die GPU noch nicht unterstützt.

Also nochmal zurück zum Kernel, schließlich erledigt dieser die Grafikspeicherverwaltung und viele anderen Aufgaben für die Mesa- und X.org-Treiber: Der Kernel von Ubuntu 16.04 ist nicht der frischeste, denn er basiert auf Linux 4.4, das bereits im Januar veröffentlicht wurde. Wir installierten daher über ein Ubuntu-Repository den aktuellen Entwicklerstand des in zwei oder drei Wochen erwarteten Linux 4.6. Dank einer für diese Version vorgenommenen Änderung kennt dessen i915-Treiber die PCI-Identifikationsbezeichnung der Iris-550-GPU. Das und andere Änderungen des neuen Kernels halfen ein wenig: Es gab nun keine Abstürze mehr beim Anstecken eines externen Monitors, aber die Probleme bei der 3D-Beschleunigung zeigten sich nach wie vor.

Nach diesem kleinen Lichtblick prüften wir die Quellen von Mesa, ob dort die PCI-Identifikation für den Iris-550-Grafik hinterlegt ist. Das ist schon seit November der Fall; da die Distributionen der Ubuntu-16.04-Familie auch das erst Anfang April veröffentlichte Mesa 11.2 verwenden, sparten wir uns die Installation einer Entwicklerversion. Stattdessen warfen wir einen näheren Blick auf die Libdrm – auf diese Bibliothek greifen die OpenGL-Treiber von Mesa, die Treiber zur Videobeschleunigung und der Treiber für den X-Server zurück, um mit dem Grafiktreiber im Kernel zu interagieren.

In den Quellen der Libdrm zeigte sich dann: Im für Intel-Grafikkerne zuständige Code ist die PCI-ID der Iris-550-Grafik nicht hinterlegt. Das lässt sich mit einer kleinen Codeänderung korrigieren:

diff -Naur libdrm-2.4.67.org/intel/intel_chipset.h libdrm-2.4.67/intel/intel_chipset.h
--- libdrm-2.4.67.org/intel/intel_chipset.h 2016-01-17 22:22:14.000000000 +0100
+++ libdrm-2.4.67/intel/intel_chipset.h 2016-04-26 10:53:02.937389821 +0200
@@ -180,6 +180,7 @@
#define PCI_CHIP_SKYLAKE_ULX_GT2 0x191E
#define PCI_CHIP_SKYLAKE_MOBILE_GT2 0x1921 /* Reserved */
#define PCI_CHIP_SKYLAKE_GT3 0x1926
+#define PCI_CHIP_SKYLAKE_GT3E 0x1927
#define PCI_CHIP_SKYLAKE_HALO_GT3 0x192B /* Reserved */
#define PCI_CHIP_SKYLAKE_SRV_GT4 0x192A
#define PCI_CHIP_SKYLAKE_DT_GT4 0x1932
@@ -390,6 +391,7 @@
(devid) == PCI_CHIP_SKYLAKE_MOBILE_GT2)

#define IS_SKL_GT3(devid) ((devid) == PCI_CHIP_SKYLAKE_GT3 || \
+ (devid) == PCI_CHIP_SKYLAKE_GT3E || \
(devid) == PCI_CHIP_SKYLAKE_HALO_GT3)

#define IS_SKL_GT4(devid) ((devid) == PCI_CHIP_SKYLAKE_SRV_GT4 || \

Die Änderung fügten wir in die Quellpakete ein, aus denen Ubuntu seine Libdrm baut, um damit lokal neue Pakete zu übersetzen und zu installieren. Und siehe da: Nach einem Neustart funktioniert die 3D-Beschleunigung!

Wir haben danach das auf 3D-Beschleunigung angewiesene Gnome-3-Desktop unter Ubuntu Mate nachinstalliert, das problemlos lief. Anschließen wollten wir noch Ubuntus Unity-Desktop ausprobieren; dessen Einrichtung via apt-get brachte das System dann allerdings so durcheinander, dass weder der Anmeldemanager noch ein direkt gestarteter X-Server ein Bild ausgaben. Unklar bleibt so am Ende auch, ob dieses Skylake-Notebook einige der Stromsparprobleme hat, die der Linux-Entwickler Matthew Garrett kürzlich in einem Blog-Eintrag beschrieben hat.

Viel fehlt offenbar nicht mehr, damit Intels neue integrierte Grafikeinheit Iris 550 bei Linux unterstützt wird. Die Entwickler werden das Fehlende wahrscheinlich in Kürze in Libdrm einbauen. Von da fließt es dann nach und nach in Debian, Fedora, OpenSuse, Ubuntu & Co. ein. Die ab Spätsommer erscheinenden Distributionen dürften dann auf dem Akoya E6424 deutlich stabiler laufen.

Bis es soweit ist, sollten Linux-Anwender aber besser einen Bogen um Skylake-Notebooks mit der Iris-550-Grafik machen. Dasselbe dürfte für die Iris-P555-Grafik gelten, denn auch die wird in der Libdrm bislang nicht unterstützt.

Mittlerweile ist eine neue Libdrm erschienen, die die Ursache für die Installations-Probleme mittelfristig beseitigt. Details liefert eine Meldung bei heise online. Die Absturz-Probleme zeigen sich allerdings weiterhin, sofern man nicht auch eine Vorabversion von Linux 4.6 einspielt. (thl)