re:publica: Anleitung zum (Netz-) Zweckoptimismus

Wie kann man trotz Rechtspopulismus, Terror und Überwachungswahn optmistisch bleiben? Der Interneterklärer Sascha Lobo lieferte in Berlin ein Universalrezept: Trotzdem.

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Sascha Lobo auf der re:publica

Sascha Lobo auf der re:publica

(Bild: re:publica/Jan Zappner, CC BY 2.0)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Torsten Kleinz
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Mit seinem pointiert-ironischen Vortrag auf der re:publica lieferte Sascha Lobo zunächst eine Generalabrechnung mit dem Stammpublikum der ehemaligen Blogger-Konferenz ab: Die Illusionen, das Netz mit dem Internet besser zu machen, hätten sich nicht bewahrheitet. Er alleine habe 82 Artikel gegen die Vorratsdatenspeicherung geschrieben – und sie sei dennoch verwirklicht worden.

Das Problem der Bloggergemeinde und Netzpolitik-Interessierten reiche sogar noch tiefer als die eigene Erfolglosigkeit. So hätten die Besucher der ersten re:publica-Ausgaben zwar sehr richtig von Gegenöffentlichkeiten gesprochen. Diese Visionen würden heute aber durch den Rechtspopulismus verwirklicht: "Österreich hat gezeigt, dass soziale Medien wahlentscheidend sein können", erklärte Lobo.

Für Deutschland sieht der Autor eine düstere Zukunft – so verwies er darauf, dass die AfD auf Facebook mehr Anhänger habe als die Regierungsparteien zusammen. Mit dem Spitzenpersonal der Partei ging er hart ins Gericht. Den AfD-Vizevorsitzenden Alexander Gauland, der vor kurzem erklärt hatte, dass er sich nach einem Besuch des Konzentrationslagers Auschwitz nicht ergriffen gefühlt habe, sondern sich nur Gedanken darum gemacht habe, was das Symbol zerstört habe, nannte er einen Nazi. Parteivorsitzende Frauke Petry bezeichnete Lobo als Rassistin, weil sie sich öffentlich verwundert gezeigt habe, dass in der Schweiz eingewanderte Deutsche ebenfalls als Ausländer gezählt werden. "Und diese Leute haben in den sozialen Medien, über die wir uns definiert haben, heute die Diskurshoheit", mahnte Lobo.

Die derzeitige Situation sieht er aber nur als eine Vorgeschmack auf das, was noch kommen mag. So zeigten die auf der Berliner Konferenz debattierten Online-Plattformen noch viele Möglichkeiten, die Effizienz in der Wirtschaft zu steigern. Dies bleibe allerdings nicht ohne Folgen. "Wer will das heutige Deutschland mit 20 Prozent Arbeitslosigkeit sehen?", fragte Lobo.

Allerdings porträtierte auch er die Regierung als Ausbund der Unfähigkeit. So sei die kürzlich beschlossene Prämie zur Förderung der Elektromobilität sinnlos. Die Erklärung des Vizekanzlers Sigmar Gabriel, bis 2025 in Deutschland die weltbeste digitale Infrastruktur zu schaffen, zog Lobo ebenso ins Lächerliche wie dessen Aussage, dass er vor Internetkonzernen mehr Angst habe als vor der NSA. Dass der deutsche Vizekanzler einer Behörde mehr Vertrauen entgegenbringe, sei nicht erstaunlich.

Als Gegenentwurf präsentierte Lobo einen "trotzigen Netzhumanismus", der angesichts der dystopischen Aussichten einfach "Trotzdem" sage und weiterhin optimistisch an die Gesellschaft herangehe. Seine Zuhörer empfiehlt Lobo, der laut eigenen Angaben pro Jahr 60 bis 80 gut bezahlte Vorträge hält, statt purem Aktivismus mehr wirtschaftliche Betätigung.

Die Gestaltungskraft von Firmen sei nicht zu unterschätzen, begründete der Autor und Unternehmer. So sollen die re:publica-Besucher eine neue Suchmaschine gründen, eine Snapchat-Version für Erwachsene oder endlich eine funktionierende alternative zu iTunes – der nach Lobos Überzeugung schlechtesten Software aller Zeiten. Ansonsten könnte die Gruppe der re:publica-Besucher als "lost Generation" gelten, die allenfalls die Hoffnung habe, dass einer der Teenager, die heute Snapchat bevölkern, endlich einen Weg finde, die Welt durch das Netz zum Besseren zu verändern. (jk)