Spielend Müll sortieren

Eine von Computerspielen inspirierte Software soll das Herauspicken von Recycling-Material aus Fließbändern voller Abfall effizienter und ansprechender machen. Ein Problem könnten aber die Kosten des Systems sein.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Rachel Kremen

Abfall zu sortieren, ist keine spaßige Angelegenheit – er kann kleben, stinken und scharfe Kanten haben. Die Unternehmer bei Jodone wollen aus dieser wenig ansprechenden Tätigkeit jetzt ein kollaboratives Spiel für Menschen und Roboter machen und dadurch Effizienz und Genauigkeit erhöhen.

Bei einem Pilotprojekt von Jodone in der Müllverbrennungsanlage Pope/Douglas im US-Bundesstaat Minnesota sollen menschliche Arbeitskräfte unterstützt von Software beobachten, wie Müll über ein Fließband befördert wird. Auf einem Touchscreen können sie alle wiederverwertbaren Objekte antippen und dann die entsprechende Kategorie wie Papier, Plastik oder Blech dafür auswählen. Diese Anweisungen werden per Funk an einen Roboter-Arm geschickt, der das Gewünschte herausgreift und in den richtigen Behälter wirft. Wer eine überdurchschnittliche Recycling-Quote erreicht, bekommt eine Bonuszahlung.

„Menschen lösen gerne Rätsel, sie lassen sich gern geistig fordern“, sagt Cole Parker, Mitgründer und CEO von Jodone. Indem er die Arbeit als eine Art Spiel präsentiert und Extrazahlungen anbietet, so glaubt Parker, kann er sie interessanter machen.

Auch finanziell soll sich der Aufwand lohnen. Nach Schätzungen des Unternehmens soll das System, bei dem seine Software mit normalen Industrierobotern kombiniert ist, bei Abfallbehandlungsanlagen 24 Millionen Dollar an zusätzlichen Umsätzen generieren. Unter Laborbedingungen wurden laut Parker Pick-Raten von 2500 Objekten pro Stunde bei 95 Prozent Genauigkeit erreicht – achtmal schneller, als ein Mensch alleine schaffen würde. Bei dem Pilotprojekt in Minnesota soll die Software erstmals außerhalb des Labors zum Einsatz kommen.

„Wir wissen, dass Roboter sehr gut in manueller Arbeit sind – darin, millionenmal immer Dasselbe zu tun. Menschen dagegen können gut Probleme lösen, kategorisieren, identifizieren und mit wechselnden Bedingungen zurechtkommen“, erklärt Parker.

Ein Aspekt der Touchscreen-Software wurde von dem Spiel Fruit Ninja inspiriert – Nutzer wischen mit einem Finger der rechten Hand über Wiederverwertbares und kategorisieren es mit der linken. Außerdem arbeiten die Entwickler an einem System, das aus früheren Anweisungen lernt, so dass die Software Objekte hervorheben kann, die sie für wiederverwertbar hält.

Michael Rivera, ein weiterer Mitgründer von Jodone und Chief Operating Officer, schätzt die Kosten auf 150 Dollar pro Tonne verwertbaren Material aus dem Müll. Entscheidend ist, das System billiger zu machen als die Entsorgung auf einer Deponie, sagt Harri Holopainen, Technologiechef bei ZenRobotics. Das Unternehmen aus Helsinki war ein Pionier bei Roboter-Recyclingsystemen und beliefert heute Entsorger weltweit.

Allerdings unterscheidet sich die Zen-Technologie in zweierlei Hinsicht von der von Jodone. ZenRobotics arbeitet zur Identifizierung von Wiederverwertbarem ausschließlich mit Software und Sensoren; außerdem ist das Unternehmen auf Bauabfälle spezialisiert. Laut Holopainen ist es hier einfacher, profitabel zu arbeiten, weil derartiger Müll meist schwerer ist.

Holopainen ist nach eigenem Bekunden ein großer Anhänger von „Gamification“, also spielerischen Elementen bei beruflichen Aufgaben, und hat selbst schon auf diesem Gebiet gearbeitet. Allerdings sei er nicht sicher, ob das Jodone-System billig genug für eine breite Anwendung werden könne, wenn es weiterhin ein menschliches Element haben und bei Hausmüll angewendet werden soll.

Zudem, so Holopainen, sind moderne Sensoren und Software nicht weniger treffsicher als Menschen. „Es gab riesige Investitionen in Techniken, mit denen sich die Inhalte von Bildern sehr schnell identifizieren lassen“, sagt er.

Laut Scott Cassel, CEO und Gründer des Product Stewardship Institute, könnte die Jodone-Technologie von Nutzen sein. Allerdings hat auch er Zweifel wegen der Kosten, und er ist nicht sicher, ob das System die nötige öffentliche Unterstützung bekommen würde. Zur Begründung verweist er auf die Entscheidung in diesem Jahr, den Bau einer Recycling-Anlage im US-Bundesstaat Indianapolis zu stoppen. Der Grund dafür sei unter anderem gewesen, dass die Bürger das für die Anlage vorgesehene Geld lieber für Aufklärungsprogramme für mehr Recycling zuhause ausgeben wollten.

(sma)