Zahlen, bitte! Euro 2016: Manche jubeln erst nach 56 Sekunden

In drei Tagen beginnt die Fußball-EM. Dabei können eigentlich nur zwei Dinge den Fans die Laune vermiesen: Wenn die eigene Elf zu früh ausscheidet … oder der Nachbar vor einem selbst jubelt. Je nach Empfangsweg können das bis zu 56 Sekunden sein.

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Zahlen, bitte! 56 Sekunden zu spät jubeln
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Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Kroos legt sich den Ball in halblinker Position nur 20 Meter vor dem gegnerischen Tor zurecht, plötzlich brandet aus der Nachbarschaft Torjubel auf. Wie jetzt? Was jetzt? Erst Sekunden später schlägt der Ball auch auf dem eigenen Fernseher unter dem rechten Lattenkreuz ein ...

Schuld daran sind die Verzögerungen der unterschiedlichen TV-Empfangswege, die ihre Signale nicht alle parallel bekommen. Guckt der Nachbar über Satellit, sieht er das vermeintliche Live-Bild zu einem anderen Zeitpunkt als der Kabelgucker. Das ist seit der Digitalisierung der TV-Ausstrahlung normal. Interessanterweise ergeben sich hier immer wieder Änderungen. War früher noch das Analogsignal am schnellsten auf der Mattscheibe, sind es inzwischen die Satellitensignale. Außerdem ändert sich durch technische Umstellungen und neu hinzukommende Empfangswege (Stichwort DVB-T2 HD) immer wieder etwas an der Reihenfolge, wie ein Blick auf unsere Untersuchungen zur Euro 2012 und zur WM 2014 zeigt.

Wir haben die Verzögerungen für unseren Standort Hannover frisch nachgemessen. Die Ergebnisse sollten sich grob auch auf andere Teile der Republik übertragen lassen (die für Satelliten allemal ;-).

Demnach jubeln die Zuschauer beim Empfang per Satellit am frühesten – wenn sie die Übertragungen bei Das Erste und ZDF in Standardauflösung schauen. Der HD-Empfang über Satellit kommt unwesentlich später an. Das gilt auch für die terrestrischen Signale – das neue DVB-T2 HD läuft im ZDF sogar gleichzeitig mit den Sat-Signalen. Hier hat man quasi Erstjubelgarantie!

Kabelgucker müssen sich auf 4 bis 8 Sekunden Zeitversatz einstellen, je nach Übertragungssender und ob sie SD, HD oder noch analog gucken. Hier heißt es: Fenster zu, wenn man sich die Spannung nicht nehmen lassen will!

IPTV hinkt durch zusätzliche Aufbereitungsschritte bei den Providern noch weiter hinterher. Über elf Sekunden müssen Kunden bei dem neuen Entertain-Angebot länger auf den Torjubel warten als Satellitengucker; das alte Entertain ist noch später dran.

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Wer unterwegs über einen Livestream guckt, kann sich das Live-Gefühl gleich ganz abschminken. Hört man in der Umgebung den Jubel, kann man noch in Ruhe das Smartphones aus der Tasche holen und die App starten, um das Tor "live" zu sehen. Die TV-Streaming-Angebote – inklusive der Live-Streams von Das Erste und ZDF – sind allesamt momentan knapp eine halbe Minute später dran als die Satellitensignale. Unrühmliches Schlusslicht war bei unseren Messungen der TV-Dienst Magine mit 56 Sekunden Verzögerung.

Allerdings ist hier bis zur und während der Euro 2016 mit Besserung zu rechnen. Bei der Fußball-WM hatte der Streaming-Dienst Magine während der Spiele noch an den Einstellungen gedreht, sodass die Latenz von eineinhalb Minuten auf immerhin 26 Sekunden schrumpfte. Für Mobilgucker bietet sich innerhalb Deutschlands darum nach wie vor DVB-T an, Micro-USB-Empfänger fürs Smartphone und Tablet gibts inzwischen ab 25 Euro, weil DVB-T ein Auslaufmodell ist; die teureren DVB-T2-Sticks sind nur bedingt zukunftsfähig, weil aktuelle Modelle hierzulande die Privatsender über DVB-T2 HD nicht empfangen können.

Dass selbst Zuschauer mit demselben Empfangsweg die TV-Bilder nicht ganz gleichzeitig zu Gesicht bekommen, liegt übrigens an der Bildaufbereitung in den Empfangsgeräten selbst. Sie schlägt mit bis zu einer Sekunde zu Buche.

Mit einem weiteren Problem haben nur diejenigen zu kämpfen, die in unmittelbarer Nähe einer der französischen Spielstätten gastieren, aber trotzdem fernsehen, statt im Stadion zu sitzen. Hier entsteht ein Grundversatz zwischen der Kameraaufnahme und dem Ausspielen im Sendezentrum. Dieser hängt von mehreren Faktoren ab. Die meisten liegen in der Hand des Host-Broadcasters der UEFA, der den Sendern das Signal aus dem Stadion im International Broadcast Center (IBC) bereitstellt, etwa einen Übertragungswagen am Stadion, Leitungen zum IBC, Regie im IBC und der Schaltraum im IBC.

Ähnliche Faktoren verzögern auch beim Sender selbst die Signalverarbeitung, bis es tatsächlich über Kabelkopfstationen oder Glasfasernetz ausgespielt wird. Hier tun sich die Sender mit konkreten zeitlichen Angaben schwer. Sie dürften jedoch mehrere Sekunden betragen: Bei der Live-Übertragung eines Linkin-Park-Konzerts in 4K über Satellit lag der Versatz bei 7,5 Sekunden.

Tipps zur Auswahl und Einrichtung von Display und Beamer zur EM gibt c't in Ausgabe 12/16. Oder darf's noch auf die Schnelle ein günstiger, heller Beamer sein? ()