Internetpioniere plädieren für dezentrale Kommunikations- und Bezahlsysteme

Auf dem "Gipfeltreffen" machen sich "Internetvater" Vint Cerf und Web-Erfinder Tim Berners-Lee sowie weitere Experten auf die Suche nach einem "dezentralen Web" post Snowden.

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Vint Cerf

Vint Cerf spricht neben anderen Internet-Veteranen auf dem Decentralised Web Summit.

(Bild: dpa, Pawel Supernak / Archiv)

Lesezeit: 2 Min.

Drei Jahre nach den ersten Berichten über die Massenüberwachung durch die NSA und befreundete Geheimdienste zeigen sich Internetpioniere zunehmend besorgt über die Entwicklung des Netzes im Zeitalter nach Snowden. Sie wollen auf dem "Decentralised Web Summit" in San Francisco am Mittwoch und Donnerstag Alternativen aushecken und das Netz neu erfinden. Im Mittelpunkt steht die Frage, inwieweit sich Internet und World Wide Web sowie darauf aufsetzende Anwendungen mithilfe verteilter Systeme re-dezentralisieren lassen. Damit wollen die Forscher Überwachern, Zensoren und Kontrolleuren ein Schnippchen schlagen.

"Snowden hat gezeigt, dass wir mit dem Web ungewollt das größte Überwachungsnetzwerk gebaut haben, ergänzte der Gründer des Internet Archive, Brewster Kahle. Der Organisator des "Gipfeltreffens" erinnerte daran, dass Länder wie China ihre Bürger daran hinderten, sich frei auf Webseiten zu informieren. Zudem habe eine Handvoll großer Serviceprovider die Kontrolle darüber, was im Netz konsumiert werde.

Tim Berners-Lee, der vor 27 Jahren am Genfer Forschungszentrum Cern den Grundstein für das World Wide Web legte, bedauerte laut einem Bericht der "New York Times", dass das früher "großartige" Netz heute von Spionage, Blockaden oder Umleitungen entwertet werde.

Verteilte Systeme hält Berners-Lee aber nicht für ein Allheilmittel, da das Web ohnehin dezentral angelegt ist. Das eigentliche Problem stelle die "Dominanz einer einzelnen Suchmaschine, eines großen sozialen Netzwerks und eines Twitter" dar. Die digitale Gesellschaft stehe also nicht vor einer technischen, sondern einer sozialen Herausforderung.

Vorteile verspricht sich der Leiter des World Wide Web Consortium (W3C) aber von dezentraleren, einfacher zu bedienenden Bezahlsystemen etwa auf der Basis verteilter Datenbanksysteme wie der Blockchain. Damit dürften sich Nutzer nicht mehr "gezwungen" sehen, mit ihren Daten oder Werbekonsum für Inhalte zu bezahlen. (vbr)