Geteilte Leiden

Ausgerechnet dort, wo das Teilen von Informationen wirklich entscheidend ist, klemmt es besonders: zwischen Ärzten und Patienten. Johannes Jacubeit (33) will das ändern.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Niels Boeing

Patientengespräche können für Ärzte ernüchternd sein. Johannes Jacubeit hat es in seiner Zeit als praktizierender Sportmediziner immer wieder erlebt: "Man fragt einen neuen Patienten: Welche Tabletten nehmen Sie zurzeit? Er antwortet: weiße. Man fragt weiter: Wann wurden Sie das letzte Mal gegen Tetanus geimpft? Er antwortet: vor einiger Zeit", erzählt er in den Büroräumen von Connected Health, die in einem alten Fabrikgebäude in Hamburg-Bahrenfeld liegen.

Später dann ging Jacubeit auf Weltreise, und anschließend waren ihm zwei Dinge klar. Erstens: Die Medizin steckt in Teilen noch im 20. Jahrhundert, wenn Patientenakten in den PCs von Arztpraxen weggesperrt sind. Zweitens: Er wollte derjenige sein, der diesen Missstand beseitigt.

Die Idee: Ärzte können die Befunde von ihrem Praxis-PC auf das Smartphone des Patienten übertragen. So sind diese immer im Besitz ihrer eigenen Krankengeschichte, zähe Befragungen nach der letzten Impfung gehören der Vergangenheit an. Im Juni 2014 entwickelte Jacubeit zunächst eine App, die nötigen Programmierkenntnisse hatte er sich selbst beigebracht.

Weil aber viele Praxen weder Internet noch Bluetooth oder WLAN haben, brauchte er zusätzlich ein Gerät, um die Daten auf die Smartphones der Patienten zu übertragen. Um es zu entwickeln, gründete er im Oktober 2014 die Firma Connected Health. Gemeinsam mit einigen Mitstreitern hob er den LifeTime Hub aus der Taufe. Das Gerät überträgt PDF- und Bilddateien sowie medizinische Bilddaten im DCM-Format vom PC. Die Daten liegen damit weder auf Servern noch in einer Cloud – sondern nur beim Arzt und beim Patienten. Zudem sind Übertragung und App verschlüsselt.

"Die ersten Platinen haben wir noch selber gelötet", erinnert sich Jacubeit. Sie experimentierten mit einem Raspberry Pi als Plattform, doch der war nicht gut genug für das, was sie brauchten. Auch mit einem Arduino-Controller ging es nicht. Die finale Lösung, in der verschiedene fertige Bausteine kombiniert sind, lässt das Start-up inzwischen fertigen.

Die Grundidee hat inzwischen einige überzeugt. Investoren etwa: Die Stadt Hamburg ist mit ihrem Förderfonds eingestiegen, dazu ein Arzt als Business Angel. Und, ganz wichtig, Ärzte: 50 Praxen beteiligen sich an der Testphase, dazu kommt das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Das System lässt sich jedoch überall einsetzen, betont Jacubeit. "Es funktioniert mit jedem Rechner und jeder Praxis-Software der Welt, ob in den USA oder in Afrika."

Sollte Connected Health Erfolg haben, hätte das Start-up ein Kunststück vollbracht, das bisher kaum einem digitalen System im Gesundheitswesen gelingt: Dem Arzt Diagnose und Behandlung zu erleichtern – und dem Patienten dennoch die Hoheit über seine eigenen Daten zu geben. (nbo)