wen-wählen.de: Streit über Löschung von Kandidatendaten auf Wahlportal

Die Landesdatenschutzbehörde in Baden-Württemberg hat angeordnet, dass die Wahlplattform wen-wählen.de sämtliche Daten eines Kandidaten für den Bundestag aus dem Jahr 2009 löscht. Kritiker sprechen von "behördlicher Zensur".

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wen-wählen.de: Streit über Löschung von Kandidatendaten auf Wahlportal

Auf wen-wählen sollen die Nutzer herausfinden können, mit welchem Kandidaten ihre Meinung am meisten übereinstimmt.

(Bild: Screenshot)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Joerg Heidrich

Die Online-Wahlplattform wen-wählen.de muss sämtliche Daten eines Kandidaten für den Bundestag aus dem Jahr 2009 löschen. Das hat die Landesdatenschutzbehörde in Baden-Württemberg angeordnet. Ihrer Ansicht nach verstößt die Plattform gegen die Vorschriften des Datenschutzes, weil sie den Vor- und Zunamen, die Parteizugehörigkeit, die Landesliste und Listenplatz sowie das Foto des Beschwerdeführers angibt. Der Betreiber der Wahlplattform spricht von einem Versuch der Geschichtsfälschung und will sich widersetzen.

Das Wahlportal enthält unter anderem Portraits der Kandidaten der vorigen Bundestagswahlen. Hieran störte sich ein Kandidat, der 2009 für die Linkspartei auf der Landesliste Thüringen angetreten war, und verlangte seine Daten zu löschen. Die Behörde sieht diese Informationen als besondere Art von personenbezogenen Daten. Diese seien nach Paragraf 3 Absatz 9 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) besonders geschützt, da sie politische Meinungen umfassen.

Wenn es sich bei den Daten um Informationen handelt, die ohnehin öffentlich zugänglich gewesen sind, sei deren Erfassung und Veröffentlichung zwar zunächst rechtlich zulässig gewesen, meint die Behörde. Dazu gehöre der Namen, die Parteizugehörigkeit und der Landeslistenplatz. Allerdings seien diese Daten nun auf Basis von Paragraf 35 BDSG zu löschen, da ihre Verarbeitung "für die Erfüllung der Zwecke nicht mehr erforderlich" sei. Das Wahlprofil habe lediglich für die Bundestagswahl 2009 eine Rolle gespielt. Die Informationen zur Berichterstattung oder zur politischen Bildung bereitzuhalten sei nach sieben Jahren nicht mehr erforderlich.

Ebenfalls zu löschen seien die weiteren Informationen über den Kandidaten wie Geburtsjahr, Familienstand und Anzahl der Kinder. Diese zu veröffentlichen habe der Betroffene zwar zunächst eingewilligt, das jedoch inzwischen widerrufen, so dass die Speicherung unzulässig geworden ist.

Der Betreiber des Portals, Alvar Freude, kündigte gegenüber heise online an, die Lösch-Anordnung der Behörde nicht umzusetzen. Nach seiner Ansicht beachte die Mitarbeiterin des Landesdatenschutzbeauftragten nicht ausreichend die Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit aus Artikel 5 des Grundgesetzes. Zudem ignoriere sie auch Paragraf 41 BDSG, der ein Medienprivileg für die Berichterstattung enthalte. Allerdings zeigte sich Freude bereit, die Angaben zum Familienstand und der Anzahl der Kinder zu löschen, wenn der Betroffene dies explizit wünscht.

Die weiteren Daten zu löschen verbiete sich jedoch schon wegen der weiteren politischen Aktivitäten des ehemaligen Kandidaten. So habe dieser in seiner jetzigen Eigenschaft als Professor für IT-Sicherheit etwa in einer Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages kontrovers ausgesagt. Ein umfassendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit sei daher höher zu bewerten als dessen nicht näher erläutertes Interesse, seine Kandidatur zum Bundestag zu verschweigen.

Freude meint auch, dass die Lösch-Anordnung auch einer Gerichtsentscheidung des Amtsgerichts Hamburg in einem ähnlichen Fall eines ehemaligen AfD-Politikers widerspreche, in der es eine Löschung explizit abgelehnt hatte. Sollte sich die Rechtsansicht der Behörde durchsetzen, könne er sein gesamtes Angebot nicht mehr sinnvoll betreiben.

In ersten Stellungnahmen bezeichnen Experten den Vorgang als "schlichtweg skandalös" oder gar als "behördliche Zensur im Gewand des Datenschutzes". Verfolgt die Behörde weiter ihren Kurs, könnte sie gegen den Betreiber ein Bußgeld verhängen. (anw)