Bier aus dem Computer

Zwei Londoner Unternehmer brauen Bier, das mit Hilfe der Rückmeldungen von Kunden automatisch verbessert werden soll. Der Anfang einer Maschinenlern-Revolution bei Konsumprodukten?

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Von
  • Sascha Mattke
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ABI will nur Eines: immer besser werden. Dazu stellt sie über den Facebook-Messenger viele neugierige Fragen, sammelt die Antworten und wertet sie aus. Die Ergebnisse fließen dann in die nächste Version des mit Hilfe von ABI gestalteten Produkts ein.

ABI steht für Automated Brewing Intelligence, also automatische Brau-Intelligenz und ist das Werk von Rob McInerney, einem Experten für Maschinenlernen. Zusammen mit dem Marketing-Mann Hew Leith hat er ein System aufgesetzt, das Bier über seine bisherigen Geschmacksgrenzen hinaus weiterentwickeln will. Beworben wird das ganze von ihrer IntelligentX Brewing Co. etwas vollmundig als "das erste Bier der Welt, das mit Künstlicher Intelligenz gebraut wird".

"Künstliche Intelligenz hilft bei Entscheidungen, und beim Bierbrauen gibt es eine Menge Entscheidungen zu treffen", erklärt McInerney. Tatsächlich stehen Brauern, soweit sie sich nicht vom – umstrittenen – deutschen Reinheitsgebot bremsen lassen, fast unendlich viele Kombinationsmöglichkeiten von Zutaten und Produktionsmethoden zur Verfügung. ABI soll dabei helfen, langsam aber sicher die optimale Variante zu finden.

Für die Künstliche Intelligenz und ihre Schöpfer ist das ein Lernprozess. Mehrere der anfangs von ABI zusammengestellten Biere seien gar nicht gut angekommen, räumt McInerney bereitwillig ein. "Es ist lecker, hat aber einen leicht chemischen Unterton", kritisierte zum Beispiel eine Testerin in einem Beitrag auf YouTube eine frühe Version. Bis zur ersten Augustwoche hatte das KI-Bier elf Evolutionsstufen hinter sich gebracht.

Und die Entwicklung geht immer weiter. "Wir werden nie einen Punkt erreichen, an dem wir sagen, ja, jetzt haben wir das perfekte Bier", erklärt Marketing-Experte Leith. Die Geschmäcker würden sich heute schneller verändern als je zuvor, und Künstliche Intelligenz sei die perfekte Möglichkeit, um darauf zu reagieren.

Um einen ersten Ausgangspunkt zu haben, ließ IntelligentX die Grundversionen seiner vier Biere ganz klassisch von einem menschlichen Brauer zusammenstellen. Über ein Chat-System, das zunächst die Sorte und die exakte Version abfragt, lässt sich ABI dann von den Trinkern detaillierte Rückmeldungen geben – wie hat das Bier allgemein geschmeckt, wie würzig ist es auf einer Skala von 1 bis 10 und dergleichen.

Auf Grundlage dieser Bewertungen wird dann die Rezeptur weiterentwickelt. Wenn die Kunden bei der nächsten Feedback-Runde zufrieden sind, freut sich auch ABI, denn sie ist so programmiert, dass sie lobende Äußerungen als Belohnung bewertet und deshalb mehr davon bekommen möchte. Der Fachbegriff dazu lautet Bestärkendes Lernen.

Laut McInerney ist das Feedback-System das entscheidende Element bei dem KI-Konzept. Auf diese Weise bringe man "den Brauer und alle unsere Kunden in den gleichen Raum, und das ermöglicht eine von Daten strukturierte Kreativität, mit der wir unser Bier von Generation zu Generation weiterentwickeln können". Eines der Ziele von IntelligentX ist, mit seinem Bier irgendwann einen Preis zu gewinnen.

Wer das Gebräu testen möchte, muss sich einstweilen noch in die Eigen-Brauerei Ubrew in London begeben, wo auch IntelligentX seinen Sitz hat. Irgendwann "in den nächsten Wochen" soll das Bier dann auch über die Website des Unternehmens zu bestellen sein. "Wir sind jetzt bereit, das Produkt in die freie Wildbahn zu entlassen", erklärt Mitgründer Leith.

Wie er außerdem berichtet, zeigen auch große Brauereien erhebliches Interesse an dem Konzept ­– nach den ersten Berichten über das KI-Bier habe er reichlich E-Mails und Anrufe von ihnen bekommen. Und wenn es nach ihm geht, wird das Konzept ohnehin nicht lange aufs Bierbrauen beschränkt bleiben: Es eigne sich auch für andere emotional ansprechende Produkte wie Kaffee, Parfüm oder Schokolade. Auf diese Weise könne eine "Maschinenlern-Revolution bei Konsumprodukten ausgelöst werden".

(sma)