Gigabit-Mobilfunk: Telekom und Huawei loten Kapazität der LTE-Technik mit 1,2 GBit/s aus

Netzbetreiber brauchen schnellere Netze für den anhaltenden Mobilfunk-Boom, das ist klar. Aber für Gigabit-Mobilfunk fehlen die erforderlichen Frequenzen eigentlich. Die Telekom führt nun ein Zauberkunststück mit Kaninchen vor, verbirgt aber den Hut.

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Gigabit-Mobilfunk: Telekom und Huawei loten Kapazität der LTE-Technik aus

Quantensprung für den Mobilfunk: Die Deutsche Telekom und Huawei demonstrieren erstmals Gigabit-Mobilfunk in Berlin. Einige entscheidende Angaben hält die Telekom bisher jedoch unterm Deckel.

(Bild: Deutsche Telekom)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Dusan Zivadinovic

Der Netzwerkausrüster Huawei und der Netzbetreiber Deutsche Telekom haben in einem Feldversuch in Berlin eine der noch fernen Ausbaustufen des 4G-Mobilfunks erprobt. Dabei haben die Partner eine Kleinzelle als Basisstation sowie Prototypen-Empfänger verwendet. Neu am Feldversuch sind die enormen Funk-Ressourcen, die die Kleinzelle genutzt hat: Sie bündelte fünf Träger (Carrier Aggregation, CA) und funkte die Daten über vier Sende-Empfangszüge mit räumlich separaten Übertragungswegen (4x4 MIMO). So lieferte sie laut Telekom-Angaben in der Live-Demonstration Spitzenraten bis 1,22 GBit/s.

Die Technik hat das Normungsinstitut 3GPP, in dem sich neben vielen anderen auch Huawei und die Telekom engagieren, als eine der letzten Ausbaustufen von LTE Advanced Pro definiert, bevor es mit 5G-Mobilfunk weitergeht. Gegenwärtig rüsten die deutschen Mobilfunknetzbetreiber, Telefónica, Telekom und Vodafone ihre Netze auf die erste Ausbaustufe von LTE Advanced Pro auf. Damit können Mobilfunkzellen die Teilnehmer prinzipiell mit bis zu 450 MBit/s versorgen -- sofern sie drei LTE-Träger von je 20 MHz Breite bündeln. Vodafone setzt die Technik in einigen Basisstationen bereits im Produktivbetrieb ein. Im Produktivbetrieb fasst Vodafone bisher 50 MHz zusammen. Die maximale Datenrate an den schnellen Vodafone-Basisstationen beträgt daher 375 MBit/s (ansonsten maximal 225 MBit/s). In ersten Tests lieferte eine solche Basisstation Durchsatzraten knapp am Limit von 375 MBit/s (c't hat LTE Advanced Pro in Ausgabe 18/2016 einen Schwerpunkt gewidmet).

Das hat ganz offensichtlich Freude gemacht -- Telekom- und Huawei-Ingenieure bei der Live-Demo der Gigabit-Mobilfunktechnik in Berlin.

(Bild: Deutsche Telekom)

Gerade die Trägerbündelung macht den Feldtest von Huawei und Telekom interessant: Schaut man sich die Nutzungsrechte für den Mobilfunk an, stehen allen drei deutschen Betreibern bei heute üblicher FDD-Betriebsart jeweils maximal 50 MHz zur Verfügung (FDD: Frequency Division Multiplex, Basisstation und Teilnehmergeräte verwenden unterschiedliche Spektrumausschnitte zum Senden und Empfangen, die Ausschnitte sind gleich breit). Für Gigabit-Mobilfunk braucht man bei LTE jedoch 100 MHz (LTE-Gerätekategorie 8 -- im Maximalausbau liefert Cat-8 sogar bis zu 3 GBit/s). Weil bei LTE Advanced Pro die maximale Breite eines Trägers 20 MHz beträgt, sind dafür fünf Träger erforderlich. Die Telekom gibt jedoch mit keiner Silbe an, aus welchen Spektralbereichen die Träger stammen.

In Frage kommt am ehesten das 5-GHz-Band, das bisher überwiegend für 11ac-WLANs genutzt wird. Dort sind insgesamt 160 MHz lizenzfrei zur Kombination mit lizenzierten Bändern ohne Weiteres verfügbar und die Mobilfunker haben in Gestalt der LAA-Technik ein frisches Werkzeug, um von dieser Ressource zu schöpfen (License-Assisted Access, Details zur Spezifikation liefert der kostenpflichtige c't-Artikel "Dazwischenfunken"). LAA schreibt unter anderem eine Koexistenz mit 5-GHz-WLAN-Stationen vor, sodass eine LTE-Basisstation in diesem Funkband zunächst horcht, ob der beanspruchte Kanal gerade frei ist, bevor sie sendet (Listen Before Talk, LBT). Aber beliebt ist LAA bei WLAN-Nutzern dennoch nicht, denn wenn LTE auf einem Kanal gerade sendet, dann muss umgekehrt eine WLAN-Basisstation in Reichweite ebenso warten, bis der betreffende Kanal frei ist. Unterm Strich sinkt so der Durchsatz für 5-GHz-WLANs und deshalb ist LAA umstritten. Der WLAN-Router-Hersteller AVM warnt deshalb vom großflächigem Einsatz der LAA-Technik-- zum WLAN gebe es derzeit nämlich keinen drahtlosen Ersatz.

Möglicherweise ließ die Telekom deshalb in ihrem Blogeintrag die Angaben zum Ursprung der Frequenzressourcen unter den Tisch fallen. Diese und weitere Details haben wir bei der Telekom angefragt (Distanz zwischen Sender und Empfänger, Datenrate vom Teilnehmer zur Basisstation und anderes mehr). Die Telekom hat im Februar 2016 LTE-LAA bereits mit dem Chip-Hersteller Qualcomm getestet.

[Update]: 13.09.2016, 16:40 Uhr: Christian Fischer, ein Sprecher der Deutschen Telekom hat ausführlich zu den offenen Fragen Stellung genommen: "Die Online-Version der Pressemitteilung richtet sich an ein breites Publikum und ist daher bewusst nicht Informations-überfrachtet. Spezial- und Fachmedien stellen wir vertiefende Informationen gern auf Nachfrage zur Verfügung."

"Wir haben zwei Szenarien in Berlin durchgespielt – indoor und outdoor", fügte Fischer an. Unter freiem Himmel betrug der Abstand zur Kleinzelle etwa 15 Meter, der zur Makrostation etwa 250 Meter. Für den Uplink, also die Richtung vom Teilnehmer zur Basisstation wurde LTE in der heute üblichen Betriebsart eingesetzt (dabei sind 50 MBit/s möglich).

Besonders aufschlussreich sind die Angaben zu den eingesetzten Frequenzbändern. Demnach hat die Telekom für die Live-Demonstration zunächst die schon heute für LTE gebräuchlichen Frequenzen verwendet (10 MHz im 800-MHz-Band sowie je 20 MHz in 1800- und 2600-MHz-Bändern). Im Prinzip ist das dieselbe Konfiguration, die Vodafone für seinen 375-MBit/s-Ausbau verwendet. Zusätzlich kamen 2 x 20 MHz in der TDD-Betriebsart aus dem 3500-MHz-Band hinzu (TDD: Sender und Empfänger nutzen dieselben Frequenzen, aber zeitversetzt zueinander). Im Outdoor-Szenario lieferte die Makro-Zelle 10 + 20 MHz aus dem 1800- und weitere 20 MHz aus dem 2600-MHz-Band; die Kleinzelle nutzte 2 x 20 MHz aus dem 3500-MHz-Band.

Das lässt aufhorchen, denn im 3,5-GHz-Bereich wurden zwar ursprünglich Frequenzen für WiMax reserviert, aber diese Funktechnik hat sich weltweit nicht durchsetzen können. Deshalb haben beispielsweise Ericsson und der französische Netzbetreiber Orange das 3,5-GHz-Band im Dezember 2014 für LTE erprobt. Frequenznutzungsrechte für WiMax sind auch in Deutschland versteigert worden. Sie gelten derzeit bis zum Jahr 2021, liegen aber auch hierzulande brach. Eine Umwidmung für LTE-Zwecke, wäre also auch hierzulande vorstellbar und käme der Mobilfunkbranche sehr gelegen.

[Update]: 14.9.2016, 8:59, Makro-Zelle und Outdoor-Szenario ergänzt (dz)