Lenovo und Microsoft blocken Linux-Installation auf Notebooks wohl nicht absichtlich

Im Netz kursieren Berichte, Lenovo würde bei Notebooks die Linux-Installation blockieren, weil eine Vereinbarung mit Microsoft das verlange. Vieles deutet darauf hin, dass kein Vorsatz vorliegt, sondern eine Inkompatibilität infolge eines Sonderwegs.

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Lenovo und Microsoft blocken Linux-Installation auf Notebooks wohl nicht absichtlich

Mindestens zwei Yoga 900 sollen von dem Linux-Installations-Problem betroffen sein.

(Bild: Bild: Lenovo)

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Von
  • Thorsten Leemhuis
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Durch das Netz geistern derzeit Meldungen, Lenovo würde bei mindestens drei Notebooks die Installation von Linux blockieren. Teilweise wird Secure Boot dafür verantwortlich gemacht, teilweise ein vermeintlicher Vertrag mit Microsoft zur Blockade alternativer Betriebssysteme.

Der Entwickler Matthew Garrett, der die Secure-Boot-Unterstützung für Linux-Kernel und Linux-Distributionen maßgeblich vorangetrieben hat, bezeichnet das als falsche Darstellung und erläutert, es fehle lediglich ein Treiber. Seiner Argumentation hat aber auch Löcher. Vorerst bleibt der Kern des Problems daher unklar.

Zu breiter Aufmerksamkeit ist die ganze Sache durch einen Reddit-Beitrag gekommen. Dieser warnt schon im Titel vor Rechnern mit der "Signature Edition" von Windows 10, weil die PC-Hersteller dabei angeblich die Installation anderer Betriebssysteme unterbinden müssten. Der Reddit-Beitrag bezieht sich unter anderem auf eine Diskussion in einem Lenovo-Forum. Die Teilnehmer dieses 19 Seiten langen Threads hatten dort seit Ende Mai über Probleme bei der Installation von Linux auf dem Yoga 900 ISK2 berichtet; der Reddit-Beitrag referenziert ferner zwei weitere Threads zu den Yoga-Modellen 710S und 900S, die ebenfalls betroffen sein sollen. Dort wird viel über die vermeintlichen Ursachen und Workarounds diskutiert – einige der Aussagen sind aber widersprüchlich und einzelne offensichtlich falsch.

Hauptauslöser für die mittlerweile weit zirkulierende Reddit-Meldung war eine schlechte Review, die ein enttäuschter Käufer auf den Webseiten von Best Buy publiziert hat. Daraufhin habe sich dort ein vermeintlicher "Lenovo Product Expert" zu Wort gemeldet. Ihmzufolge sei auf dem Gerät eine "Signature Edition" von Windows 10 Home installiert, die aufgrund eines Vertrags mit Microsoft verriegelt ("locked") sei. Zur Erklärung: Unter diesem im Herbst 2014 eingeführten Label verkaufen einige Hersteller Geräte, mit einer (fast) sauberen Vorinstallation. Im deutschsprachigen Raum sind solche Geräte aber nicht erhältlich.

Ein Lenovo-Sprecher hat die Aussage des Lenovo Product Expert mittlerweile gegenüber The Register dementiert: Man würde nicht absichtlich die Installation anderer Betriebssysteme auf Lenovo-Geräten unterbinden.

Wenige Stunden nach Veröffentlichung des Reddit-Beitrag meldete sich auch Matthew Garrett in einem Blog-Beitrag zu Wort; er bezeichnete die Berichte zur Sache als Sensationshascherei, falsch und vom eigentlichen Problem ablenkend.

Das Problem sei ein anderes: Der Storage-Adapter moderner Intel-Chips könne in einem normalen Modus (AHCI oder NVMe) oder als RAID konfiguriert werden. Im RAID-Modus hat der Adapter eine andere PCI-ID, damit ein Nicht-RAID-Treiber die Platten nicht versehentlich einzeln anspricht. Intel habe keine Treiber zur Unterstützung des RAID-Modus im Linux-Kernel eingereicht. Bei den betroffenen Geräten gebe es im BIOS-Setup keine Option, um von der RAID-Betriebsart auf den normalen Modus umzuschalten. Dadurch erkennt Linux die am Adapter angeschlossenen Datenträger nicht und lässt sich darauf auch nicht installieren.

Der Storage-Adapter der Skylake-U-Prozessoren kann sich über eine von drei PCI-IDs zu erkennen geben.

(Bild: Datenblatt von Intel )

Das klingt stichhaltig, stimmt aber nur zum Teil. Der AHCI-Treiber des Linux-Kernel spricht Intels Storage-Adapter durchaus an, wenn er im RAID-Modus ist; neben der PCI-ID für den AHCI-Modus (8086:9D03 bei PCH für Core-i-6000er-Prozessoren der U-Variante) bringt der Treiber nämlich auch die ID 8086:282A mit, mit der er den Adapter selbst im RAID-Modus ansprechen kann. Das ist Intel-Entwicklern zu verdanken, die auch an der Unterstützung für den RAID-Modus in Device Mapper und Dmraid sowie Mdraid und Mdamd mitgewirkt haben.

Modernen Kerneln fehlt allerdings ein Eintrag für die ID 8086:9D07. Das ist aber auch gut so, denn das ist ein dritter Betriebsmodus, den die Chipsatzdokumentation als "SATA AHCI/RAID (3rd Party RAID [AIE=1]" bezeichnet. Dieser Modus ist für Hardware-Hersteller gedacht, die zusätzliche Funktionen nachrüsten wollen – etwa mit einer eigenen Firmware, die spezielle RAID-Funktionen ermöglicht.

Hier ist eine eigene ID wichtig, damit Linux, Windows und andere Betriebssysteme den Storage-Adapter nicht mit den generischen Treibern für Intels ATA/NVMe/RAID-Controller ansprechen; würden sie es tun, könnte das zu Datenverlust führen, weil die Treiber die Zusatzfunktionen der Firmware übergehen würde.

Durch setzen der "Alternate ID" können Hardware-Hersteller sicher stellen, dass der Storage-Adapter nicht von generischen Treiber angesprochen wird.

(Bild: Datenblatt von Intel)

Vieles deutete darauf hin, dass Lenovo eine solche "Alternate ID" bei den betroffenen Notebooks verwendet - bloß weiß man nicht, weshalb. Das würde jedenfalls plausibel darlegen, warum die Linux-Installation nicht funktioniert. Einige andere Anmerkungen in dem Thread würde es aber nicht erklären. Dort ist etwa die Rede davon, das lscpi in den Ausgaben zu den PCI-Geräten des Systems angeblich gar keinen Storage-Controller auflistet.

Andere Nutzer berichten, dass ihre Lenovo-Mobilgeräte im BIOS-Setup die Option bieten, die "Platform Trust Technology" (Intel PTT) abzuschalten. Anschließend kann Linux angeblich den NVMe-Massenspeicher nutzen: In den betroffenen Notebooks stecken nämlich anscheinend jeweils M.2-SSDs mit einem PCIe-Interface und einem NVMe-tauglichen Controller. Leider dokumentieren das aber nicht alle betroffenen Nutzer im Detail; in älteren Versionen der betroffenen Yoga-Notebooks scheint Lenovo M.2-SSDs mit SATA-Interface zu verwenden.

Alle Spekulationen nutzen aber wenig, solange Lenovo nicht in der Sache reagiert: Beispielsweise mit einem BIOS-Update, welches das Umschalten des Storage-Adapters im Intel-Chipsatz erlaubt, oder mit einem Linux-Treiber(-Patch). Hilfreich wäre zudem, wenn Lenovo erklären würde, weshalb man diese spezielle RAID- oder NVMe-Konfiguration überhaupt verwendet. (thl)