Google Pixel und Pixel XL im Test

Die beiden nächsten Android-Smartphones hat Google unter den Namen Pixel und Pixel XL herausgebracht. Sie sind mit High-End-Hardware, Spitzenkamera und eingebautem Google Assistent in der Oberklasse angesiedelt. Wir haben getestet, ob das die Premium-Preise rechtfertigt.

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Google Pixel und Pixel XL im Test
Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Achim Barczok
Inhaltsverzeichnis

An Selbstbewusstsein scheint es Google nicht zu mangeln: Mit Preisen von 750 bis 870 Euro für das 5 Zoll große Pixel Phone und 900 bis 1010 Euro für das 5,5-Zoll große Pixel XL gehören Googles neue Smartphones zu den teuersten Android-Smartphones aller Zeiten. Vorbei die Zeiten, in denen die Nexus-Geräte als Geheimtipp für hochwertige Hardware zum kleinen Preis galten. Entsprechend könnte man erwarten, dass die beiden neuen Vorzeige-Telefone andere Top-Android-Smartphones und das iPhone 7 übertrumpfen. Das klappt allerdings nicht in allen Belangen – dazu später mehr.

Am Design der Pixel-Phones scheiden sich die Geister: Google hat sich recht deutlich von Apple "inspirieren" lassen. So sieht insbesondere bei den Modellen in Silber die Vorderseite dem iPhone so ähnlich, dass viele Kollegen nicht merkten, ein Android-Gerät in den Händen zu halten und verzweifelt nach dem Home-Button unterm Display suchten. Und auch die Rückseite der Google-Smartphones gleicht den Apple-Geräten. Einziger Unterschied: Das obere Viertel verziert Google mit mit poliertem Glas, was in unserer Redaktion unterschiedlich gut ankam. Die Meinungen schwankten zwischen "Sieht doch gut aus." und "Potthässlich. Kleben da noch Reste der Schutzfolie drauf?".

Google Pixel und Pixel XL (6 Bilder)

Die Variante des Pixel mit weißer Front hat große Ähnlichkeit mit Apples iPhone.

Unstrittig ist hingegen die Verarbeitungsqualität: Das gebürstete Alu-Gehäuse mit seinen abgerundeten Kanten und der perfekt bündig eingelassen Glasfront wirkt sehr edel. Anders als viele andere dünne Smartphones verwinden sich die Pixel nicht beim Tragen in der Hosentasche, das Gehäuse knarzt und klappert nicht und die drei Alu-Buttons sitzen fest und haben einen sehr sauberen und definierten Druckpunkt. Ebenfalls schick: Die Kameralinse ist bündig mit der Rückseite. Der Buckel der Vorgänger Modelle Nexus 6P und 5X gehört damit der Vergangenheit an. Allerdings hat Google dafür ein wenig getrickst, denn Pixel-Phones sind leicht keilförmig und messen am unteren Rand 7,3 mm, während es oben 8,5 mm sind.

Abgesehen vom Display und der Akkukapazität unterscheidet sich die Hardware beider Telefone nicht. Sie sind die ersten Smartphones, die vom neuen Qualcomm Snapdragon 821 (MSM8996pro) angetrieben werden. Der Vier-Kern-Prozessor läuft mit einem maximalen Takt von 2,15 GHz, womit sie zu den schnellsten Smartphones zählen. In unseren Benchmarks lagen sie auf vergleichbarem Niveau wie die direkten Konkurrenten Apple iPhone 7, Samsung Galaxy S7 und OnePlus 3. Bei Praxistests sorgte das für ruckelfreies Spielen und geschmeidige VR-Erlebnisse. Hierbei gefiel auch die ausgewogen klingende Audiowiedergabe. Der nach unten gerichteten Lautsprecher ist allerdings so im Gehäuse platziert, dass man ihn häufig versehentlich mit dem Handballen verdeckt.

Zusammen mit den 4 GByte Arbeitsspeicher liefen die Pixel-Phones stets flüssig – nerviges Stocken der Android-Oberfläche oder lahmes Starten von Apps trat bei unseren Tests nicht auf. Wer allerdings einige Fotos, Songs und Filme auf den Geräten speichert, kommt schnell ans Limit des Gerätespeichers, der in der kleinen Ausstattungsvariante mit 32 GByte eher knapp bemessen ist. Für das Aufstocken auf üppige 128 GByte verlangt Google einen Aufpreis von jeweils 110 Euro. Eine Zwischenstufe mit 64 GByte wird leider nicht angeboten. Genauso fehlt die Möglichkeit den Speicher wie beispielsweise beim S7 mit SD-Karten zu erweitern. Immerhin darf man unbegrenzt viele Fotos und Videos in voller Qualität bei Google Fotos in die Cloud laden.

Der Akku im kleinen Pixel fasst 2770 mAh, der im Pixel XL 3450 mAh. Dank Schnellladetechnik über den USB-Typ-C-Stecker sollen die Geräte nach 15 Minuten am Stromnetz bis zu 7 Stunden lang durchhalten, was wir in unseren Tests bestätigen konnten. Die Kapazität sorgte bei der Videowiedergabe in unserem Testlabor für eine Laufzeit von elf (Pixel XL) und elfeinhalb Stunden (Pixel). Damit liegen sie im oberen Mittelfeld. Zum Vergleich: Das Nexus 6P schafft 10,3 Stunden, das Galaxy S7 14,8 Stunden und der Akku des Note 7 reichte für 15,1 Stunden – wenn er vorher nicht in Flammen aufging.

Besonders offensiv hat Google die Werbetrommel für die Kamera gerührt: Sie soll nicht weniger als die beste Smartphone-Kamera aller Zeiten sein. Die an der Vorderseite knipst 8 Megapixel, die an der Rückseite mit Dual-Blitz und 12,3 Megapixel. Der Sony-Sensor mit 1,55 µm großen Pixeln soll viel Licht durchlassen und eine besonders kurze Auslösezeit bieten. Google führt eine DxOMark von 89 als Beweis für die Qualitäten an. Das ist bisher beste Ergebnis einer Smartphone-Kamera – wenn auch nur mit sehr knappem Vorsprung vorm bisherigen Spitzenreiter Galaxy S7.

Unsere Tests uns Messungen bescheinigen der Pixel-Kamera ebenfalls sehr gute Ergebnisse: Die Schärfe ist (insbesondere an den Bildrändern) sogar minimal besser als beim S7. Die Algorithmen von Googles Kamera-App neigen aber dazu, die Bilder insgesamt stärker nachzuschärfen als Samsungs S7 oder das iPhone 7. Zoomten wir bei Portraits stark ins Bild, sahen Hautporen und kleine Fältchen unnatürlich aus. Unvergrößert fällt dieser kleinen Makel aber nicht auf.

Farben nehmen beide Telefone genauso knackig auf wie das S7 und iPhone 7. Im direkten Vergleich erkennt man, dass die Fotos aber insgesamt einen Hauch blaustichiger anmuten als bei Samsung, wo Fotos insgesamt auch einen Hauch brillanter wirken. Bei schwachem Umgebungslicht schleicht sich auch bei den Google-Phones ein leichtes und ebenfalls mit Samsung und Apple vergleichbares Bildrauschen ein.

Schelte hat Google für Fehlen eine optischen Bildstabilisators bekommen, mit dem das aktuelle iPhone aufwarten kann. Im Pixel-Produktforum meldete sich Google mittlerweile zu Wort und erklärte, dass optische Stabilisatoren vor allem die Qualität von Fotos bei wenig Umgebungslicht verbesserten, während elektronische Stabilisatoren der Videoqualität zu Gute kämen. In Anbetracht der Foto- und Videoqualität beider Smartphones lässt sich diese Diskussion vielleicht auch auf Jammern auf hohem Niveau bezeichnen.

Fotos der Google-Pixel-Kamera (9 Bilder)

Das Pixel lieferte auf diesem Foto bei Gegenlicht eine etwas bessere Qualität ...

Nicht das höchste Niveau haben die AMOLED-Displays der Pixel-Telefone. Das kleine Model löst mit 1920 × 1080 Bildpunkten auf. Das reicht im Alltag völlig aus, doch bei VR-Anwendungen stört die wegen der geringen Auflösung und der verwendeten PenTile-Matrix erkennbare Pixel-Struktur. Das größere Pixel XL hat 2560 × 1440 Bildpunkte und macht somit auch in VR-Brillen eine gute Figur.

OLED-typisch haben beide Displays ein supersattes Schwarz und somit einen enormen Kontrast. Die maximale Helligkeit beider Displays von 430 cd/m2 ermöglicht auch bei Sonnenschein eine gute Lesbarkeit. Zudem zeichnen sich die Displays durch einen sehr großen Farbraum und eine damit knackige und dabei natürliche Darstellung aus. Das allerdings nur bei direkter Draufsicht: Wegen der Winkelabhängigkeit, sehen helle Flächen auf dem Pixel leicht grünstichig aus, wenn man das Smartphone ein wenig neigt oder kippt. Beim Pixel XL verursacht das einen Farbdrift ins lilafarbene. Mit dem Display des iPhone kann die Blickwinkelcharakteristik nicht mithalten. Sie liegt bei den Pixel etwa auf dem Niveau anderer OLEDs wie die des Galaxy S7 oder OnePlus 3.

Obgleich das unlängst veröffentlichte Android 7 aka Nougat noch auf kaum einen Gerät angekommen ist, liefert Google die Pixel-Phones bereits mit Android 7.1 aus. Die bedeutendste Neuerung ist aber der bislang nur dort verfügbare Pixel-Launcher, der sich optisch deutlich vom bisherigen Google-Launcher unterscheidet, beispielsweise durch einen neuen App-Drawer, andere Ordner-Icons, und eine weniger aufdringliche Suchleiste.

Funktionale Verbesserungen sind die so genannten App-Shortcuts: Lässt man den Finger auf einem App-Icon verweilen, öffnet sie sich nicht, sondern blendet ein Menü mit einigen ihrer Funktionen ein. So zeigt beispielsweise die Telefonie-App die zuletzt gewählten Kontakte an, ohne dass man extra durch die gesamte Liste scrollen muss.

Pixel Launcher (7 Bilder)

Der Pixel-Launcher hat neue Ordner-Icons. Der App-Drawer wird nun durch eine Wischgeste von unten nach oben geöffnet.

Was viele Nutzer freuen dürfte: Der Nachtmodus mit wärmeren Displayfarben gehört nun fest zum Repertoire und muss nicht mehr von Hand mit Zusatztools freigeschaltet oder nachgerüstet werden.

Interessantes Potential hat der nun eingebaute Google Assistant, der besser kontextbezogen Infos liefern soll und Google Now ergänzt. Wie bereits in der Chat-App Allo vorgeführt, kann er natürliche Sprache verstehen und greift auf bereits gesammelte Informationen zurück. Bislang schweigt sich Google noch darüber aus, ob er künftig auf allen Android-Geräten verfügbar sein soll. Falls nicht, ist das – zumindest vorerst – kein herber Verlust: Abgesehen von der Fähigkeit mehr oder weniger flache Witze zu erzählen konnten wir dem Assistant keine Information oder Funktion entlocken, die Google Now unter Android 7 nicht auch beherrscht. Angekündigte Features wie das Bestellen von Kinokarten oder Tischreservierungen funktionieren zumindest in Deutschland derzeit noch nicht.

Technisch zählen die Pixel-Phones unbestritten zur Oberklasse. Gemessen an der nun eingestellten Nexus-Serie haben sie mehr zu bieten, sind schicker und auch eine ganze Ecke leistungsfähiger. Mehrwert bieten die Pixel-Telefone zudem auch durch die unlimitierten Foto- und Videobackups in der Cloud, der neusten Android-Version mit regelmäßigen und zeitnah veröffentlichten Updates.

Doch dafür verlangt Google auch absolute Premium-Preise. Es bleibt abzuwarten, ob die Nutzer tatsächlich bereit sind, so tief in die Tasche zu greifen – schließlich bekommt man technisch ebenbürtige Alternativen locker 200 Euro billiger.

Sollten wie in der Vergangenheit bei Nexus-Geräten die Preise innerhalb kurzer Zeit merklich fallen oder Google sich entscheiden eine Variante mit 64 GByte anzubieten, könnten die Pixel-Phones den Mitbewerbern allerdings Kopfschmerzen bereiten. (spo)